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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783.

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Misverständnisse und schiefes Hinsehn
auf die unrechte Seite der Dinge sind ohne
Zweifel die Ursache der meisten Feindschaf-
ten und Verdrießlichkeiten unter den Men-
schen.
Verständige dich mit denen, welche deine
Worte oder deine Handlungen misverstanden ha-
ben, in aller Freundlichkeit; rükke ihnen den Ge-
genstand ihres Unwillens liebreich vors Auge,
und zeige ihnen den wahren Gesichtspunkt, aus
dem sie ihn betrachten müssen. War dan die
ganze Sache wirklich nur ein Misverständniß,
so wird es unter hundert Fällen kaum einen
geben, da es dir nicht gelingen solte, ihren Un-
willen im Keime zu erstikken, und das Verneh-
men zwischen dir und ihnen wieder auf den alten
Fuß zu stellen.



Aber hüte dich, dergleichen Aufklärun-
gen entstandener Misverständnisse schrift-
lich zu geben.
Ich sage dir voraus, daß du
auf diesem Wege deine Absicht in hundert Fällen
neun und neunzig mahl verfehlen werdest. Denn
hat der Andere erst einmahl Feuer gefangen, so

magst
Q

Misverſtaͤndniſſe und ſchiefes Hinſehn
auf die unrechte Seite der Dinge ſind ohne
Zweifel die Urſache der meiſten Feindſchaf-
ten und Verdrießlichkeiten unter den Men-
ſchen.
Verſtaͤndige dich mit denen, welche deine
Worte oder deine Handlungen misverſtanden ha-
ben, in aller Freundlichkeit; ruͤkke ihnen den Ge-
genſtand ihres Unwillens liebreich vors Auge,
und zeige ihnen den wahren Geſichtspunkt, aus
dem ſie ihn betrachten muͤſſen. War dan die
ganze Sache wirklich nur ein Misverſtaͤndniß,
ſo wird es unter hundert Faͤllen kaum einen
geben, da es dir nicht gelingen ſolte, ihren Un-
willen im Keime zu erſtikken, und das Verneh-
men zwiſchen dir und ihnen wieder auf den alten
Fuß zu ſtellen.



Aber huͤte dich, dergleichen Aufklaͤrun-
gen entſtandener Misverſtaͤndniſſe ſchrift-
lich zu geben.
Ich ſage dir voraus, daß du
auf dieſem Wege deine Abſicht in hundert Faͤllen
neun und neunzig mahl verfehlen werdeſt. Denn
hat der Andere erſt einmahl Feuer gefangen, ſo

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Q
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[241/0271] Misverſtaͤndniſſe und ſchiefes Hinſehn auf die unrechte Seite der Dinge ſind ohne Zweifel die Urſache der meiſten Feindſchaf- ten und Verdrießlichkeiten unter den Men- ſchen. Verſtaͤndige dich mit denen, welche deine Worte oder deine Handlungen misverſtanden ha- ben, in aller Freundlichkeit; ruͤkke ihnen den Ge- genſtand ihres Unwillens liebreich vors Auge, und zeige ihnen den wahren Geſichtspunkt, aus dem ſie ihn betrachten muͤſſen. War dan die ganze Sache wirklich nur ein Misverſtaͤndniß, ſo wird es unter hundert Faͤllen kaum einen geben, da es dir nicht gelingen ſolte, ihren Un- willen im Keime zu erſtikken, und das Verneh- men zwiſchen dir und ihnen wieder auf den alten Fuß zu ſtellen. Aber huͤte dich, dergleichen Aufklaͤrun- gen entſtandener Misverſtaͤndniſſe ſchrift- lich zu geben. Ich ſage dir voraus, daß du auf dieſem Wege deine Abſicht in hundert Faͤllen neun und neunzig mahl verfehlen werdeſt. Denn hat der Andere erſt einmahl Feuer gefangen, ſo magſt Q

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Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/271>, abgerufen am 22.11.2024.