Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

Misvergnügen tausend weite Flügelthüre auf-
gethan!

O mein Sohn! Hätt' ich Ursache zu besorgen,
daß du jemahls, durch Beispiel angestekt, in diese
eben so thörichte, als gefährliche Seuche der Ruhm-
sucht verfallen köntest: ich wolte Gott auf meinen
Knien bitten, daß er dir jedes Talent, jede Kraft
zu irgend einer vorzüglichen Wirksamkeit, welche
dir Beifal erwerben könte, versagen mögte;
wolte Tag und Nacht ihn bitten, daß er dir nur
grade so viel körperliches und geistiges Vermögen
ließe, als der ehrliche Holzhauer bedarf, um sich
vor Mangel zu schüzen! Denn, bei Gott dem
Alwissenden! du würdest so viel glüklicher sein!

"Aber, wirst du vielleicht denken, die Ehrbe-
gierde ist doch ein so mächtiger Sporn zu vielem
Guten, welches, ohne sie, wohl unerreicht blei-
ben würde!" -- Ja, wohl ein Sporn -- aber
wehe dem trägen Rosse, welches innerer antrei-
benden Kräfte beraubt, nicht anders läuft, als
wenn es von aussen gespornt wird! Es wird frei-
lich des Sporns wegen seine Kräfte übernehmen;
aber auch bald ermattet und steif nur noch

zum
B

Misvergnuͤgen tauſend weite Fluͤgelthuͤre auf-
gethan!

O mein Sohn! Haͤtt’ ich Urſache zu beſorgen,
daß du jemahls, durch Beiſpiel angeſtekt, in dieſe
eben ſo thoͤrichte, als gefaͤhrliche Seuche der Ruhm-
ſucht verfallen koͤnteſt: ich wolte Gott auf meinen
Knien bitten, daß er dir jedes Talent, jede Kraft
zu irgend einer vorzuͤglichen Wirkſamkeit, welche
dir Beifal erwerben koͤnte, verſagen moͤgte;
wolte Tag und Nacht ihn bitten, daß er dir nur
grade ſo viel koͤrperliches und geiſtiges Vermoͤgen
ließe, als der ehrliche Holzhauer bedarf, um ſich
vor Mangel zu ſchuͤzen! Denn, bei Gott dem
Alwiſſenden! du wuͤrdeſt ſo viel gluͤklicher ſein!

“Aber, wirſt du vielleicht denken, die Ehrbe-
gierde iſt doch ein ſo maͤchtiger Sporn zu vielem
Guten, welches, ohne ſie, wohl unerreicht blei-
ben wuͤrde!„ — Ja, wohl ein Sporn — aber
wehe dem traͤgen Roſſe, welches innerer antrei-
benden Kraͤfte beraubt, nicht anders laͤuft, als
wenn es von auſſen geſpornt wird! Es wird frei-
lich des Sporns wegen ſeine Kraͤfte uͤbernehmen;
aber auch bald ermattet und ſteif nur noch

zum
B
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0047" n="17"/>
Misvergnu&#x0364;gen tau&#x017F;end weite Flu&#x0364;gelthu&#x0364;re auf-<lb/>
gethan!</p><lb/>
        <p>O mein Sohn! Ha&#x0364;tt&#x2019; ich Ur&#x017F;ache zu be&#x017F;orgen,<lb/>
daß du jemahls, durch Bei&#x017F;piel ange&#x017F;tekt, in die&#x017F;e<lb/>
eben &#x017F;o tho&#x0364;richte, als gefa&#x0364;hrliche Seuche der Ruhm-<lb/>
&#x017F;ucht verfallen ko&#x0364;nte&#x017F;t: ich wolte Gott auf meinen<lb/>
Knien bitten, daß er dir jedes Talent, jede Kraft<lb/>
zu irgend einer vorzu&#x0364;glichen Wirk&#x017F;amkeit, welche<lb/>
dir Beifal erwerben ko&#x0364;nte, ver&#x017F;agen mo&#x0364;gte;<lb/>
wolte Tag und Nacht ihn bitten, daß er dir nur<lb/>
grade &#x017F;o viel ko&#x0364;rperliches und gei&#x017F;tiges Vermo&#x0364;gen<lb/>
ließe, als der ehrliche Holzhauer bedarf, um &#x017F;ich<lb/>
vor Mangel zu &#x017F;chu&#x0364;zen! Denn, bei Gott dem<lb/>
Alwi&#x017F;&#x017F;enden! du wu&#x0364;rde&#x017F;t &#x017F;o viel glu&#x0364;klicher &#x017F;ein!</p><lb/>
        <p>&#x201C;Aber, wir&#x017F;t du vielleicht denken, die Ehrbe-<lb/>
gierde i&#x017F;t doch ein &#x017F;o ma&#x0364;chtiger Sporn zu vielem<lb/>
Guten, welches, ohne &#x017F;ie, wohl unerreicht blei-<lb/>
ben wu&#x0364;rde!&#x201E; &#x2014; Ja, wohl ein <hi rendition="#fr">Sporn</hi> &#x2014; aber<lb/>
wehe dem tra&#x0364;gen Ro&#x017F;&#x017F;e, welches innerer antrei-<lb/>
benden Kra&#x0364;fte beraubt, nicht anders la&#x0364;uft, als<lb/>
wenn es von au&#x017F;&#x017F;en ge&#x017F;pornt wird! Es wird frei-<lb/>
lich des Sporns wegen &#x017F;eine Kra&#x0364;fte u&#x0364;bernehmen;<lb/>
aber auch bald ermattet und &#x017F;teif nur noch<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">B</fw><fw place="bottom" type="catch">zum</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[17/0047] Misvergnuͤgen tauſend weite Fluͤgelthuͤre auf- gethan! O mein Sohn! Haͤtt’ ich Urſache zu beſorgen, daß du jemahls, durch Beiſpiel angeſtekt, in dieſe eben ſo thoͤrichte, als gefaͤhrliche Seuche der Ruhm- ſucht verfallen koͤnteſt: ich wolte Gott auf meinen Knien bitten, daß er dir jedes Talent, jede Kraft zu irgend einer vorzuͤglichen Wirkſamkeit, welche dir Beifal erwerben koͤnte, verſagen moͤgte; wolte Tag und Nacht ihn bitten, daß er dir nur grade ſo viel koͤrperliches und geiſtiges Vermoͤgen ließe, als der ehrliche Holzhauer bedarf, um ſich vor Mangel zu ſchuͤzen! Denn, bei Gott dem Alwiſſenden! du wuͤrdeſt ſo viel gluͤklicher ſein! “Aber, wirſt du vielleicht denken, die Ehrbe- gierde iſt doch ein ſo maͤchtiger Sporn zu vielem Guten, welches, ohne ſie, wohl unerreicht blei- ben wuͤrde!„ — Ja, wohl ein Sporn — aber wehe dem traͤgen Roſſe, welches innerer antrei- benden Kraͤfte beraubt, nicht anders laͤuft, als wenn es von auſſen geſpornt wird! Es wird frei- lich des Sporns wegen ſeine Kraͤfte uͤbernehmen; aber auch bald ermattet und ſteif nur noch zum B

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/47
Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/47>, abgerufen am 21.11.2024.