Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

seeligen Zukunft betheuert, daß weder irgend eine
wahre dauerhafte Glükseeligkeit für den ungebes-
serten Menschen möglich sei, noch daß derjenige,
der sich nicht selbst durch das Bewustsein seiner
Rechtschaffenheit innerlich glüklich fühlt, andere
Menschen ausser sich glüklich machen könne. Und
das ist doch, hoff' ich, die Absicht, warum wir
öffentliche Geschäfte übernehmen!

Niemand kan etwas geben, was er selbst
nicht hat: das ist eine simple und unläugbare
Wahrheit. Was folgt daraus? Das, was ich
gesagt habe, daß man andern Weisheit, Güte
und Glükseeligkeit wirklich nicht anders mittheilen
könne, als nur in dem Grade, in welchem man
selbst schon weise, gut und glüklich geworden ist.

Höre, mein Sohn, ich habe dir eine traurige
Wahrheit zu sagen: auf dieser schönen Erde,
welche für Wesen, die den Gesezen der Natur --
Gottes Gesezen -- beständig treu blieben, ein
wirkliches Paradies sein müßte, leben wenig
glückliche Menschen
. Nim diese unseelige
Beobachtung so lange auf Treu und Glauben
von mir an, bis du sie selbst wirst bestätiget

gefunden

ſeeligen Zukunft betheuert, daß weder irgend eine
wahre dauerhafte Gluͤkſeeligkeit fuͤr den ungebeſ-
ſerten Menſchen moͤglich ſei, noch daß derjenige,
der ſich nicht ſelbſt durch das Bewuſtſein ſeiner
Rechtſchaffenheit innerlich gluͤklich fuͤhlt, andere
Menſchen auſſer ſich gluͤklich machen koͤnne. Und
das iſt doch, hoff’ ich, die Abſicht, warum wir
oͤffentliche Geſchaͤfte uͤbernehmen!

Niemand kan etwas geben, was er ſelbſt
nicht hat: das iſt eine ſimple und unlaͤugbare
Wahrheit. Was folgt daraus? Das, was ich
geſagt habe, daß man andern Weisheit, Guͤte
und Gluͤkſeeligkeit wirklich nicht anders mittheilen
koͤnne, als nur in dem Grade, in welchem man
ſelbſt ſchon weiſe, gut und gluͤklich geworden iſt.

Hoͤre, mein Sohn, ich habe dir eine traurige
Wahrheit zu ſagen: auf dieſer ſchoͤnen Erde,
welche fuͤr Weſen, die den Geſezen der Natur —
Gottes Geſezen — beſtaͤndig treu blieben, ein
wirkliches Paradies ſein muͤßte, leben wenig
gluͤckliche Menſchen
. Nim dieſe unſeelige
Beobachtung ſo lange auf Treu und Glauben
von mir an, bis du ſie ſelbſt wirſt beſtaͤtiget

gefunden
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0041" n="11"/>
&#x017F;eeligen Zukunft betheuert, daß weder irgend eine<lb/>
wahre dauerhafte Glu&#x0364;k&#x017F;eeligkeit fu&#x0364;r den ungebe&#x017F;-<lb/>
&#x017F;erten Men&#x017F;chen mo&#x0364;glich &#x017F;ei, noch daß derjenige,<lb/>
der &#x017F;ich nicht &#x017F;elb&#x017F;t durch das Bewu&#x017F;t&#x017F;ein &#x017F;einer<lb/>
Recht&#x017F;chaffenheit innerlich glu&#x0364;klich fu&#x0364;hlt, andere<lb/>
Men&#x017F;chen au&#x017F;&#x017F;er &#x017F;ich glu&#x0364;klich machen ko&#x0364;nne. Und<lb/>
das i&#x017F;t doch, hoff&#x2019; ich, die Ab&#x017F;icht, warum wir<lb/>
o&#x0364;ffentliche Ge&#x017F;cha&#x0364;fte u&#x0364;bernehmen!</p><lb/>
        <p>Niemand kan etwas geben, was er &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
nicht hat: das i&#x017F;t eine &#x017F;imple und unla&#x0364;ugbare<lb/>
Wahrheit. Was folgt daraus? Das, was ich<lb/>
ge&#x017F;agt habe, daß man andern Weisheit, Gu&#x0364;te<lb/>
und Glu&#x0364;k&#x017F;eeligkeit wirklich nicht anders mittheilen<lb/>
ko&#x0364;nne, als nur in dem Grade, in welchem man<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;chon wei&#x017F;e, gut und glu&#x0364;klich geworden i&#x017F;t.</p><lb/>
        <p>Ho&#x0364;re, mein Sohn, ich habe dir eine traurige<lb/>
Wahrheit zu &#x017F;agen: <hi rendition="#fr">auf die&#x017F;er &#x017F;cho&#x0364;nen Erde</hi>,<lb/>
welche fu&#x0364;r We&#x017F;en, die den Ge&#x017F;ezen der Natur &#x2014;<lb/>
Gottes Ge&#x017F;ezen &#x2014; be&#x017F;ta&#x0364;ndig treu blieben, ein<lb/>
wirkliches Paradies &#x017F;ein mu&#x0364;ßte, <hi rendition="#fr">leben wenig<lb/>
glu&#x0364;ckliche Men&#x017F;chen</hi>. Nim die&#x017F;e un&#x017F;eelige<lb/>
Beobachtung &#x017F;o lange auf Treu und Glauben<lb/>
von mir an, bis du &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t wir&#x017F;t be&#x017F;ta&#x0364;tiget<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gefunden</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[11/0041] ſeeligen Zukunft betheuert, daß weder irgend eine wahre dauerhafte Gluͤkſeeligkeit fuͤr den ungebeſ- ſerten Menſchen moͤglich ſei, noch daß derjenige, der ſich nicht ſelbſt durch das Bewuſtſein ſeiner Rechtſchaffenheit innerlich gluͤklich fuͤhlt, andere Menſchen auſſer ſich gluͤklich machen koͤnne. Und das iſt doch, hoff’ ich, die Abſicht, warum wir oͤffentliche Geſchaͤfte uͤbernehmen! Niemand kan etwas geben, was er ſelbſt nicht hat: das iſt eine ſimple und unlaͤugbare Wahrheit. Was folgt daraus? Das, was ich geſagt habe, daß man andern Weisheit, Guͤte und Gluͤkſeeligkeit wirklich nicht anders mittheilen koͤnne, als nur in dem Grade, in welchem man ſelbſt ſchon weiſe, gut und gluͤklich geworden iſt. Hoͤre, mein Sohn, ich habe dir eine traurige Wahrheit zu ſagen: auf dieſer ſchoͤnen Erde, welche fuͤr Weſen, die den Geſezen der Natur — Gottes Geſezen — beſtaͤndig treu blieben, ein wirkliches Paradies ſein muͤßte, leben wenig gluͤckliche Menſchen. Nim dieſe unſeelige Beobachtung ſo lange auf Treu und Glauben von mir an, bis du ſie ſelbſt wirſt beſtaͤtiget gefunden

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/41
Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/41>, abgerufen am 23.11.2024.