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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783.

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reimte, einem Philosophen unanständige Weise,
in Ansehung des Plato sagt, "ich wil lieber mit
ihm irren, als mit andern richtig denken." *)

Nunmehr hingegen habe ich, ohne ausserordent-
liche Anstrengung des Verstandes, ausfindig ge-
macht, daß die Natur vor dreitausend Jahren die
nemliche war, die sie izt ist; daß die Menschen
nichts mehr als Menschen waren, damahls so gut
wie izt; daß zwar Gewohnheiten und Gebräuche
oft abwechseln, die menschliche Natur aber stets
die nemliche bleibt. Ich kan eben so wenig anneh-
men, daß vor funfzehn hundert oder drei tausend
Jahren die Menschen besser, tapfrer oder weiser
gewesen wären, als daß Thiere und Pflanzen da-
mahls besser gewesen wären, als sie izt sind.

Ich getraue mir auch nunmehr, den Gönnern
der Alten zum Troz, zu behaupten, daß Homers
Held Achil zugleich ein wildes Thier und ein
Schurke, folglich sehr untauglich für die Rolle
eines Helden im Heldengedichte war. Er trug so
wenige Achtung für sein Vaterland, daß er nicht

zu
*) Cum quo errare malim, quam cum aliis recte
sentire.

reimte, einem Philoſophen unanſtaͤndige Weiſe,
in Anſehung des Plato ſagt, “ich wil lieber mit
ihm irren, als mit andern richtig denken.„ *)

Nunmehr hingegen habe ich, ohne auſſerordent-
liche Anſtrengung des Verſtandes, ausfindig ge-
macht, daß die Natur vor dreitauſend Jahren die
nemliche war, die ſie izt iſt; daß die Menſchen
nichts mehr als Menſchen waren, damahls ſo gut
wie izt; daß zwar Gewohnheiten und Gebraͤuche
oft abwechſeln, die menſchliche Natur aber ſtets
die nemliche bleibt. Ich kan eben ſo wenig anneh-
men, daß vor funfzehn hundert oder drei tauſend
Jahren die Menſchen beſſer, tapfrer oder weiſer
geweſen waͤren, als daß Thiere und Pflanzen da-
mahls beſſer geweſen waͤren, als ſie izt ſind.

Ich getraue mir auch nunmehr, den Goͤnnern
der Alten zum Troz, zu behaupten, daß Homers
Held Achil zugleich ein wildes Thier und ein
Schurke, folglich ſehr untauglich fuͤr die Rolle
eines Helden im Heldengedichte war. Er trug ſo
wenige Achtung fuͤr ſein Vaterland, daß er nicht

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[144/0150] reimte, einem Philoſophen unanſtaͤndige Weiſe, in Anſehung des Plato ſagt, “ich wil lieber mit ihm irren, als mit andern richtig denken.„ *) Nunmehr hingegen habe ich, ohne auſſerordent- liche Anſtrengung des Verſtandes, ausfindig ge- macht, daß die Natur vor dreitauſend Jahren die nemliche war, die ſie izt iſt; daß die Menſchen nichts mehr als Menſchen waren, damahls ſo gut wie izt; daß zwar Gewohnheiten und Gebraͤuche oft abwechſeln, die menſchliche Natur aber ſtets die nemliche bleibt. Ich kan eben ſo wenig anneh- men, daß vor funfzehn hundert oder drei tauſend Jahren die Menſchen beſſer, tapfrer oder weiſer geweſen waͤren, als daß Thiere und Pflanzen da- mahls beſſer geweſen waͤren, als ſie izt ſind. Ich getraue mir auch nunmehr, den Goͤnnern der Alten zum Troz, zu behaupten, daß Homers Held Achil zugleich ein wildes Thier und ein Schurke, folglich ſehr untauglich fuͤr die Rolle eines Helden im Heldengedichte war. Er trug ſo wenige Achtung fuͤr ſein Vaterland, daß er nicht zu *) Cum quo errare malim, quam cum aliis recte ſentire.

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Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron02_1783/150>, abgerufen am 04.12.2024.