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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783.

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bei dessen Annäherung doch jederman zurük-
weicht. -- *)



Wie viel seeliger ists, durch Gutmüthigkeit,
durch bescheidene und sanfte Aeusserungen unserer
Geistesgaben, und durch ein verbindliches einla-
dendes Wesen allen, die uns kennen lernen, den
Wunsch nach einem nähern Umgange und nach
einer grössern Vertraulichkeit mit uns einzuflös-
sen. -- Aber nicht alle, welche sich dan an uns
drengen, sind dazu gemacht, unsere Freunde im
engern Verstande zu sein; und wären sie es auch,
so würde doch die Klugheit uns rathen, und eine
nothwendige Zeitersparung uns gebieten, das
Band der wahren Freundschaft nur um einige
wenige auserwählte Selen zu schlingen, welche

mit
*) "Hast du Wiz, so bediene dich dessen, um
zu gefallen, nicht aber um zu schaden! Du
darfst wohl hervorschimmern, aber wie die
Sonne in den gemäßigten Zonen, ohne zu
versengen. Dort ist sie erwünscht; unter
der Linie fürchtet man sich vor ihr."

Chesterfield.

bei deſſen Annaͤherung doch jederman zuruͤk-
weicht. — *)



Wie viel ſeeliger iſts, durch Gutmuͤthigkeit,
durch beſcheidene und ſanfte Aeuſſerungen unſerer
Geiſtesgaben, und durch ein verbindliches einla-
dendes Weſen allen, die uns kennen lernen, den
Wunſch nach einem naͤhern Umgange und nach
einer groͤſſern Vertraulichkeit mit uns einzufloͤſ-
ſen. — Aber nicht alle, welche ſich dan an uns
drengen, ſind dazu gemacht, unſere Freunde im
engern Verſtande zu ſein; und waͤren ſie es auch,
ſo wuͤrde doch die Klugheit uns rathen, und eine
nothwendige Zeiterſparung uns gebieten, das
Band der wahren Freundſchaft nur um einige
wenige auserwaͤhlte Selen zu ſchlingen, welche

mit
*) “Haſt du Wiz, ſo bediene dich deſſen, um
zu gefallen, nicht aber um zu ſchaden! Du
darfſt wohl hervorſchimmern, aber wie die
Sonne in den gemaͤßigten Zonen, ohne zu
verſengen. Dort iſt ſie erwuͤnſcht; unter
der Linie fuͤrchtet man ſich vor ihr.„

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[178/0208] bei deſſen Annaͤherung doch jederman zuruͤk- weicht. — *) Wie viel ſeeliger iſts, durch Gutmuͤthigkeit, durch beſcheidene und ſanfte Aeuſſerungen unſerer Geiſtesgaben, und durch ein verbindliches einla- dendes Weſen allen, die uns kennen lernen, den Wunſch nach einem naͤhern Umgange und nach einer groͤſſern Vertraulichkeit mit uns einzufloͤſ- ſen. — Aber nicht alle, welche ſich dan an uns drengen, ſind dazu gemacht, unſere Freunde im engern Verſtande zu ſein; und waͤren ſie es auch, ſo wuͤrde doch die Klugheit uns rathen, und eine nothwendige Zeiterſparung uns gebieten, das Band der wahren Freundſchaft nur um einige wenige auserwaͤhlte Selen zu ſchlingen, welche mit *) “Haſt du Wiz, ſo bediene dich deſſen, um zu gefallen, nicht aber um zu ſchaden! Du darfſt wohl hervorſchimmern, aber wie die Sonne in den gemaͤßigten Zonen, ohne zu verſengen. Dort iſt ſie erwuͤnſcht; unter der Linie fuͤrchtet man ſich vor ihr.„ Cheſterfield.

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Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/208>, abgerufen am 15.05.2024.