Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

umsonst, sie wieder zu derjenigen Biegsamkeit zu
erweichen, welche erfodert wird, wenn sie bei öf-
tern Unterbrechungen und Abwechselungen sich
jedem vorkommenden Geschäfte sogleich in ihrer
ganzen Thätigkeit anschmiegen sol. Ich kenne
Schriftsteller, die ganze Alphabete gelehrter Arbei-
ten, verbrennen müssen, so oft sie unglüklicher Weise,
vor der gänzlichen Vollendung derselben, durch ir-
gend ein zwischenspringendes Geschäft genöthiget
werden, den Faden ihrer Gedanken abzubrechen.
Ihn wieder anzuschürzen, ist ihnen durchaus un-
möglich. Was würd' es nicht diesen Männern
werth sein, wenn sie noch jezt ihre Sele an eine, im
thätigen Leben nicht zu vermeidende Mannigfal-
tigkeit von Geschäften gewöhnen, und sie dadurch
in ihren jedesmaligen Wirkungen vom Zufal we-
niger abhängig machen könten! Aber nun ists
zu spät.

Zur Erwerbung dieser nothwendigen Fertig-
keit ist es gut, daß wir in jungen Jahren
unsere Geistesarbeiten oft recht geflissentlich
an solchen Oertern vornehmen, wo wir so
wohl dem Geräusch des thätigen Lebens
,

als

umſonſt, ſie wieder zu derjenigen Biegſamkeit zu
erweichen, welche erfodert wird, wenn ſie bei oͤf-
tern Unterbrechungen und Abwechſelungen ſich
jedem vorkommenden Geſchaͤfte ſogleich in ihrer
ganzen Thaͤtigkeit anſchmiegen ſol. Ich kenne
Schriftſteller, die ganze Alphabete gelehrter Arbei-
ten, verbrennen muͤſſen, ſo oft ſie ungluͤklicher Weiſe,
vor der gaͤnzlichen Vollendung derſelben, durch ir-
gend ein zwiſchenſpringendes Geſchaͤft genoͤthiget
werden, den Faden ihrer Gedanken abzubrechen.
Ihn wieder anzuſchuͤrzen, iſt ihnen durchaus un-
moͤglich. Was wuͤrd’ es nicht dieſen Maͤnnern
werth ſein, wenn ſie noch jezt ihre Sele an eine, im
thaͤtigen Leben nicht zu vermeidende Mannigfal-
tigkeit von Geſchaͤften gewoͤhnen, und ſie dadurch
in ihren jedesmaligen Wirkungen vom Zufal we-
niger abhaͤngig machen koͤnten! Aber nun iſts
zu ſpaͤt.

Zur Erwerbung dieſer nothwendigen Fertig-
keit iſt es gut, daß wir in jungen Jahren
unſere Geiſtesarbeiten oft recht gefliſſentlich
an ſolchen Oertern vornehmen, wo wir ſo
wohl dem Geraͤuſch des thaͤtigen Lebens
,

als
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0088" n="58"/>
um&#x017F;on&#x017F;t, &#x017F;ie wieder zu derjenigen Bieg&#x017F;amkeit zu<lb/>
erweichen, welche erfodert wird, wenn &#x017F;ie bei o&#x0364;f-<lb/>
tern Unterbrechungen und Abwech&#x017F;elungen &#x017F;ich<lb/>
jedem vorkommenden Ge&#x017F;cha&#x0364;fte &#x017F;ogleich in ihrer<lb/>
ganzen Tha&#x0364;tigkeit an&#x017F;chmiegen &#x017F;ol. Ich kenne<lb/>
Schrift&#x017F;teller, die ganze Alphabete gelehrter Arbei-<lb/>
ten, verbrennen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;o oft &#x017F;ie unglu&#x0364;klicher Wei&#x017F;e,<lb/>
vor der ga&#x0364;nzlichen Vollendung der&#x017F;elben, durch ir-<lb/>
gend ein zwi&#x017F;chen&#x017F;pringendes Ge&#x017F;cha&#x0364;ft geno&#x0364;thiget<lb/>
werden, den Faden ihrer Gedanken abzubrechen.<lb/>
Ihn wieder anzu&#x017F;chu&#x0364;rzen, i&#x017F;t ihnen durchaus un-<lb/>
mo&#x0364;glich. Was wu&#x0364;rd&#x2019; es nicht die&#x017F;en Ma&#x0364;nnern<lb/>
werth &#x017F;ein, wenn &#x017F;ie noch jezt ihre Sele an eine, im<lb/>
tha&#x0364;tigen Leben nicht zu vermeidende Mannigfal-<lb/>
tigkeit von Ge&#x017F;cha&#x0364;ften gewo&#x0364;hnen, und &#x017F;ie dadurch<lb/>
in ihren jedesmaligen Wirkungen vom Zufal we-<lb/>
niger abha&#x0364;ngig machen ko&#x0364;nten! Aber nun i&#x017F;ts<lb/>
zu &#x017F;pa&#x0364;t.</p><lb/>
        <p>Zur Erwerbung die&#x017F;er nothwendigen Fertig-<lb/>
keit i&#x017F;t es gut, <hi rendition="#fr">daß wir in jungen Jahren<lb/>
un&#x017F;ere Gei&#x017F;tesarbeiten oft recht gefli&#x017F;&#x017F;entlich<lb/>
an &#x017F;olchen Oertern vornehmen, wo wir &#x017F;o<lb/>
wohl dem Gera&#x0364;u&#x017F;ch des tha&#x0364;tigen Lebens</hi>,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">als</hi></fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[58/0088] umſonſt, ſie wieder zu derjenigen Biegſamkeit zu erweichen, welche erfodert wird, wenn ſie bei oͤf- tern Unterbrechungen und Abwechſelungen ſich jedem vorkommenden Geſchaͤfte ſogleich in ihrer ganzen Thaͤtigkeit anſchmiegen ſol. Ich kenne Schriftſteller, die ganze Alphabete gelehrter Arbei- ten, verbrennen muͤſſen, ſo oft ſie ungluͤklicher Weiſe, vor der gaͤnzlichen Vollendung derſelben, durch ir- gend ein zwiſchenſpringendes Geſchaͤft genoͤthiget werden, den Faden ihrer Gedanken abzubrechen. Ihn wieder anzuſchuͤrzen, iſt ihnen durchaus un- moͤglich. Was wuͤrd’ es nicht dieſen Maͤnnern werth ſein, wenn ſie noch jezt ihre Sele an eine, im thaͤtigen Leben nicht zu vermeidende Mannigfal- tigkeit von Geſchaͤften gewoͤhnen, und ſie dadurch in ihren jedesmaligen Wirkungen vom Zufal we- niger abhaͤngig machen koͤnten! Aber nun iſts zu ſpaͤt. Zur Erwerbung dieſer nothwendigen Fertig- keit iſt es gut, daß wir in jungen Jahren unſere Geiſtesarbeiten oft recht gefliſſentlich an ſolchen Oertern vornehmen, wo wir ſo wohl dem Geraͤuſch des thaͤtigen Lebens, als

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/88
Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/88>, abgerufen am 17.05.2024.