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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783.

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Verwirrung und Verfal gerathen; vernächlässig-
ten die Erziehung ihrer Kinder; waren die zank-
süchtigsten Plagegeister ihrer Weiber, die unbillig-
sten Tirannen ihrer Dienstboten und aller, welche
das Unglük hatten, von ihnen abzuhängen. Mit
einem Worte, diese feurigen, thätigen, rastlosen
Menschenfreunde, welche auf jede Gelegenheit zu
pralenden Werken der Mildthätigkeit und Barm-
herzigkeit Jagd machten, waren nicht selten die
Geissel der ganzen übrigen Geselschaft, indes sie
die Schuzengel der Hülfsbedürftigen zu sein
schienen.

Du staunst, mein Sohn? Kanst nicht be-
greifen, wie so viel Schönes und Häßliches, so
viel Sanftes und Rauhes, so viel Tugend und
Laster in einer und eben derselben Sele zusammen
sein können? Siehe hier den Schlüssel zu diesem
Räthsel.

Alle Menschen dieser Art, so viel ich ihrer
jemahls kennen lernte, lassen sich füglich in zwei
Klassen ordnen. Die Einen nemlich sind das,
was sie scheinen, wirklich aus innerem Antriebe
eines weichen und mitleidigen Herzens; die An-

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Verwirrung und Verfal gerathen; vernaͤchlaͤſſig-
ten die Erziehung ihrer Kinder; waren die zank-
ſuͤchtigſten Plagegeiſter ihrer Weiber, die unbillig-
ſten Tirannen ihrer Dienſtboten und aller, welche
das Ungluͤk hatten, von ihnen abzuhaͤngen. Mit
einem Worte, dieſe feurigen, thaͤtigen, raſtloſen
Menſchenfreunde, welche auf jede Gelegenheit zu
pralenden Werken der Mildthaͤtigkeit und Barm-
herzigkeit Jagd machten, waren nicht ſelten die
Geiſſel der ganzen uͤbrigen Geſelſchaft, indes ſie
die Schuzengel der Huͤlfsbeduͤrftigen zu ſein
ſchienen.

Du ſtaunſt, mein Sohn? Kanſt nicht be-
greifen, wie ſo viel Schoͤnes und Haͤßliches, ſo
viel Sanftes und Rauhes, ſo viel Tugend und
Laſter in einer und eben derſelben Sele zuſammen
ſein koͤnnen? Siehe hier den Schluͤſſel zu dieſem
Raͤthſel.

Alle Menſchen dieſer Art, ſo viel ich ihrer
jemahls kennen lernte, laſſen ſich fuͤglich in zwei
Klaſſen ordnen. Die Einen nemlich ſind das,
was ſie ſcheinen, wirklich aus innerem Antriebe
eines weichen und mitleidigen Herzens; die An-

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[201/0231] Verwirrung und Verfal gerathen; vernaͤchlaͤſſig- ten die Erziehung ihrer Kinder; waren die zank- ſuͤchtigſten Plagegeiſter ihrer Weiber, die unbillig- ſten Tirannen ihrer Dienſtboten und aller, welche das Ungluͤk hatten, von ihnen abzuhaͤngen. Mit einem Worte, dieſe feurigen, thaͤtigen, raſtloſen Menſchenfreunde, welche auf jede Gelegenheit zu pralenden Werken der Mildthaͤtigkeit und Barm- herzigkeit Jagd machten, waren nicht ſelten die Geiſſel der ganzen uͤbrigen Geſelſchaft, indes ſie die Schuzengel der Huͤlfsbeduͤrftigen zu ſein ſchienen. Du ſtaunſt, mein Sohn? Kanſt nicht be- greifen, wie ſo viel Schoͤnes und Haͤßliches, ſo viel Sanftes und Rauhes, ſo viel Tugend und Laſter in einer und eben derſelben Sele zuſammen ſein koͤnnen? Siehe hier den Schluͤſſel zu dieſem Raͤthſel. Alle Menſchen dieſer Art, ſo viel ich ihrer jemahls kennen lernte, laſſen ſich fuͤglich in zwei Klaſſen ordnen. Die Einen nemlich ſind das, was ſie ſcheinen, wirklich aus innerem Antriebe eines weichen und mitleidigen Herzens; die An- dern N 5

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Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/231>, abgerufen am 23.11.2024.