Aber so nöthig es nun auch aus dem ange- zeigten Grunde ist, sich frühzeitig eine Fertigkeit in abwechselnden und mannigfaltigen Geschäften zu erwerben: so sehr müssen wir auch auf der andern Seite auf unserer Hut sein, daß wir nicht in den entgegengesezten Fehler der Unstätigkeit und des kindischen Ueber- drusses bei einförmigen Arbeiten verfallen. Geschäfte von einiger Erheblichkeit wollen nicht rukweise verrichtet sein; sie erfodern vielmehr eine anhaltende Strebsamkeit, welche, wo nicht bis ans Ende, doch wenigstens bis auf einen beque- men Absaz, ausdauren kan. Schlim genug für den Man (wenn er anders Man genant zu wer- den noch verdient) dessen Sele durch eine fehler- hafte Erziehung, oder durch nachherige eigene Verwöhnung, schon so erschlaft ist, daß ihre Schnelkraft nur noch augenblikliche, alsobald wieder nachlassende Spannungen ertragen kan! Eine Folge der beliebten Verfeinerung -- rich- tiger, der weibischen Verzärtelung unserer Selen- und Leibeskräfte, welche, so Gott wil! zu den Vorzügen unserer Zeiten gehören sol! Vornehm-
lich
Aber ſo noͤthig es nun auch aus dem ange- zeigten Grunde iſt, ſich fruͤhzeitig eine Fertigkeit in abwechſelnden und mannigfaltigen Geſchaͤften zu erwerben: ſo ſehr muͤſſen wir auch auf der andern Seite auf unſerer Hut ſein, daß wir nicht in den entgegengeſezten Fehler der Unſtaͤtigkeit und des kindiſchen Ueber- druſſes bei einfoͤrmigen Arbeiten verfallen. Geſchaͤfte von einiger Erheblichkeit wollen nicht rukweiſe verrichtet ſein; ſie erfodern vielmehr eine anhaltende Strebſamkeit, welche, wo nicht bis ans Ende, doch wenigſtens bis auf einen beque- men Abſaz, ausdauren kan. Schlim genug fuͤr den Man (wenn er anders Man genant zu wer- den noch verdient) deſſen Sele durch eine fehler- hafte Erziehung, oder durch nachherige eigene Verwoͤhnung, ſchon ſo erſchlaft iſt, daß ihre Schnelkraft nur noch augenblikliche, alſobald wieder nachlaſſende Spannungen ertragen kan! Eine Folge der beliebten Verfeinerung — rich- tiger, der weibiſchen Verzaͤrtelung unſerer Selen- und Leibeskraͤfte, welche, ſo Gott wil! zu den Vorzuͤgen unſerer Zeiten gehoͤren ſol! Vornehm-
lich
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0090"n="60"/><p>Aber ſo noͤthig es nun auch aus dem ange-<lb/>
zeigten Grunde iſt, ſich fruͤhzeitig eine Fertigkeit<lb/>
in abwechſelnden und mannigfaltigen Geſchaͤften<lb/>
zu erwerben: <hirendition="#fr">ſo ſehr muͤſſen wir auch auf<lb/>
der andern Seite auf unſerer Hut ſein, daß<lb/>
wir nicht in den entgegengeſezten Fehler<lb/>
der Unſtaͤtigkeit und des kindiſchen Ueber-<lb/>
druſſes bei einfoͤrmigen Arbeiten verfallen</hi>.<lb/>
Geſchaͤfte von einiger Erheblichkeit wollen nicht<lb/>
rukweiſe verrichtet ſein; ſie erfodern vielmehr eine<lb/>
anhaltende Strebſamkeit, welche, wo nicht bis<lb/>
ans Ende, doch wenigſtens bis auf einen beque-<lb/>
men Abſaz, ausdauren kan. Schlim genug fuͤr<lb/>
den Man (wenn er anders <hirendition="#fr">Man</hi> genant zu wer-<lb/>
den noch verdient) deſſen Sele durch eine fehler-<lb/>
hafte Erziehung, oder durch nachherige eigene<lb/>
Verwoͤhnung, ſchon ſo erſchlaft iſt, daß ihre<lb/>
Schnelkraft nur noch augenblikliche, alſobald<lb/>
wieder nachlaſſende Spannungen ertragen kan!<lb/>
Eine Folge der beliebten Verfeinerung — rich-<lb/>
tiger, der weibiſchen Verzaͤrtelung unſerer Selen-<lb/>
und Leibeskraͤfte, welche, ſo Gott wil! zu den<lb/>
Vorzuͤgen unſerer Zeiten gehoͤren ſol! Vornehm-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">lich</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[60/0090]
Aber ſo noͤthig es nun auch aus dem ange-
zeigten Grunde iſt, ſich fruͤhzeitig eine Fertigkeit
in abwechſelnden und mannigfaltigen Geſchaͤften
zu erwerben: ſo ſehr muͤſſen wir auch auf
der andern Seite auf unſerer Hut ſein, daß
wir nicht in den entgegengeſezten Fehler
der Unſtaͤtigkeit und des kindiſchen Ueber-
druſſes bei einfoͤrmigen Arbeiten verfallen.
Geſchaͤfte von einiger Erheblichkeit wollen nicht
rukweiſe verrichtet ſein; ſie erfodern vielmehr eine
anhaltende Strebſamkeit, welche, wo nicht bis
ans Ende, doch wenigſtens bis auf einen beque-
men Abſaz, ausdauren kan. Schlim genug fuͤr
den Man (wenn er anders Man genant zu wer-
den noch verdient) deſſen Sele durch eine fehler-
hafte Erziehung, oder durch nachherige eigene
Verwoͤhnung, ſchon ſo erſchlaft iſt, daß ihre
Schnelkraft nur noch augenblikliche, alſobald
wieder nachlaſſende Spannungen ertragen kan!
Eine Folge der beliebten Verfeinerung — rich-
tiger, der weibiſchen Verzaͤrtelung unſerer Selen-
und Leibeskraͤfte, welche, ſo Gott wil! zu den
Vorzuͤgen unſerer Zeiten gehoͤren ſol! Vornehm-
lich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/90>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.