sprechen kan, zu welchem Aemsigkeit und anhal- tende Anstrengung erfodert werden. Man solte sie, fern von öffentlichen Staatsgeschäften, in die Weiberstuben verweisen, wo der Schade eben nicht groß sein würde, wenn sie in einer Viertel- stunde vom Strikzeuge zum Spinrokken, vom Spinrokken zur Nezarbeit, und von dieser zu den Stikkereien schritten. Aber ich besorge, daß man die Weiberstuben bald zu enge finden würde; so sehr hat die Zahl solcher verzärtelten Halb- männer in unsern Tagen zugenommen! Was aus dem nächsten Menschenalter, wenn das so fortgeht, werden sol -- doch das mögen die aus- machen, welche die Vorsehung zu Vormündern für die Nachkommenschaft bestelt hat. Mir, dem in diesem Alter nur noch die väterliche Fürsorge für dich, mein Kleon, aufgetragen ward, muß es genug sein, wenn ich nur deine Sele vor dieser leidigen Verzärtelung sichern, und, mit Gottes Hülfe! sie in der ganzen Fülle ungeschwächter Menschenkraft stark und mänlich, thätig und aus- daurend zum Dienste unserer Mitmenschen freu- dig darstellen kan.
Um
ſprechen kan, zu welchem Aemſigkeit und anhal- tende Anſtrengung erfodert werden. Man ſolte ſie, fern von oͤffentlichen Staatsgeſchaͤften, in die Weiberſtuben verweiſen, wo der Schade eben nicht groß ſein wuͤrde, wenn ſie in einer Viertel- ſtunde vom Strikzeuge zum Spinrokken, vom Spinrokken zur Nezarbeit, und von dieſer zu den Stikkereien ſchritten. Aber ich beſorge, daß man die Weiberſtuben bald zu enge finden wuͤrde; ſo ſehr hat die Zahl ſolcher verzaͤrtelten Halb- maͤnner in unſern Tagen zugenommen! Was aus dem naͤchſten Menſchenalter, wenn das ſo fortgeht, werden ſol — doch das moͤgen die aus- machen, welche die Vorſehung zu Vormuͤndern fuͤr die Nachkommenſchaft beſtelt hat. Mir, dem in dieſem Alter nur noch die vaͤterliche Fuͤrſorge fuͤr dich, mein Kleon, aufgetragen ward, muß es genug ſein, wenn ich nur deine Sele vor dieſer leidigen Verzaͤrtelung ſichern, und, mit Gottes Huͤlfe! ſie in der ganzen Fuͤlle ungeſchwaͤchter Menſchenkraft ſtark und maͤnlich, thaͤtig und aus- daurend zum Dienſte unſerer Mitmenſchen freu- dig darſtellen kan.
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ſprechen kan, zu welchem Aemſigkeit und anhal-
tende Anſtrengung erfodert werden. Man ſolte
ſie, fern von oͤffentlichen Staatsgeſchaͤften, in die
Weiberſtuben verweiſen, wo der Schade eben
nicht groß ſein wuͤrde, wenn ſie in einer Viertel-
ſtunde vom Strikzeuge zum Spinrokken, vom
Spinrokken zur Nezarbeit, und von dieſer zu
den Stikkereien ſchritten. Aber ich beſorge, daß
man die Weiberſtuben bald zu enge finden wuͤrde;
ſo ſehr hat die Zahl ſolcher verzaͤrtelten Halb-
maͤnner in unſern Tagen zugenommen! Was
aus dem naͤchſten Menſchenalter, wenn das ſo
fortgeht, werden ſol — doch das moͤgen die aus-
machen, welche die Vorſehung zu Vormuͤndern
fuͤr die Nachkommenſchaft beſtelt hat. Mir, dem
in dieſem Alter nur noch die vaͤterliche Fuͤrſorge
fuͤr dich, mein Kleon, aufgetragen ward, muß
es genug ſein, wenn ich nur deine Sele vor dieſer
leidigen Verzaͤrtelung ſichern, und, mit Gottes
Huͤlfe! ſie in der ganzen Fuͤlle ungeſchwaͤchter
Menſchenkraft ſtark und maͤnlich, thaͤtig und aus-
daurend zum Dienſte unſerer Mitmenſchen freu-
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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/92>, abgerufen am 21.11.2024.
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