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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
liche Wege und enge Pässe die Feinde zu verfolgen, die nicht so völlig zu Grunde
gerichtet waren, daß sie nicht noch einen frischen Angriff hätten wagen können.
Nachdem er also zum Abzuge hatte blasen lassen: so plünderte er das Lager,
darinnen er die unbeschreiblichen Schätze und kostbare Feldrüstung Ismäil
Schahs fand. Hierauf erklärete er Piri Pascha (der der Angeber der Schlacht
gewesen war) zum Weßire, und ließ öffentlich ausrufen: man sollte von den
Gefangenen keinen Nisa noch Sabier* behalten, sondern sie alle loslassen.
[Spaltenumbruch]
13 Sünni] So nennen die Türken sich
selbst und die übrigen Müsülmanen, im Ge-
gensatze der Perser und anderer Ketzer. Sie
halten es für unrecht, die Sünni als Slawen
zu behalten, ob sie gleich im Kriege gefangen
worden sind. Wenn es Aufrührer sind; so
werden sie am Leben gestrafet: wo aber dieses
nicht ist; da muß man sie wieder loslassen.
Dieses ist zwar ein unverbrüchliches Gesetz
bey den Türken: bey den Tatarn aber, wenn
sie gleich muhämmedischer Religion sind, wird
es nicht gehalten. Dieses zu bestätigen, will
ich eine Geschichte erzählen, die die Gemüths-
beschaffenheit der Tatarn gegen die Türken
deutlich zu erkennen giebt, und davon ich
einiges selbst mit Augen angesehen habe. Als
mein Vater Constantin Kantemir in Moldau
regierete: so stund der Seräskjer oder Feld-
herr des türkischen Kriegsheeres, Ajnadschi
Sülejman Pascha (der nachgehends oberster
Weßir wurde) zu Babadagi, einer Stadt in
Mysien, sechszig Meilen* jenseits der Donau
gelegen, da er indessen die europäischen Trup-
pen versammelte, und Anstalt machte, die
Festung Kamjenjez, da die Hungersnoth herr-
schete, mit Lebensmitteln zu versehen. Um
nun von dem Zustande der Festung und des
Lagers Johanns des III, Königs in Polen,
Nachricht einzuziehen, schickte derselbe einen
[Spaltenumbruch]
Brief an meinen Vater, durch Ismäil Aga
(einen von seinen Kriegsbefehlhabern, Agaler
genennet), darinnen er ihm befahl, den
Ueberbringer sicher nach Kamjenjez begleiten
und zu Karaman Pascha führen zu lassen,
der über die Besatzung dieser Festung die Be-
fehlhabung hatte. Mein Vater giebt ihm
ein Geleit von Soldaten mit: er kommt auch
glücklich in die Festung, und lässet daselbst
unsere Leute von sich, in der Meinung, mit
einigen Soldaten aus Kamjenjez wieder zu-
rück zu kehren. Nachdem er nun von dem-
jenigen, was ihm anbefohlen war, Nachricht
eingezogen hat: so reiset er mit zehen türki-
schen Soldaten wieder ab. Als er mit ihnen
nach Stephanesti kommt, einer Stadt in der
Moldau, an dem Ufer des Pruts gelegen: so
begegnet ihm eine Ordi Tatarn, die nach Po-
len auf Beute ausgehen. Diese fraget er,
wer ihr Anführer sey, wünschet ihnen einen
glücklichen Streif, und setzet seine Reise fort.
Gleich hierauf wird er gewahr, daß ungefähr
funfzig Tatarn sporenstreichs auf ihn zu ge-
jaget kommen, eben als wenn sie vergessen
hätten, sich bey ihm nach etwas zu erkundi-
gen. Die Türken, die sich vor den Tatarn,
als ihren Bundesgenossen, gar nicht fürchten,
halten zu ihrem Unglücke still, und warten
bis sie kommen. So bald die Tatarn die-

Dabey
* Sabi heißet einen Abgefallenen von der wahren Religion. Man benennet ein Volk mit diesem Na-
men,
* 15 deutsche Meilen.

Osmaniſche Geſchichte
liche Wege und enge Paͤſſe die Feinde zu verfolgen, die nicht ſo voͤllig zu Grunde
gerichtet waren, daß ſie nicht noch einen friſchen Angriff haͤtten wagen koͤnnen.
Nachdem er alſo zum Abzuge hatte blaſen laſſen: ſo pluͤnderte er das Lager,
darinnen er die unbeſchreiblichen Schaͤtze und koſtbare Feldruͤſtung Ismaͤil
Schahs fand. Hierauf erklaͤrete er Piri Paſcha (der der Angeber der Schlacht
geweſen war) zum Weßire, und ließ oͤffentlich ausrufen: man ſollte von den
Gefangenen keinen Niſa noch Sabier* behalten, ſondern ſie alle loslaſſen.
[Spaltenumbruch]
13 Suͤnni] So nennen die Tuͤrken ſich
ſelbſt und die uͤbrigen Muͤſuͤlmanen, im Ge-
genſatze der Perſer und anderer Ketzer. Sie
halten es fuͤr unrecht, die Suͤnni als Slawen
zu behalten, ob ſie gleich im Kriege gefangen
worden ſind. Wenn es Aufruͤhrer ſind; ſo
werden ſie am Leben geſtrafet: wo aber dieſes
nicht iſt; da muß man ſie wieder loslaſſen.
Dieſes iſt zwar ein unverbruͤchliches Geſetz
bey den Tuͤrken: bey den Tatarn aber, wenn
ſie gleich muhaͤmmediſcher Religion ſind, wird
es nicht gehalten. Dieſes zu beſtaͤtigen, will
ich eine Geſchichte erzaͤhlen, die die Gemuͤths-
beſchaffenheit der Tatarn gegen die Tuͤrken
deutlich zu erkennen giebt, und davon ich
einiges ſelbſt mit Augen angeſehen habe. Als
mein Vater Conſtantin Kantemir in Moldau
regierete: ſo ſtund der Seraͤskjer oder Feld-
herr des tuͤrkiſchen Kriegsheeres, Ajnadſchi
Suͤlejman Paſcha (der nachgehends oberſter
Weßir wurde) zu Babadagi, einer Stadt in
Myſien, ſechszig Meilen* jenſeits der Donau
gelegen, da er indeſſen die europaͤiſchen Trup-
pen verſammelte, und Anſtalt machte, die
Feſtung Kamjenjez, da die Hungersnoth herr-
ſchete, mit Lebensmitteln zu verſehen. Um
nun von dem Zuſtande der Feſtung und des
Lagers Johanns des III‚ Koͤnigs in Polen,
Nachricht einzuziehen, ſchickte derſelbe einen
[Spaltenumbruch]
Brief an meinen Vater, durch Ismaͤil Aga
(einen von ſeinen Kriegsbefehlhabern, Agaler
genennet), darinnen er ihm befahl, den
Ueberbringer ſicher nach Kamjenjez begleiten
und zu Karaman Paſcha fuͤhren zu laſſen,
der uͤber die Beſatzung dieſer Feſtung die Be-
fehlhabung hatte. Mein Vater giebt ihm
ein Geleit von Soldaten mit: er kommt auch
gluͤcklich in die Feſtung, und laͤſſet daſelbſt
unſere Leute von ſich, in der Meinung, mit
einigen Soldaten aus Kamjenjez wieder zu-
ruͤck zu kehren. Nachdem er nun von dem-
jenigen, was ihm anbefohlen war, Nachricht
eingezogen hat: ſo reiſet er mit zehen tuͤrki-
ſchen Soldaten wieder ab. Als er mit ihnen
nach Stephaneſti kommt, einer Stadt in der
Moldau, an dem Ufer des Pruts gelegen: ſo
begegnet ihm eine Ordi Tatarn, die nach Po-
len auf Beute ausgehen. Dieſe fraget er,
wer ihr Anfuͤhrer ſey, wuͤnſchet ihnen einen
gluͤcklichen Streif, und ſetzet ſeine Reiſe fort.
Gleich hierauf wird er gewahr, daß ungefaͤhr
funfzig Tatarn ſporenſtreichs auf ihn zu ge-
jaget kommen, eben als wenn ſie vergeſſen
haͤtten, ſich bey ihm nach etwas zu erkundi-
gen. Die Tuͤrken, die ſich vor den Tatarn,
als ihren Bundesgenoſſen, gar nicht fuͤrchten,
halten zu ihrem Ungluͤcke ſtill, und warten
bis ſie kommen. So bald die Tatarn die-

Dabey
* Sabi heißet einen Abgefallenen von der wahren Religion. Man benennet ein Volk mit dieſem Na-
men,
* 15 deutſche Meilen.
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[222/0310] Osmaniſche Geſchichte liche Wege und enge Paͤſſe die Feinde zu verfolgen, die nicht ſo voͤllig zu Grunde gerichtet waren, daß ſie nicht noch einen friſchen Angriff haͤtten wagen koͤnnen. Nachdem er alſo zum Abzuge hatte blaſen laſſen: ſo pluͤnderte er das Lager, darinnen er die unbeſchreiblichen Schaͤtze und koſtbare Feldruͤſtung Ismaͤil Schahs fand. Hierauf erklaͤrete er Piri Paſcha (der der Angeber der Schlacht geweſen war) zum Weßire, und ließ oͤffentlich ausrufen: man ſollte von den Gefangenen keinen Niſa noch Sabier * behalten, ſondern ſie alle loslaſſen. Dabey ¹³ Suͤnni] So nennen die Tuͤrken ſich ſelbſt und die uͤbrigen Muͤſuͤlmanen, im Ge- genſatze der Perſer und anderer Ketzer. Sie halten es fuͤr unrecht, die Suͤnni als Slawen zu behalten, ob ſie gleich im Kriege gefangen worden ſind. Wenn es Aufruͤhrer ſind; ſo werden ſie am Leben geſtrafet: wo aber dieſes nicht iſt; da muß man ſie wieder loslaſſen. Dieſes iſt zwar ein unverbruͤchliches Geſetz bey den Tuͤrken: bey den Tatarn aber, wenn ſie gleich muhaͤmmediſcher Religion ſind, wird es nicht gehalten. Dieſes zu beſtaͤtigen, will ich eine Geſchichte erzaͤhlen, die die Gemuͤths- beſchaffenheit der Tatarn gegen die Tuͤrken deutlich zu erkennen giebt, und davon ich einiges ſelbſt mit Augen angeſehen habe. Als mein Vater Conſtantin Kantemir in Moldau regierete: ſo ſtund der Seraͤskjer oder Feld- herr des tuͤrkiſchen Kriegsheeres, Ajnadſchi Suͤlejman Paſcha (der nachgehends oberſter Weßir wurde) zu Babadagi, einer Stadt in Myſien, ſechszig Meilen * jenſeits der Donau gelegen, da er indeſſen die europaͤiſchen Trup- pen verſammelte, und Anſtalt machte, die Feſtung Kamjenjez, da die Hungersnoth herr- ſchete, mit Lebensmitteln zu verſehen. Um nun von dem Zuſtande der Feſtung und des Lagers Johanns des III‚ Koͤnigs in Polen, Nachricht einzuziehen, ſchickte derſelbe einen Brief an meinen Vater, durch Ismaͤil Aga (einen von ſeinen Kriegsbefehlhabern, Agaler genennet), darinnen er ihm befahl, den Ueberbringer ſicher nach Kamjenjez begleiten und zu Karaman Paſcha fuͤhren zu laſſen, der uͤber die Beſatzung dieſer Feſtung die Be- fehlhabung hatte. Mein Vater giebt ihm ein Geleit von Soldaten mit: er kommt auch gluͤcklich in die Feſtung, und laͤſſet daſelbſt unſere Leute von ſich, in der Meinung, mit einigen Soldaten aus Kamjenjez wieder zu- ruͤck zu kehren. Nachdem er nun von dem- jenigen, was ihm anbefohlen war, Nachricht eingezogen hat: ſo reiſet er mit zehen tuͤrki- ſchen Soldaten wieder ab. Als er mit ihnen nach Stephaneſti kommt, einer Stadt in der Moldau, an dem Ufer des Pruts gelegen: ſo begegnet ihm eine Ordi Tatarn, die nach Po- len auf Beute ausgehen. Dieſe fraget er, wer ihr Anfuͤhrer ſey, wuͤnſchet ihnen einen gluͤcklichen Streif, und ſetzet ſeine Reiſe fort. Gleich hierauf wird er gewahr, daß ungefaͤhr funfzig Tatarn ſporenſtreichs auf ihn zu ge- jaget kommen, eben als wenn ſie vergeſſen haͤtten, ſich bey ihm nach etwas zu erkundi- gen. Die Tuͤrken, die ſich vor den Tatarn, als ihren Bundesgenoſſen, gar nicht fuͤrchten, halten zu ihrem Ungluͤcke ſtill, und warten bis ſie kommen. So bald die Tatarn die- ſelben * Sabi heißet einen Abgefallenen von der wahren Religion. Man benennet ein Volk mit dieſem Na- men, * 15 deutſche Meilen.

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/310>, abgerufen am 22.11.2024.