dern aus staatskluger List und Verschlagenheit. Jene fehlen dabei aus Irthum des Verstandes, indem sie sich thörigter Weise überreden, daß die ganze Tugend des Menschen nur in solchen Aeus- serungen des Mitleids und der Wohlthätigkeit gegen Elende und Hülfsbedürftige bestehe, und daß man also allen seinen Pflichten, als Mensch, als Bürger und Krist, ein volkommenes Genüge thue, wenn man nur recht viel glänzende Werke der Barmherzigkeit verrichtet; diese brauchen der- gleichen Werke zu Angelhaken, um gutmüthige, aber schwache und einfältige Herzen zu fangen, um überal Einfluß zu bekommen, sich überal un- entbehrlich zu machen, überal sich gepriesen und bewundert zu sehen. Beide können also ja, bei allem ihren wirklichen oder angenommenen Mit- leid gegen Arme, Kranke, Nothleidende und Hülfsbedürftige, noch immer sehr unbillig, sehr pflichtvergessend und ungerecht gegen andere sein, welche nicht zu den Gegenständen ihrer angeb- lichen Menschenliebe gehören, weil sie weder arm, noch krank, noch hülfsbedürftig sind. Auch kön- nen die glänzendsten Ergießungen ihrer Wohlthä-
tigkeit,
dern aus ſtaatskluger Liſt und Verſchlagenheit. Jene fehlen dabei aus Irthum des Verſtandes, indem ſie ſich thoͤrigter Weiſe uͤberreden, daß die ganze Tugend des Menſchen nur in ſolchen Aeuſ- ſerungen des Mitleids und der Wohlthaͤtigkeit gegen Elende und Huͤlfsbeduͤrftige beſtehe, und daß man alſo allen ſeinen Pflichten, als Menſch, als Buͤrger und Kriſt, ein volkommenes Genuͤge thue, wenn man nur recht viel glaͤnzende Werke der Barmherzigkeit verrichtet; dieſe brauchen der- gleichen Werke zu Angelhaken, um gutmuͤthige, aber ſchwache und einfaͤltige Herzen zu fangen, um uͤberal Einfluß zu bekommen, ſich uͤberal un- entbehrlich zu machen, uͤberal ſich geprieſen und bewundert zu ſehen. Beide koͤnnen alſo ja, bei allem ihren wirklichen oder angenommenen Mit- leid gegen Arme, Kranke, Nothleidende und Huͤlfsbeduͤrftige, noch immer ſehr unbillig, ſehr pflichtvergeſſend und ungerecht gegen andere ſein, welche nicht zu den Gegenſtaͤnden ihrer angeb- lichen Menſchenliebe gehoͤren, weil ſie weder arm, noch krank, noch huͤlfsbeduͤrftig ſind. Auch koͤn- nen die glaͤnzendſten Ergießungen ihrer Wohlthaͤ-
tigkeit,
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dern aus ſtaatskluger Liſt und Verſchlagenheit.
Jene fehlen dabei aus Irthum des Verſtandes,
indem ſie ſich thoͤrigter Weiſe uͤberreden, daß die
ganze Tugend des Menſchen nur in ſolchen Aeuſ-
ſerungen des Mitleids und der Wohlthaͤtigkeit
gegen Elende und Huͤlfsbeduͤrftige beſtehe, und
daß man alſo allen ſeinen Pflichten, als Menſch,
als Buͤrger und Kriſt, ein volkommenes Genuͤge
thue, wenn man nur recht viel glaͤnzende Werke
der Barmherzigkeit verrichtet; dieſe brauchen der-
gleichen Werke zu Angelhaken, um gutmuͤthige,
aber ſchwache und einfaͤltige Herzen zu fangen,
um uͤberal Einfluß zu bekommen, ſich uͤberal un-
entbehrlich zu machen, uͤberal ſich geprieſen und
bewundert zu ſehen. Beide koͤnnen alſo ja, bei
allem ihren wirklichen oder angenommenen Mit-
leid gegen Arme, Kranke, Nothleidende und
Huͤlfsbeduͤrftige, noch immer ſehr unbillig, ſehr
pflichtvergeſſend und ungerecht gegen andere ſein,
welche nicht zu den Gegenſtaͤnden ihrer angeb-
lichen Menſchenliebe gehoͤren, weil ſie weder arm,
noch krank, noch huͤlfsbeduͤrftig ſind. Auch koͤn-
nen die glaͤnzendſten Ergießungen ihrer Wohlthaͤ-
tigkeit,
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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/232>, abgerufen am 23.11.2024.
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