Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

Bild:
<< vorherige Seite

Osmanische Geschichte
Soldaten zu, und begehret von ihm, er möchte sie mit einer Fahne 16 versehen,
Gott um gutes Glück für sie bitten, und ihnen einen Namen geben. Als sie
[Spaltenumbruch]
ihnen sind die Bekjtaschi, Mewelewi, Kädri
und Sejjah. Von den Bekjtaschi habe ich
bereits in einer vorhergehenden Anmerkung*
gehandelt. Die Mewelewi haben ihren
Namen von ihrem ersten Stifter Mewelana.
Diese haben die Gewohnheit, daß sie sich
zwo bis drey Stunden nach einander in
die Ründe herum drehen, mit solcher Be-
hendigkeit, daß man ihr Angesicht nicht
sehen kann. Sie sind große Liebhaber
der Musik, sowol was das Singen, als was
das Spielen anbelanget. Was das letztere
betrifft: so spielen sie eine Pfeife, die aus
einem indianischen Rohre, Nej genennet, ge-
macht wird, und so lieblich klinget, als kein
anderes musikalisches Instrument. In ihren
Klöstern lassen sie große Demuth und Armuth
von sich spüren; und wenn sie Besuch bekom-
men: so erweisen sie allen Menschen, sie mö-
gen welches Standes seyn als sie wollen,
einerley Ehrerbietigkeit, und halten sie durch-
gehends einander gleich. Anfangs setzen sie
ihrem Gaste Kaffee zu trinken vor, und wenn
es kothiger Weg gewesen ist: so waschen sie
ihm auch die Füße und Schuhe. Wann er
weggehet: so begleiten sie ihn auf die dienst-
fertigste Weise, und sagen fast bey iedem
Worte oder Rede, Ejüwallah, dadurch sie
mit dem Munde ihre ungeheuchelte Demuth,
als die Pflicht ihres Ordens, zu erkennen ge-
ben wollen. Die Kädri mergeln aus beson-
derem Aberglauben ihren Leib ab. Sie ge-
hen völlig nacket, ausgenommen um die
Mitte des Leibes, fassen sich einander an den
Händen an, und tanzen sechs Stunden,
manchmal gar einen ganzen Tag lang: da-
bey schreyen sie ohne Unterlaß aus allen Kräf-
[Spaltenumbruch]
ten, Hu, Hu, Hu2* (das einer von den Na-
men Gottes ist), bis sie endlich mit dem
Munde schäumen, vom Schweiße überlaufen,
und wie unsinnige Leute zu Boden fallen.
Der oberste Weßir Kjüprili Ahmed Pascha
gab zwar den Befehl, daß dieser Orden sollte
abgeschaffet seyn, weil er ihn für abergläu-
bisch und der muhämmedischen Religion un-
anständig hielte: allein, nach seinem Tode
hat sich diese Zunft wieder hervorgethan, und
ist gegenwärtig zahlreicher als iemals, son-
derlich zu Constantinopel. Die Sejjah sind
Landläufer. Sie haben zwar ihre Klöster:
wenn sie aber einmal aus denselben wegge-
gangen sind; so kommen sie selten wieder hin-
ein, sondern bringen ihre ganze Lebenszeit
mit Herumwandern zu. Nämlich, ihre Vor-
steher oder Prälaten legen ihnen auf, wenn
sie dieselben ausschicken, so und so viel an
Gelde oder an Lebensmitteln zu schaffen, mit
dem Befehle, nicht eher wieder zurück zu kom-
men, als bis sie dasselbe zusammengebracht
und in das Kloster geliefert haben. Wann
daher ein Sejjah in eine Stadt kommt: so
stellet er sich auf den öffentlichen Markt oder
in den Vorhof eines Dschami hin, und
schreyet überlaut: Ja Allah senden besch bing
Altun isterim; das ist: O Gott, ich bitte
dich, gieb mir fünf tausend Ducaten, oder
tausend Scheffel Reis, u. s. w. Nachdem
er nun an einem Orte die Almosen von den
Leuten empfangen hat: so gehet er fort in
eine andere Stadt; und so ist er gezwungen,
sein Leben in fernen Landen zuzubringen, bis
er die ihm auferlegte Summe zusammenge-
bracht hat. Unter den indianischen Mönchen
giebt es viele dieses Ordens. Diese ziehen

zu
* 54 S. 13 Anmerk.
2* auch Hüwe.

Osmaniſche Geſchichte
Soldaten zu, und begehret von ihm, er moͤchte ſie mit einer Fahne 16 verſehen,
Gott um gutes Gluͤck fuͤr ſie bitten, und ihnen einen Namen geben. Als ſie
[Spaltenumbruch]
ihnen ſind die Bekjtaſchi, Mewelewi, Kaͤdri
und Sejjah. Von den Bekjtaſchi habe ich
bereits in einer vorhergehenden Anmerkung*
gehandelt. Die Mewelewi haben ihren
Namen von ihrem erſten Stifter Mewelana.
Dieſe haben die Gewohnheit, daß ſie ſich
zwo bis drey Stunden nach einander in
die Ruͤnde herum drehen, mit ſolcher Be-
hendigkeit, daß man ihr Angeſicht nicht
ſehen kann. Sie ſind große Liebhaber
der Muſik, ſowol was das Singen, als was
das Spielen anbelanget. Was das letztere
betrifft: ſo ſpielen ſie eine Pfeife, die aus
einem indianiſchen Rohre, Nej genennet, ge-
macht wird, und ſo lieblich klinget, als kein
anderes muſikaliſches Inſtrument. In ihren
Kloͤſtern laſſen ſie große Demuth und Armuth
von ſich ſpuͤren; und wenn ſie Beſuch bekom-
men: ſo erweiſen ſie allen Menſchen, ſie moͤ-
gen welches Standes ſeyn als ſie wollen,
einerley Ehrerbietigkeit, und halten ſie durch-
gehends einander gleich. Anfangs ſetzen ſie
ihrem Gaſte Kaffee zu trinken vor, und wenn
es kothiger Weg geweſen iſt: ſo waſchen ſie
ihm auch die Fuͤße und Schuhe. Wann er
weggehet: ſo begleiten ſie ihn auf die dienſt-
fertigſte Weiſe, und ſagen faſt bey iedem
Worte oder Rede, Ejuͤwallah, dadurch ſie
mit dem Munde ihre ungeheuchelte Demuth,
als die Pflicht ihres Ordens, zu erkennen ge-
ben wollen. Die Kaͤdri mergeln aus beſon-
derem Aberglauben ihren Leib ab. Sie ge-
hen voͤllig nacket, ausgenommen um die
Mitte des Leibes, faſſen ſich einander an den
Haͤnden an, und tanzen ſechs Stunden,
manchmal gar einen ganzen Tag lang: da-
bey ſchreyen ſie ohne Unterlaß aus allen Kraͤf-
[Spaltenumbruch]
ten, Hu, Hu, Hu2* (das einer von den Na-
men Gottes iſt), bis ſie endlich mit dem
Munde ſchaͤumen, vom Schweiße uͤberlaufen,
und wie unſinnige Leute zu Boden fallen.
Der oberſte Weßir Kjuͤprili Ahmed Paſcha
gab zwar den Befehl, daß dieſer Orden ſollte
abgeſchaffet ſeyn, weil er ihn fuͤr aberglaͤu-
biſch und der muhaͤmmediſchen Religion un-
anſtaͤndig hielte: allein, nach ſeinem Tode
hat ſich dieſe Zunft wieder hervorgethan, und
iſt gegenwaͤrtig zahlreicher als iemals, ſon-
derlich zu Conſtantinopel. Die Sejjah ſind
Landlaͤufer. Sie haben zwar ihre Kloͤſter:
wenn ſie aber einmal aus denſelben wegge-
gangen ſind; ſo kommen ſie ſelten wieder hin-
ein, ſondern bringen ihre ganze Lebenszeit
mit Herumwandern zu. Naͤmlich, ihre Vor-
ſteher oder Praͤlaten legen ihnen auf, wenn
ſie dieſelben ausſchicken, ſo und ſo viel an
Gelde oder an Lebensmitteln zu ſchaffen, mit
dem Befehle, nicht eher wieder zuruͤck zu kom-
men, als bis ſie daſſelbe zuſammengebracht
und in das Kloſter geliefert haben. Wann
daher ein Sejjah in eine Stadt kommt: ſo
ſtellet er ſich auf den oͤffentlichen Markt oder
in den Vorhof eines Dſchami hin, und
ſchreyet uͤberlaut: Ja Allah ſenden beſch bing
Altun iſterim; das iſt: O Gott, ich bitte
dich, gieb mir fuͤnf tauſend Ducaten, oder
tauſend Scheffel Reis, u. ſ. w. Nachdem
er nun an einem Orte die Almoſen von den
Leuten empfangen hat: ſo gehet er fort in
eine andere Stadt; und ſo iſt er gezwungen,
ſein Leben in fernen Landen zuzubringen, bis
er die ihm auferlegte Summe zuſammenge-
bracht hat. Unter den indianiſchen Moͤnchen
giebt es viele dieſes Ordens. Dieſe ziehen

zu
* 54 S. 13 Anmerk.
2* auch Huͤwe.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0132" n="56"/><fw place="top" type="header">Osmani&#x017F;che Ge&#x017F;chichte</fw><lb/>
Soldaten zu, und begehret von ihm, er mo&#x0364;chte &#x017F;ie mit einer Fahne <note place="end" n="16"/> ver&#x017F;ehen,<lb/>
Gott um gutes Glu&#x0364;ck fu&#x0364;r &#x017F;ie bitten, und ihnen einen Namen geben. Als &#x017F;ie<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">zu</fw><lb/><cb n="1"/><lb/><note xml:id="M132" prev="#M131" place="end" next="#M133">ihnen &#x017F;ind die Bekjta&#x017F;chi, Mewelewi, Ka&#x0364;dri<lb/>
und Sejjah. Von den Bekjta&#x017F;chi habe ich<lb/>
bereits in einer vorhergehenden Anmerkung<note place="foot" n="*">54 S. 13 Anmerk.</note><lb/>
gehandelt. Die Mewelewi haben ihren<lb/>
Namen von ihrem er&#x017F;ten Stifter Mewelana.<lb/>
Die&#x017F;e haben die Gewohnheit, daß &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
zwo bis drey Stunden nach einander in<lb/>
die Ru&#x0364;nde herum drehen, mit &#x017F;olcher Be-<lb/>
hendigkeit, daß man ihr Ange&#x017F;icht nicht<lb/>
&#x017F;ehen kann. Sie &#x017F;ind große Liebhaber<lb/>
der Mu&#x017F;ik, &#x017F;owol was das Singen, als was<lb/>
das Spielen anbelanget. Was das letztere<lb/>
betrifft: &#x017F;o &#x017F;pielen &#x017F;ie eine Pfeife, die aus<lb/>
einem indiani&#x017F;chen Rohre, Nej genennet, ge-<lb/>
macht wird, und &#x017F;o lieblich klinget, als kein<lb/>
anderes mu&#x017F;ikali&#x017F;ches In&#x017F;trument. In ihren<lb/>
Klo&#x0364;&#x017F;tern la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie große Demuth und Armuth<lb/>
von &#x017F;ich &#x017F;pu&#x0364;ren; und wenn &#x017F;ie Be&#x017F;uch bekom-<lb/>
men: &#x017F;o erwei&#x017F;en &#x017F;ie allen Men&#x017F;chen, &#x017F;ie mo&#x0364;-<lb/>
gen welches Standes &#x017F;eyn als &#x017F;ie wollen,<lb/>
einerley Ehrerbietigkeit, und halten &#x017F;ie durch-<lb/>
gehends einander gleich. Anfangs &#x017F;etzen &#x017F;ie<lb/>
ihrem Ga&#x017F;te Kaffee zu trinken vor, und wenn<lb/>
es kothiger Weg gewe&#x017F;en i&#x017F;t: &#x017F;o wa&#x017F;chen &#x017F;ie<lb/>
ihm auch die Fu&#x0364;ße und Schuhe. Wann er<lb/>
weggehet: &#x017F;o begleiten &#x017F;ie ihn auf die dien&#x017F;t-<lb/>
fertig&#x017F;te Wei&#x017F;e, und &#x017F;agen fa&#x017F;t bey iedem<lb/>
Worte oder Rede, Eju&#x0364;wallah, dadurch &#x017F;ie<lb/>
mit dem Munde ihre ungeheuchelte Demuth,<lb/>
als die Pflicht ihres Ordens, zu erkennen ge-<lb/>
ben wollen. Die Ka&#x0364;dri mergeln aus be&#x017F;on-<lb/>
derem Aberglauben ihren Leib ab. Sie ge-<lb/>
hen vo&#x0364;llig nacket, ausgenommen um die<lb/>
Mitte des Leibes, fa&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich einander an den<lb/>
Ha&#x0364;nden an, und tanzen &#x017F;echs Stunden,<lb/>
manchmal gar einen ganzen Tag lang: da-<lb/>
bey &#x017F;chreyen &#x017F;ie ohne Unterlaß aus allen Kra&#x0364;f-<lb/><cb n="2"/><lb/>
ten, Hu, Hu, Hu<note place="foot" n="2*">auch Hu&#x0364;we.</note> (das einer von den Na-<lb/>
men Gottes i&#x017F;t), bis &#x017F;ie endlich mit dem<lb/>
Munde &#x017F;cha&#x0364;umen, vom Schweiße u&#x0364;berlaufen,<lb/>
und wie un&#x017F;innige Leute zu Boden fallen.<lb/>
Der ober&#x017F;te Weßir Kju&#x0364;prili Ahmed Pa&#x017F;cha<lb/>
gab zwar den Befehl, daß die&#x017F;er Orden &#x017F;ollte<lb/>
abge&#x017F;chaffet &#x017F;eyn, weil er ihn fu&#x0364;r abergla&#x0364;u-<lb/>
bi&#x017F;ch und der muha&#x0364;mmedi&#x017F;chen Religion un-<lb/>
an&#x017F;ta&#x0364;ndig hielte: allein, nach &#x017F;einem Tode<lb/>
hat &#x017F;ich die&#x017F;e Zunft wieder hervorgethan, und<lb/>
i&#x017F;t gegenwa&#x0364;rtig zahlreicher als iemals, &#x017F;on-<lb/>
derlich zu Con&#x017F;tantinopel. Die Sejjah &#x017F;ind<lb/>
Landla&#x0364;ufer. Sie haben zwar ihre Klo&#x0364;&#x017F;ter:<lb/>
wenn &#x017F;ie aber einmal aus den&#x017F;elben wegge-<lb/>
gangen &#x017F;ind; &#x017F;o kommen &#x017F;ie &#x017F;elten wieder hin-<lb/>
ein, &#x017F;ondern bringen ihre ganze Lebenszeit<lb/>
mit Herumwandern zu. Na&#x0364;mlich, ihre Vor-<lb/>
&#x017F;teher oder Pra&#x0364;laten legen ihnen auf, wenn<lb/>
&#x017F;ie die&#x017F;elben aus&#x017F;chicken, &#x017F;o und &#x017F;o viel an<lb/>
Gelde oder an Lebensmitteln zu &#x017F;chaffen, mit<lb/>
dem Befehle, nicht eher wieder zuru&#x0364;ck zu kom-<lb/>
men, als bis &#x017F;ie da&#x017F;&#x017F;elbe zu&#x017F;ammengebracht<lb/>
und in das Klo&#x017F;ter geliefert haben. Wann<lb/>
daher ein Sejjah in eine Stadt kommt: &#x017F;o<lb/>
&#x017F;tellet er &#x017F;ich auf den o&#x0364;ffentlichen Markt oder<lb/>
in den Vorhof eines D&#x017F;chami hin, und<lb/>
&#x017F;chreyet u&#x0364;berlaut: Ja Allah &#x017F;enden be&#x017F;ch bing<lb/>
Altun i&#x017F;terim; das i&#x017F;t: O Gott, ich bitte<lb/>
dich, gieb mir fu&#x0364;nf tau&#x017F;end Ducaten, oder<lb/>
tau&#x017F;end Scheffel Reis, u. &#x017F;. w. Nachdem<lb/>
er nun an einem Orte die Almo&#x017F;en von den<lb/>
Leuten empfangen hat: &#x017F;o gehet er fort in<lb/>
eine andere Stadt; und &#x017F;o i&#x017F;t er gezwungen,<lb/>
&#x017F;ein Leben in fernen Landen zuzubringen, bis<lb/>
er die ihm auferlegte Summe zu&#x017F;ammenge-<lb/>
bracht hat. Unter den indiani&#x017F;chen Mo&#x0364;nchen<lb/>
giebt es viele die&#x017F;es Ordens. Die&#x017F;e ziehen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">die</fw></note><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[56/0132] Osmaniſche Geſchichte Soldaten zu, und begehret von ihm, er moͤchte ſie mit einer Fahne ¹⁶ verſehen, Gott um gutes Gluͤck fuͤr ſie bitten, und ihnen einen Namen geben. Als ſie zu ihnen ſind die Bekjtaſchi, Mewelewi, Kaͤdri und Sejjah. Von den Bekjtaſchi habe ich bereits in einer vorhergehenden Anmerkung * gehandelt. Die Mewelewi haben ihren Namen von ihrem erſten Stifter Mewelana. Dieſe haben die Gewohnheit, daß ſie ſich zwo bis drey Stunden nach einander in die Ruͤnde herum drehen, mit ſolcher Be- hendigkeit, daß man ihr Angeſicht nicht ſehen kann. Sie ſind große Liebhaber der Muſik, ſowol was das Singen, als was das Spielen anbelanget. Was das letztere betrifft: ſo ſpielen ſie eine Pfeife, die aus einem indianiſchen Rohre, Nej genennet, ge- macht wird, und ſo lieblich klinget, als kein anderes muſikaliſches Inſtrument. In ihren Kloͤſtern laſſen ſie große Demuth und Armuth von ſich ſpuͤren; und wenn ſie Beſuch bekom- men: ſo erweiſen ſie allen Menſchen, ſie moͤ- gen welches Standes ſeyn als ſie wollen, einerley Ehrerbietigkeit, und halten ſie durch- gehends einander gleich. Anfangs ſetzen ſie ihrem Gaſte Kaffee zu trinken vor, und wenn es kothiger Weg geweſen iſt: ſo waſchen ſie ihm auch die Fuͤße und Schuhe. Wann er weggehet: ſo begleiten ſie ihn auf die dienſt- fertigſte Weiſe, und ſagen faſt bey iedem Worte oder Rede, Ejuͤwallah, dadurch ſie mit dem Munde ihre ungeheuchelte Demuth, als die Pflicht ihres Ordens, zu erkennen ge- ben wollen. Die Kaͤdri mergeln aus beſon- derem Aberglauben ihren Leib ab. Sie ge- hen voͤllig nacket, ausgenommen um die Mitte des Leibes, faſſen ſich einander an den Haͤnden an, und tanzen ſechs Stunden, manchmal gar einen ganzen Tag lang: da- bey ſchreyen ſie ohne Unterlaß aus allen Kraͤf- ten, Hu, Hu, Hu 2* (das einer von den Na- men Gottes iſt), bis ſie endlich mit dem Munde ſchaͤumen, vom Schweiße uͤberlaufen, und wie unſinnige Leute zu Boden fallen. Der oberſte Weßir Kjuͤprili Ahmed Paſcha gab zwar den Befehl, daß dieſer Orden ſollte abgeſchaffet ſeyn, weil er ihn fuͤr aberglaͤu- biſch und der muhaͤmmediſchen Religion un- anſtaͤndig hielte: allein, nach ſeinem Tode hat ſich dieſe Zunft wieder hervorgethan, und iſt gegenwaͤrtig zahlreicher als iemals, ſon- derlich zu Conſtantinopel. Die Sejjah ſind Landlaͤufer. Sie haben zwar ihre Kloͤſter: wenn ſie aber einmal aus denſelben wegge- gangen ſind; ſo kommen ſie ſelten wieder hin- ein, ſondern bringen ihre ganze Lebenszeit mit Herumwandern zu. Naͤmlich, ihre Vor- ſteher oder Praͤlaten legen ihnen auf, wenn ſie dieſelben ausſchicken, ſo und ſo viel an Gelde oder an Lebensmitteln zu ſchaffen, mit dem Befehle, nicht eher wieder zuruͤck zu kom- men, als bis ſie daſſelbe zuſammengebracht und in das Kloſter geliefert haben. Wann daher ein Sejjah in eine Stadt kommt: ſo ſtellet er ſich auf den oͤffentlichen Markt oder in den Vorhof eines Dſchami hin, und ſchreyet uͤberlaut: Ja Allah ſenden beſch bing Altun iſterim; das iſt: O Gott, ich bitte dich, gieb mir fuͤnf tauſend Ducaten, oder tauſend Scheffel Reis, u. ſ. w. Nachdem er nun an einem Orte die Almoſen von den Leuten empfangen hat: ſo gehet er fort in eine andere Stadt; und ſo iſt er gezwungen, ſein Leben in fernen Landen zuzubringen, bis er die ihm auferlegte Summe zuſammenge- bracht hat. Unter den indianiſchen Moͤnchen giebt es viele dieſes Ordens. Dieſe ziehen die * 54 S. 13 Anmerk. 2* auch Huͤwe.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/132
Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/132>, abgerufen am 21.11.2024.