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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
Bajeßid verstär-
ket Griechenlandmit Schlössern:
13.

Nachdem der Mitbuhler des Reichs solchergestalt durch einen Bru-
dermord aus dem Wege geräumet, und der Stat in guten Stand gesetzet war:
so trieb Bajeßids kriegerischer Geist, der bisher geschlafen hatte, denselben an,
sein Gebiet mit dem Raube der christlichen Fürsten zu erweitern. Um aber
den Stat vorher zu verstärken, ehe er ihn vergrößerte, ging derselbe im Jahre
H. 887.



J. C. 1482.887 nach Morea, und befestigte die dasige Erdenge, gegen den korinthischen
Meerbusen zu, mit zweyen starken Schlössern, und gebrauchte dazu das Bau-
zeug, das die Christen zu ganz andern Absichten bestimmet hatten. Diese
versahe er mit guten Besatzungen und allerhand Kriegesvorrathe, damit die
Feinde, wenn sie von dieser Seite, wie sie öfters thaten, in das osmanische
Gebiet einfielen, könnten zurück getrieben werden, und man Zeit gewinnen
möchte, den überfallenen Ländern zu Hülfe zu kommen.

nimmt zwo
Städte in derMoldau ein.
14.

Im nächsten Frühjahre lässet derselbe in einer anmuthigen Gegend
an dem Flusse Tundsche zu Adrianopel einen Dschami, Medrese, Darüsch-
Schifa, Imaret und ein öffentliches Bad bauen. Hierauf gehet er mit allen sei-
nen Truppen in die Moldau 23, da selbiger Zeit Stephan regierete, und nimmt
die Vormauren des ganzen Landes ein, nämlich die festen Städte Kili 24 an
der Donau, und Akkjirman 25 nicht weit davon an dem schwarzen Meere. Durch
[Spaltenumbruch]

schwebe vierzig Tage lang bey dem Grabe
herum, und die Lesung des Kurons vermöge
bey dem Erzengel Gabriel sehr viel, damit
er dieselbe vor den Teufeln bewahre und bald
in das Paradies führe. Dabey behaupten
sie auch, daß die sündige Seele durch das
Gebet der Lebendigen viele Wohlthaten ge-
nieße. Allein, sie rufen keine Heiligen noch
Propheten an, ausgenommen Muhämmed*.
Den übrigen insgesammt sprechen sie alles
Mitleiden mit dem menschlichen Elende ab:
weil sie dafür halten, es würde ihnen dasselbe
an der vollkommenen Seligkeit, zu der sie
gelanget sind, hinderlich seyn.
23 Moldau] Ich habe mich niemals
genug verwundern können, so oft ich in die
Karte von Ungarn gesehen habe, woher es
doch komme, daß die Grenzen der Walachey
[Spaltenumbruch]
und Moldau so ungereimt und irrig in der-
selben abgezeichnet sind. Es ist mir auch
keine weder unter den alten noch neuern Kar-
ten vorgekommen, die nicht mit groben Irr-
thümern ganz angefüllet wäre. So sind die
Städte Kili und Akkjirman, die man insge-
mein in die Walachey setzet, mehr als drey
hundert Meilen2* von den walachischen Gren-
zen entfernet, haben auch niemals zu der
Walachey, sondern allezeit zu der Moldau
gehöret. An einem andern Orte werde ich
dieses weiter ausführen.
24 Kili] Bey den Moldauern Cilia ge-
nennet, das alte Lykostomos, eine Stadt an
dem nördlichen Ausflusse der Donau gelegen,
der breiter und tiefer ist, als die übrigen vier.
Sie ist von Galatsch, einem ansehnlichen Han-
delsplatze in Moldau, an dem Gestade der

dieses
* 115 S. [7] Anm.
2* oder 75 deutsche Meilen.
Osmaniſche Geſchichte
Bajeßid verſtaͤr-
ket Griechenlandmit Schloͤſſern:
13.

Nachdem der Mitbuhler des Reichs ſolchergeſtalt durch einen Bru-
dermord aus dem Wege geraͤumet, und der Stat in guten Stand geſetzet war:
ſo trieb Bajeßids kriegeriſcher Geiſt, der bisher geſchlafen hatte, denſelben an,
ſein Gebiet mit dem Raube der chriſtlichen Fuͤrſten zu erweitern. Um aber
den Stat vorher zu verſtaͤrken, ehe er ihn vergroͤßerte, ging derſelbe im Jahre
H. 887.



J. C. 1482.887 nach Morea, und befeſtigte die daſige Erdenge, gegen den korinthiſchen
Meerbuſen zu, mit zweyen ſtarken Schloͤſſern, und gebrauchte dazu das Bau-
zeug, das die Chriſten zu ganz andern Abſichten beſtimmet hatten. Dieſe
verſahe er mit guten Beſatzungen und allerhand Kriegesvorrathe, damit die
Feinde, wenn ſie von dieſer Seite, wie ſie oͤfters thaten, in das osmaniſche
Gebiet einfielen, koͤnnten zuruͤck getrieben werden, und man Zeit gewinnen
moͤchte, den uͤberfallenen Laͤndern zu Huͤlfe zu kommen.

nimmt zwo
Staͤdte in derMoldau ein.
14.

Im naͤchſten Fruͤhjahre laͤſſet derſelbe in einer anmuthigen Gegend
an dem Fluſſe Tundſche zu Adrianopel einen Dſchami, Medreſe, Daruͤſch-
Schifa, Imaret und ein oͤffentliches Bad bauen. Hierauf gehet er mit allen ſei-
nen Truppen in die Moldau 23, da ſelbiger Zeit Stephan regierete, und nimmt
die Vormauren des ganzen Landes ein, naͤmlich die feſten Staͤdte Kili 24 an
der Donau, und Akkjirman 25 nicht weit davon an dem ſchwarzen Meere. Durch
[Spaltenumbruch]

ſchwebe vierzig Tage lang bey dem Grabe
herum, und die Leſung des Kurons vermoͤge
bey dem Erzengel Gabriel ſehr viel, damit
er dieſelbe vor den Teufeln bewahre und bald
in das Paradies fuͤhre. Dabey behaupten
ſie auch, daß die ſuͤndige Seele durch das
Gebet der Lebendigen viele Wohlthaten ge-
nieße. Allein, ſie rufen keine Heiligen noch
Propheten an, ausgenommen Muhaͤmmed*.
Den uͤbrigen insgeſammt ſprechen ſie alles
Mitleiden mit dem menſchlichen Elende ab:
weil ſie dafuͤr halten, es wuͤrde ihnen daſſelbe
an der vollkommenen Seligkeit, zu der ſie
gelanget ſind, hinderlich ſeyn.
23 Moldau] Ich habe mich niemals
genug verwundern koͤnnen, ſo oft ich in die
Karte von Ungarn geſehen habe, woher es
doch komme, daß die Grenzen der Walachey
[Spaltenumbruch]
und Moldau ſo ungereimt und irrig in der-
ſelben abgezeichnet ſind. Es iſt mir auch
keine weder unter den alten noch neuern Kar-
ten vorgekommen, die nicht mit groben Irr-
thuͤmern ganz angefuͤllet waͤre. So ſind die
Staͤdte Kili und Akkjirman, die man insge-
mein in die Walachey ſetzet, mehr als drey
hundert Meilen2* von den walachiſchen Gren-
zen entfernet, haben auch niemals zu der
Walachey, ſondern allezeit zu der Moldau
gehoͤret. An einem andern Orte werde ich
dieſes weiter ausfuͤhren.
24 Kili] Bey den Moldauern Cilia ge-
nennet, das alte Lykoſtomos, eine Stadt an
dem noͤrdlichen Ausfluſſe der Donau gelegen,
der breiter und tiefer iſt, als die uͤbrigen vier.
Sie iſt von Galatſch, einem anſehnlichen Han-
delsplatze in Moldau, an dem Geſtade der

dieſes
* 115 S. [7] Anm.
2* oder 75 deutſche Meilen.
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[184/0270] Osmaniſche Geſchichte 13. Nachdem der Mitbuhler des Reichs ſolchergeſtalt durch einen Bru- dermord aus dem Wege geraͤumet, und der Stat in guten Stand geſetzet war: ſo trieb Bajeßids kriegeriſcher Geiſt, der bisher geſchlafen hatte, denſelben an, ſein Gebiet mit dem Raube der chriſtlichen Fuͤrſten zu erweitern. Um aber den Stat vorher zu verſtaͤrken, ehe er ihn vergroͤßerte, ging derſelbe im Jahre 887 nach Morea, und befeſtigte die daſige Erdenge, gegen den korinthiſchen Meerbuſen zu, mit zweyen ſtarken Schloͤſſern, und gebrauchte dazu das Bau- zeug, das die Chriſten zu ganz andern Abſichten beſtimmet hatten. Dieſe verſahe er mit guten Beſatzungen und allerhand Kriegesvorrathe, damit die Feinde, wenn ſie von dieſer Seite, wie ſie oͤfters thaten, in das osmaniſche Gebiet einfielen, koͤnnten zuruͤck getrieben werden, und man Zeit gewinnen moͤchte, den uͤberfallenen Laͤndern zu Huͤlfe zu kommen. H. 887. J. C. 1482. 14. Im naͤchſten Fruͤhjahre laͤſſet derſelbe in einer anmuthigen Gegend an dem Fluſſe Tundſche zu Adrianopel einen Dſchami, Medreſe, Daruͤſch- Schifa, Imaret und ein oͤffentliches Bad bauen. Hierauf gehet er mit allen ſei- nen Truppen in die Moldau ²³ , da ſelbiger Zeit Stephan regierete, und nimmt die Vormauren des ganzen Landes ein, naͤmlich die feſten Staͤdte Kili ²⁴ an der Donau, und Akkjirman ²⁵ nicht weit davon an dem ſchwarzen Meere. Durch dieſes ſchwebe vierzig Tage lang bey dem Grabe herum, und die Leſung des Kurons vermoͤge bey dem Erzengel Gabriel ſehr viel, damit er dieſelbe vor den Teufeln bewahre und bald in das Paradies fuͤhre. Dabey behaupten ſie auch, daß die ſuͤndige Seele durch das Gebet der Lebendigen viele Wohlthaten ge- nieße. Allein, ſie rufen keine Heiligen noch Propheten an, ausgenommen Muhaͤmmed *. Den uͤbrigen insgeſammt ſprechen ſie alles Mitleiden mit dem menſchlichen Elende ab: weil ſie dafuͤr halten, es wuͤrde ihnen daſſelbe an der vollkommenen Seligkeit, zu der ſie gelanget ſind, hinderlich ſeyn. ²³ Moldau] Ich habe mich niemals genug verwundern koͤnnen, ſo oft ich in die Karte von Ungarn geſehen habe, woher es doch komme, daß die Grenzen der Walachey und Moldau ſo ungereimt und irrig in der- ſelben abgezeichnet ſind. Es iſt mir auch keine weder unter den alten noch neuern Kar- ten vorgekommen, die nicht mit groben Irr- thuͤmern ganz angefuͤllet waͤre. So ſind die Staͤdte Kili und Akkjirman, die man insge- mein in die Walachey ſetzet, mehr als drey hundert Meilen 2* von den walachiſchen Gren- zen entfernet, haben auch niemals zu der Walachey, ſondern allezeit zu der Moldau gehoͤret. An einem andern Orte werde ich dieſes weiter ausfuͤhren. ²⁴ Kili] Bey den Moldauern Cilia ge- nennet, das alte Lykoſtomos, eine Stadt an dem noͤrdlichen Ausfluſſe der Donau gelegen, der breiter und tiefer iſt, als die uͤbrigen vier. Sie iſt von Galatſch, einem anſehnlichen Han- delsplatze in Moldau, an dem Geſtade der Donau, * 115 S. 7 Anm. 2* oder 75 deutſche Meilen.

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/270>, abgerufen am 22.11.2024.