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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
länglichen Truppen versehen war: so konnte er den Aufstand, der bereits so tief
eingerissen war, nicht dämpfen. Kälenderbegj 20, Hadschi Bekjtasches Sohn,
das Haupt der Aufrührer, schlug alle Anerbietung aus, und wollte sich nicht
bewegen lassen, sich zu unterwerfen. Die Hartnäckigkeit desselben nun zu be-
zwingen, sendete Sülejman den Weßir Ibrahim Pascha mit einem genugsamen
Kriegesheere nach Asien. Dieser trifft Kälenderbegj an, nicht weit von Käj-
sarije (denn so weit war derselbe bereits eingedrungen), greifet ihn herzhaft an,
schläget denselben nach einem blutigen Treffen, indem die Räuber für ihr Leben
tapfer fechten, und erleget über dreyßig tausend seiner Leute.

Ein Türk wird
ums Leben ge-
bracht, weil er
die christliche
Religion ver-theidiget.
12.

Das nächstfolgende Jahr hob sich mit Religionsunruhen an.
Nämlich, es stund zu Constantinopel einer, Namens Kabißi Aedschem, auf,
ein Mann von großer Gelehrtheit unter den Türken, der in dem Gesetze und
in mancherley Wissenschaften wohl geübet war. Dieser bemühete sich nicht allein
H. 934.



J. C. 1527.insgeheim in Schulen, sondern auch öffentlich in seinen Reden in den Dschami,
die Leute zu überreden, daß die christliche Lehre auf festerem Grunde beruhete,
als die muhämmedische. Eine so unvermuthete Meinung eines Mannes, der
so viel Einsicht hatte, als er, mußte nothwendig sowol seine Mitbrüder, als das
[Spaltenumbruch]
20 Kälenderbegj] Wer Hadschi Bekj-
tasch gewesen sey, ist unbekannt. Von des-
sen Sohne aber, Kälenderbegj, gestehen die
Türken selbst, daß er die osmanische Macht
so weit herunter gebracht habe, daß es ge-
schienen, als wenn das Reich auf dem äußer-
sten Sprunge seines Untergangs wäre. Denn
das ganze türkische Gebiet in Asien bis nach
Cäsaria wurde auf einmal von ihm bezwun-
gen, und erkennete ihn für seinen Oberherrn.
Allein, das blinde Glück der Osmanen war
geschickt, auch die allerscharfsichtigsten Krie-
ger zu Grunde zu richten. Wie wunder-
bar sind doch die geheimen Wege der Vorse-
hung!
21 Selims Tempel] Er stehet auf dem-
jenigen Berge, der über das Thor Phenar
herüber raget. Zieraten und Kunst leuchten
[Spaltenumbruch]
an demselben dergestalt hervor, daß es Dä-
dals Söhnen* nicht anders als angenehm
seyn würde, wenn man die Verhältnisse der-
selben beschriebe. Er ist viereckig, und von
gehauenen Steinen gebauet: die Länge der
Seite ist funfzig, und die Höhe siebenzig El-
len. Die Decke hält denselben Raum in sich,
als der Boden. Es gehen keine Schwib-
bögen aus den Ecken; sondern das Gewölbe
bieget sich von den Wänden selbst allmählich
in die Ründe, auf die Art, daß aus der Spitze
der Winkel ein Zirkelbogen gezogen ist, der
beynahe bleyrecht laufet2*. Zu diesem weit-
läuftigen Gebäude ist, wie man saget, nicht
das geringste Eisen verbraucht worden; wel-
ches zu verwundern ist. Der Baumeister
dabey war ein Grieche von Constantinopel,
der außer diesem noch einen andern und herr-
lichern Tempel zu Adrianopel gebauet hat,

gemeine
* den Baumeistern und Künstlern.
2* das ist, es ist ein einfaches, und kein zusammengesetz-
tes, elliptisches Kreuzgewölbe.

Osmaniſche Geſchichte
laͤnglichen Truppen verſehen war: ſo konnte er den Aufſtand, der bereits ſo tief
eingeriſſen war, nicht daͤmpfen. Kaͤlenderbegj 20, Hadſchi Bekjtaſches Sohn,
das Haupt der Aufruͤhrer, ſchlug alle Anerbietung aus, und wollte ſich nicht
bewegen laſſen, ſich zu unterwerfen. Die Hartnaͤckigkeit deſſelben nun zu be-
zwingen, ſendete Suͤlejman den Weßir Ibrahim Paſcha mit einem genugſamen
Kriegesheere nach Aſien. Dieſer trifft Kaͤlenderbegj an, nicht weit von Kaͤj-
ſarije (denn ſo weit war derſelbe bereits eingedrungen), greifet ihn herzhaft an,
ſchlaͤget denſelben nach einem blutigen Treffen, indem die Raͤuber fuͤr ihr Leben
tapfer fechten, und erleget uͤber dreyßig tauſend ſeiner Leute.

Ein Tuͤrk wird
ums Leben ge-
bracht, weil er
die chriſtliche
Religion ver-theidiget.
12.

Das naͤchſtfolgende Jahr hob ſich mit Religionsunruhen an.
Naͤmlich, es ſtund zu Conſtantinopel einer, Namens Kabißi Aedſchem, auf,
ein Mann von großer Gelehrtheit unter den Tuͤrken, der in dem Geſetze und
in mancherley Wiſſenſchaften wohl geuͤbet war. Dieſer bemuͤhete ſich nicht allein
H. 934.



J. C. 1527.insgeheim in Schulen, ſondern auch oͤffentlich in ſeinen Reden in den Dſchami,
die Leute zu uͤberreden, daß die chriſtliche Lehre auf feſterem Grunde beruhete,
als die muhaͤmmediſche. Eine ſo unvermuthete Meinung eines Mannes, der
ſo viel Einſicht hatte, als er, mußte nothwendig ſowol ſeine Mitbruͤder, als das
[Spaltenumbruch]
20 Kaͤlenderbegj] Wer Hadſchi Bekj-
taſch geweſen ſey, iſt unbekannt. Von deſ-
ſen Sohne aber, Kaͤlenderbegj, geſtehen die
Tuͤrken ſelbſt, daß er die osmaniſche Macht
ſo weit herunter gebracht habe, daß es ge-
ſchienen, als wenn das Reich auf dem aͤußer-
ſten Sprunge ſeines Untergangs waͤre. Denn
das ganze tuͤrkiſche Gebiet in Aſien bis nach
Caͤſaria wurde auf einmal von ihm bezwun-
gen, und erkennete ihn fuͤr ſeinen Oberherrn.
Allein, das blinde Gluͤck der Osmanen war
geſchickt, auch die allerſcharfſichtigſten Krie-
ger zu Grunde zu richten. Wie wunder-
bar ſind doch die geheimen Wege der Vorſe-
hung!
21 Selims Tempel] Er ſtehet auf dem-
jenigen Berge, der uͤber das Thor Phenar
heruͤber raget. Zieraten und Kunſt leuchten
[Spaltenumbruch]
an demſelben dergeſtalt hervor, daß es Daͤ-
dals Soͤhnen* nicht anders als angenehm
ſeyn wuͤrde, wenn man die Verhaͤltniſſe der-
ſelben beſchriebe. Er iſt viereckig, und von
gehauenen Steinen gebauet: die Laͤnge der
Seite iſt funfzig, und die Hoͤhe ſiebenzig El-
len. Die Decke haͤlt denſelben Raum in ſich,
als der Boden. Es gehen keine Schwib-
boͤgen aus den Ecken; ſondern das Gewoͤlbe
bieget ſich von den Waͤnden ſelbſt allmaͤhlich
in die Ruͤnde, auf die Art, daß aus der Spitze
der Winkel ein Zirkelbogen gezogen iſt, der
beynahe bleyrecht laufet2*. Zu dieſem weit-
laͤuftigen Gebaͤude iſt, wie man ſaget, nicht
das geringſte Eiſen verbraucht worden; wel-
ches zu verwundern iſt. Der Baumeiſter
dabey war ein Grieche von Conſtantinopel,
der außer dieſem noch einen andern und herr-
lichern Tempel zu Adrianopel gebauet hat,

gemeine
* den Baumeiſtern und Kuͤnſtlern.
2* das iſt, es iſt ein einfaches, und kein zuſammengeſetz-
tes, elliptiſches Kreuzgewoͤlbe.
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[272/0362] Osmaniſche Geſchichte laͤnglichen Truppen verſehen war: ſo konnte er den Aufſtand, der bereits ſo tief eingeriſſen war, nicht daͤmpfen. Kaͤlenderbegj ²⁰ , Hadſchi Bekjtaſches Sohn, das Haupt der Aufruͤhrer, ſchlug alle Anerbietung aus, und wollte ſich nicht bewegen laſſen, ſich zu unterwerfen. Die Hartnaͤckigkeit deſſelben nun zu be- zwingen, ſendete Suͤlejman den Weßir Ibrahim Paſcha mit einem genugſamen Kriegesheere nach Aſien. Dieſer trifft Kaͤlenderbegj an, nicht weit von Kaͤj- ſarije (denn ſo weit war derſelbe bereits eingedrungen), greifet ihn herzhaft an, ſchlaͤget denſelben nach einem blutigen Treffen, indem die Raͤuber fuͤr ihr Leben tapfer fechten, und erleget uͤber dreyßig tauſend ſeiner Leute. 12. Das naͤchſtfolgende Jahr hob ſich mit Religionsunruhen an. Naͤmlich, es ſtund zu Conſtantinopel einer, Namens Kabißi Aedſchem, auf, ein Mann von großer Gelehrtheit unter den Tuͤrken, der in dem Geſetze und in mancherley Wiſſenſchaften wohl geuͤbet war. Dieſer bemuͤhete ſich nicht allein insgeheim in Schulen, ſondern auch oͤffentlich in ſeinen Reden in den Dſchami, die Leute zu uͤberreden, daß die chriſtliche Lehre auf feſterem Grunde beruhete, als die muhaͤmmediſche. Eine ſo unvermuthete Meinung eines Mannes, der ſo viel Einſicht hatte, als er, mußte nothwendig ſowol ſeine Mitbruͤder, als das gemeine ²⁰ Kaͤlenderbegj] Wer Hadſchi Bekj- taſch geweſen ſey, iſt unbekannt. Von deſ- ſen Sohne aber, Kaͤlenderbegj, geſtehen die Tuͤrken ſelbſt, daß er die osmaniſche Macht ſo weit herunter gebracht habe, daß es ge- ſchienen, als wenn das Reich auf dem aͤußer- ſten Sprunge ſeines Untergangs waͤre. Denn das ganze tuͤrkiſche Gebiet in Aſien bis nach Caͤſaria wurde auf einmal von ihm bezwun- gen, und erkennete ihn fuͤr ſeinen Oberherrn. Allein, das blinde Gluͤck der Osmanen war geſchickt, auch die allerſcharfſichtigſten Krie- ger zu Grunde zu richten. Wie wunder- bar ſind doch die geheimen Wege der Vorſe- hung! ²¹ Selims Tempel] Er ſtehet auf dem- jenigen Berge, der uͤber das Thor Phenar heruͤber raget. Zieraten und Kunſt leuchten an demſelben dergeſtalt hervor, daß es Daͤ- dals Soͤhnen * nicht anders als angenehm ſeyn wuͤrde, wenn man die Verhaͤltniſſe der- ſelben beſchriebe. Er iſt viereckig, und von gehauenen Steinen gebauet: die Laͤnge der Seite iſt funfzig, und die Hoͤhe ſiebenzig El- len. Die Decke haͤlt denſelben Raum in ſich, als der Boden. Es gehen keine Schwib- boͤgen aus den Ecken; ſondern das Gewoͤlbe bieget ſich von den Waͤnden ſelbſt allmaͤhlich in die Ruͤnde, auf die Art, daß aus der Spitze der Winkel ein Zirkelbogen gezogen iſt, der beynahe bleyrecht laufet 2*. Zu dieſem weit- laͤuftigen Gebaͤude iſt, wie man ſaget, nicht das geringſte Eiſen verbraucht worden; wel- ches zu verwundern iſt. Der Baumeiſter dabey war ein Grieche von Conſtantinopel, der außer dieſem noch einen andern und herr- lichern Tempel zu Adrianopel gebauet hat, daran H. 934. J. C. 1527. * den Baumeiſtern und Kuͤnſtlern. 2* das iſt, es iſt ein einfaches, und kein zuſammengeſetz- tes, elliptiſches Kreuzgewoͤlbe.

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/362>, abgerufen am 22.11.2024.