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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783.

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der menschlichen Geselschaft, in allen Fächern des
geschäftigen Lebens sich schon jezt umgesehn, und
dadurch die zwar unangenehme, aber zu wissen
höchstnöthige Wahrheit gelernt, daß es, wie
das gemeine Sprichwort sagt, überal zerbro-
chene Töpfe gibt
: so würd' er auch in seiner
dermaligen Lage nichts idealisch volkommenes er-
wartet, und in seiner Rechnung sich nicht so sehr
betrogen gefunden haben.

Sorgfältige Erforschung seiner künftigen Pflich-
ten, Prüfung seiner Kräfte und Neigungen,
fleissige Versuche und Vorübungen in demjenigen,
was man künftig leisten sol, mäßige Erwartun-
gen und herabgestimte Wünsche, volkommene aus
zureichender Weltkentniß geschöpfte Ueberzeugung,
daß diese unsere mütterliche Erde, zwar kein Jam-
merthal
, aber auch kein Arkadien sei, ein be-
herzter mänlicher Vorsaz zur standhaften Ertra-
gung unvermeidlicher Beschwerlichkeiten des Le-
bens; und dan Vermeidung einer zu großen Zu-
dringlichkeit, und dan eine gänzliche Uebergebung
in den Willen der alles lenkenden Vorsehung: das,
mein Sohn, das sind die Mittel, die wir an-

wenden

der menſchlichen Geſelſchaft, in allen Faͤchern des
geſchaͤftigen Lebens ſich ſchon jezt umgeſehn, und
dadurch die zwar unangenehme, aber zu wiſſen
hoͤchſtnoͤthige Wahrheit gelernt, daß es, wie
das gemeine Sprichwort ſagt, uͤberal zerbro-
chene Toͤpfe gibt
: ſo wuͤrd’ er auch in ſeiner
dermaligen Lage nichts idealiſch volkommenes er-
wartet, und in ſeiner Rechnung ſich nicht ſo ſehr
betrogen gefunden haben.

Sorgfaͤltige Erforſchung ſeiner kuͤnftigen Pflich-
ten, Pruͤfung ſeiner Kraͤfte und Neigungen,
fleiſſige Verſuche und Voruͤbungen in demjenigen,
was man kuͤnftig leiſten ſol, maͤßige Erwartun-
gen und herabgeſtimte Wuͤnſche, volkommene aus
zureichender Weltkentniß geſchoͤpfte Ueberzeugung,
daß dieſe unſere muͤtterliche Erde, zwar kein Jam-
merthal
, aber auch kein Arkadien ſei, ein be-
herzter maͤnlicher Vorſaz zur ſtandhaften Ertra-
gung unvermeidlicher Beſchwerlichkeiten des Le-
bens; und dan Vermeidung einer zu großen Zu-
dringlichkeit, und dan eine gaͤnzliche Uebergebung
in den Willen der alles lenkenden Vorſehung: das,
mein Sohn, das ſind die Mittel, die wir an-

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[38/0068] der menſchlichen Geſelſchaft, in allen Faͤchern des geſchaͤftigen Lebens ſich ſchon jezt umgeſehn, und dadurch die zwar unangenehme, aber zu wiſſen hoͤchſtnoͤthige Wahrheit gelernt, daß es, wie das gemeine Sprichwort ſagt, uͤberal zerbro- chene Toͤpfe gibt: ſo wuͤrd’ er auch in ſeiner dermaligen Lage nichts idealiſch volkommenes er- wartet, und in ſeiner Rechnung ſich nicht ſo ſehr betrogen gefunden haben. Sorgfaͤltige Erforſchung ſeiner kuͤnftigen Pflich- ten, Pruͤfung ſeiner Kraͤfte und Neigungen, fleiſſige Verſuche und Voruͤbungen in demjenigen, was man kuͤnftig leiſten ſol, maͤßige Erwartun- gen und herabgeſtimte Wuͤnſche, volkommene aus zureichender Weltkentniß geſchoͤpfte Ueberzeugung, daß dieſe unſere muͤtterliche Erde, zwar kein Jam- merthal, aber auch kein Arkadien ſei, ein be- herzter maͤnlicher Vorſaz zur ſtandhaften Ertra- gung unvermeidlicher Beſchwerlichkeiten des Le- bens; und dan Vermeidung einer zu großen Zu- dringlichkeit, und dan eine gaͤnzliche Uebergebung in den Willen der alles lenkenden Vorſehung: das, mein Sohn, das ſind die Mittel, die wir an- wenden

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Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/68>, abgerufen am 17.05.2024.