Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783.nach Aussprüchen alter Dichter oder Geschicht- Wir werden durch unsre Erziehung so stark Ich *) Eine und eben dieselbe That kan ruhmwürdiger
Heroismus oder Narheit sein, jenachdem die Bewegungsgründe, welche dabei zum Grunde lagen, vernünftig oder thörigt waren. Wer darf sich aber unterfangen, nach zwei, drei tausend Jahren in der Sele eines Mannes lesen zu wollen, von dem die Geschichte blos das, was er that, nicht das, was er dachte, aufbewahrt hat! C. nach Ausſpruͤchen alter Dichter oder Geſchicht- Wir werden durch unſre Erziehung ſo ſtark Ich *) Eine und eben dieſelbe That kan ruhmwuͤrdiger
Heroismus oder Narheit ſein, jenachdem die Bewegungsgruͤnde, welche dabei zum Grunde lagen, vernuͤnftig oder thoͤrigt waren. Wer darf ſich aber unterfangen, nach zwei, drei tauſend Jahren in der Sele eines Mannes leſen zu wollen, von dem die Geſchichte blos das, was er that, nicht das, was er dachte, aufbewahrt hat! C. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0144" n="138"/> nach Ausſpruͤchen alter Dichter oder Geſchicht-<lb/> ſchreiber! Nim, wenn du wilſt, aͤhnlich ſcheinende<lb/> Faͤlle dazu, aber blos als Huͤlfsmittel, nicht als<lb/> Wegweiſer!</p><lb/> <p>Wir werden durch unſre Erziehung ſo ſtark<lb/> von Vorurtheilen eingenommen, daß, ſo wie die<lb/> Alten ihre Helden, alſo wir ihre Narren vergoͤt-<lb/> tern, unter die ich, mit aller gehoͤrigen Achtung<lb/> fuͤr das Alterthum geſprochen, den <hi rendition="#fr">Leonidas</hi><lb/> und <hi rendition="#fr">Curtius</hi> als zwei der vorzuͤglichſten ſeze. <note place="foot" n="*)">Eine und eben dieſelbe That kan ruhmwuͤrdiger<lb/> Heroismus oder Narheit ſein, jenachdem die<lb/> Bewegungsgruͤnde, welche dabei zum Grunde<lb/> lagen, vernuͤnftig oder thoͤrigt waren. Wer<lb/> darf ſich aber unterfangen, nach zwei, drei<lb/> tauſend Jahren in der Sele eines Mannes<lb/> leſen zu wollen, von dem die Geſchichte blos<lb/> das, <hi rendition="#fr">was</hi> er <hi rendition="#fr">that</hi>, nicht das, <hi rendition="#fr">was</hi> er <hi rendition="#fr">dachte</hi>,<lb/> aufbewahrt hat! <hi rendition="#et">C.</hi></note><lb/> Gleichwohl wuͤrde ein rechtſchafner Pedant in<lb/> einer Rede an das Parlament, die von einer Auf-<lb/> lage von zwei Pence auf das Pfund bei irgend<lb/> einer oder der andern Waare haudelte, dieſe zwei<lb/> Helden als Beiſpiele von dem aufſtellen, was wir<lb/> fuͤr unſer Vaterland thun oder leiden ſolten.</p><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Ich</fw><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [138/0144]
nach Ausſpruͤchen alter Dichter oder Geſchicht-
ſchreiber! Nim, wenn du wilſt, aͤhnlich ſcheinende
Faͤlle dazu, aber blos als Huͤlfsmittel, nicht als
Wegweiſer!
Wir werden durch unſre Erziehung ſo ſtark
von Vorurtheilen eingenommen, daß, ſo wie die
Alten ihre Helden, alſo wir ihre Narren vergoͤt-
tern, unter die ich, mit aller gehoͤrigen Achtung
fuͤr das Alterthum geſprochen, den Leonidas
und Curtius als zwei der vorzuͤglichſten ſeze. *)
Gleichwohl wuͤrde ein rechtſchafner Pedant in
einer Rede an das Parlament, die von einer Auf-
lage von zwei Pence auf das Pfund bei irgend
einer oder der andern Waare haudelte, dieſe zwei
Helden als Beiſpiele von dem aufſtellen, was wir
fuͤr unſer Vaterland thun oder leiden ſolten.
Ich
*) Eine und eben dieſelbe That kan ruhmwuͤrdiger
Heroismus oder Narheit ſein, jenachdem die
Bewegungsgruͤnde, welche dabei zum Grunde
lagen, vernuͤnftig oder thoͤrigt waren. Wer
darf ſich aber unterfangen, nach zwei, drei
tauſend Jahren in der Sele eines Mannes
leſen zu wollen, von dem die Geſchichte blos
das, was er that, nicht das, was er dachte,
aufbewahrt hat! C.
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