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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783.

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Gaben nicht durchs Glüksrad aus; sie wil, daß
wir uns darum bewerben sollen, weil sie weiß,
daß zugeworfene Güter uns nicht frommen kön-
nen, weder im Leiblichen, noch im Geistlichen.
Wilst du aber wissen, wie man, besonders in
deinem Alter (denn weiter hin ists zu spät!) es
anzufangen habe, um unsre ganze Art zu denken
und zu empfinden, in das rosenfarbene Gewand
einer guten und fröhlichen Laune zu kleiden?
Höre einen Rath, den du zuverläßig bewährt
finden wirst:

Sorge, daß du durch Mäßigkeit, durch
eine natürliche Lebensart, durch Vermei-
dung heftiger Leidenschaften, und durch
körperliche Geschäftigkeit deine Gesundheit
erhaltest; wache unabläßig über dein Herz
und über dein Gewissen, daß kein Laster
sie beflekke, keine schändliche Begierde die
zarten Wurzeln der Selbstzufriedenheit
benage; rotte alle eitle und ehrsüchtige Ab-
sichten mit Stumpf und Stiele bei dir aus,
und pflanze an ihre Stelle das edlere Ge-
wächs eines eifrigen und thätigen Vor-

sazes,
L 3

Gaben nicht durchs Gluͤksrad aus; ſie wil, daß
wir uns darum bewerben ſollen, weil ſie weiß,
daß zugeworfene Guͤter uns nicht frommen koͤn-
nen, weder im Leiblichen, noch im Geiſtlichen.
Wilſt du aber wiſſen, wie man, beſonders in
deinem Alter (denn weiter hin iſts zu ſpaͤt!) es
anzufangen habe, um unſre ganze Art zu denken
und zu empfinden, in das roſenfarbene Gewand
einer guten und froͤhlichen Laune zu kleiden?
Hoͤre einen Rath, den du zuverlaͤßig bewaͤhrt
finden wirſt:

Sorge, daß du durch Maͤßigkeit, durch
eine natuͤrliche Lebensart, durch Vermei-
dung heftiger Leidenſchaften, und durch
koͤrperliche Geſchaͤftigkeit deine Geſundheit
erhalteſt; wache unablaͤßig uͤber dein Herz
und uͤber dein Gewiſſen, daß kein Laſter
ſie beflekke, keine ſchaͤndliche Begierde die
zarten Wurzeln der Selbſtzufriedenheit
benage; rotte alle eitle und ehrſuͤchtige Ab-
ſichten mit Stumpf und Stiele bei dir aus,
und pflanze an ihre Stelle das edlere Ge-
waͤchs eines eifrigen und thaͤtigen Vor-

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[165/0195] Gaben nicht durchs Gluͤksrad aus; ſie wil, daß wir uns darum bewerben ſollen, weil ſie weiß, daß zugeworfene Guͤter uns nicht frommen koͤn- nen, weder im Leiblichen, noch im Geiſtlichen. Wilſt du aber wiſſen, wie man, beſonders in deinem Alter (denn weiter hin iſts zu ſpaͤt!) es anzufangen habe, um unſre ganze Art zu denken und zu empfinden, in das roſenfarbene Gewand einer guten und froͤhlichen Laune zu kleiden? Hoͤre einen Rath, den du zuverlaͤßig bewaͤhrt finden wirſt: Sorge, daß du durch Maͤßigkeit, durch eine natuͤrliche Lebensart, durch Vermei- dung heftiger Leidenſchaften, und durch koͤrperliche Geſchaͤftigkeit deine Geſundheit erhalteſt; wache unablaͤßig uͤber dein Herz und uͤber dein Gewiſſen, daß kein Laſter ſie beflekke, keine ſchaͤndliche Begierde die zarten Wurzeln der Selbſtzufriedenheit benage; rotte alle eitle und ehrſuͤchtige Ab- ſichten mit Stumpf und Stiele bei dir aus, und pflanze an ihre Stelle das edlere Ge- waͤchs eines eifrigen und thaͤtigen Vor- ſazes, L 3

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Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/195>, abgerufen am 17.05.2024.