Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

Bild:
<< vorherige Seite

Osmanische Geschichte
und fruchtlose Widersetzung sich in die Gefahr begeben, zu Gefangenen gemacht
zu werden.

Der Sultan er-
kläret Teökeöli
zum Könige vonUngarn.
48.

Die Türken schöpften aus diesem Anfange die Gedanken, der Krieg
würde glücklich von statten gehen, und hielten daher keine weitere Maße; son-
dern ließen durch den Pascha von Ofen Teökeöli zum Könige von Ungarn er-
klären, und ermahneten alle Edelleute des Königreiches, die dem Kaiser von
Deutschland noch treu geblieben waren, sich ihrem neuen Oberherrn zu unter-
werfen. Sie griffen auch das Eyland Schütt an, wiewol nicht mit dem
gehofften Erfolge. Mittlerweile hielte der Weßir den kaiserlichen Abgesandten
mit der falschen Hoffnung des Friedens auf, in der Absicht, die Zurüstungen
des Feindes zum Widerstande dadurch zu verzögern.

Die Türken bie-
ten unmögliche
Friedensbedin-gungen an.
49.

Endlich, als derselbe von dem Fortgange der teökeölischen Waffen
Versicherung erhielte: so ließ er Caprara zu sich rufen, und gab demselben zu
erkennen; der Sultan würde dem Kaiser den Frieden auf keine andere Bedin-
gungen zugestehen, als auf folgende: daß er Ungarn wieder in den Stand setzte,
in dem es im Jahre 1067 gewesen sey; daß er einen jährlichen Tribut von fünf-
mal hundert tausend Gulden an die osmanische Pforte bezahlete; daß er Leo-
poldstadt und Gutta schleifen ließe; daß er auf Neutraschinta und Ekolt, im-
gleichen das Eyland Schütt, Verzicht thäte, und die Festung Muran an Teö-
keöli abträte; und daß er den Ungarn eine allgemeine Vergebung, nebst der
Wiedererstattung ihrer Güter und Freyheiten, verliehe. Als er nun befand,
daß diese Bedingungen dem Kaiser nicht anstunden: so erklärete er sogleich den
H. 1093.



J. C. 1682.Krieg gegen denselben, und ließ im Monate Schewwal des Jahres 1093 die
Roßschweife öffentlich vor dem Palaste aufstecken.

Der Weßir reiset
mit einem
Kriegsheere von
Constantinopelab.
50.

Wenige Tage hernach reisete der Weßir mit großem Gepränge von
Constantinopel ab, in Begleitung des Müfti, der Kaßijüläskjer und aller Gro-
ßen, und begab sich nach Adrianopel, da er beschlossen hatte, den Winter zuzu-
bringen, und sich auf den Feldzug gegen die Deutschen zuzuschicken. Er schlug
sein Lager auf ungefähr eine Meile* von Constantinopel, auf einem Platze,
[Spaltenumbruch]

40 Tschirpidschi Tschairi*] Eine sehr
große Wiese, außerhalb der Mauren von Con-
stantinopel, nicht weit von Dawud Pascha.
Sie führet diesen Namen daher, weil die rus-
[Spaltenumbruch]
sischen alten Weiber ihr leinenes Zeug in dem
Flusse, der mitten hindurch fließet, zu wa-
schen, und es hernach auf dem Grase zu trock-
nen pflegen.

Tschir-
* eine halbe Stunde Weges.
* auf deutsch, das Bleichfeld.

Osmaniſche Geſchichte
und fruchtloſe Widerſetzung ſich in die Gefahr begeben, zu Gefangenen gemacht
zu werden.

Der Sultan er-
klaͤret Teoͤkeoͤli
zum Koͤnige vonUngarn.
48.

Die Tuͤrken ſchoͤpften aus dieſem Anfange die Gedanken, der Krieg
wuͤrde gluͤcklich von ſtatten gehen, und hielten daher keine weitere Maße; ſon-
dern ließen durch den Paſcha von Ofen Teoͤkeoͤli zum Koͤnige von Ungarn er-
klaͤren, und ermahneten alle Edelleute des Koͤnigreiches, die dem Kaiſer von
Deutſchland noch treu geblieben waren, ſich ihrem neuen Oberherrn zu unter-
werfen. Sie griffen auch das Eyland Schuͤtt an, wiewol nicht mit dem
gehofften Erfolge. Mittlerweile hielte der Weßir den kaiſerlichen Abgeſandten
mit der falſchen Hoffnung des Friedens auf, in der Abſicht, die Zuruͤſtungen
des Feindes zum Widerſtande dadurch zu verzoͤgern.

Die Tuͤrken bie-
ten unmoͤgliche
Friedensbedin-gungen an.
49.

Endlich, als derſelbe von dem Fortgange der teoͤkeoͤliſchen Waffen
Verſicherung erhielte: ſo ließ er Caprara zu ſich rufen, und gab demſelben zu
erkennen; der Sultan wuͤrde dem Kaiſer den Frieden auf keine andere Bedin-
gungen zugeſtehen, als auf folgende: daß er Ungarn wieder in den Stand ſetzte,
in dem es im Jahre 1067 geweſen ſey; daß er einen jaͤhrlichen Tribut von fuͤnf-
mal hundert tauſend Gulden an die osmaniſche Pforte bezahlete; daß er Leo-
poldſtadt und Gutta ſchleifen ließe; daß er auf Neutraſchinta und Ekolt, im-
gleichen das Eyland Schuͤtt, Verzicht thaͤte, und die Feſtung Muran an Teoͤ-
keoͤli abtraͤte; und daß er den Ungarn eine allgemeine Vergebung, nebſt der
Wiedererſtattung ihrer Guͤter und Freyheiten, verliehe. Als er nun befand,
daß dieſe Bedingungen dem Kaiſer nicht anſtunden: ſo erklaͤrete er ſogleich den
H. 1093.



J. C. 1682.Krieg gegen denſelben, und ließ im Monate Schewwal des Jahres 1093 die
Roßſchweife oͤffentlich vor dem Palaſte aufſtecken.

Der Weßir reiſet
mit einem
Kriegsheere von
Conſtantinopelab.
50.

Wenige Tage hernach reiſete der Weßir mit großem Gepraͤnge von
Conſtantinopel ab, in Begleitung des Muͤfti, der Kaßijuͤlaͤskjer und aller Gro-
ßen, und begab ſich nach Adrianopel, da er beſchloſſen hatte, den Winter zuzu-
bringen, und ſich auf den Feldzug gegen die Deutſchen zuzuſchicken. Er ſchlug
ſein Lager auf ungefaͤhr eine Meile* von Conſtantinopel, auf einem Platze,
[Spaltenumbruch]

40 Tſchirpidſchi Tſchairi*] Eine ſehr
große Wieſe, außerhalb der Mauren von Con-
ſtantinopel, nicht weit von Dawud Paſcha.
Sie fuͤhret dieſen Namen daher, weil die ruſ-
[Spaltenumbruch]
ſiſchen alten Weiber ihr leinenes Zeug in dem
Fluſſe, der mitten hindurch fließet, zu wa-
ſchen, und es hernach auf dem Graſe zu trock-
nen pflegen.

Tſchir-
* eine halbe Stunde Weges.
* auf deutſch, das Bleichfeld.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0566" n="458"/><fw place="top" type="header">Osmani&#x017F;che Ge&#x017F;chichte</fw><lb/>
und fruchtlo&#x017F;e Wider&#x017F;etzung &#x017F;ich in die Gefahr begeben, zu Gefangenen gemacht<lb/>
zu werden.</p><lb/>
            <note place="left">Der Sultan er-<lb/>
kla&#x0364;ret Teo&#x0364;keo&#x0364;li<lb/>
zum Ko&#x0364;nige vonUngarn.</note>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>48.</head>
            <p>Die Tu&#x0364;rken &#x017F;cho&#x0364;pften aus die&#x017F;em Anfange die Gedanken, der Krieg<lb/>
wu&#x0364;rde glu&#x0364;cklich von &#x017F;tatten gehen, und hielten daher keine weitere Maße; &#x017F;on-<lb/>
dern ließen durch den Pa&#x017F;cha von Ofen Teo&#x0364;keo&#x0364;li zum Ko&#x0364;nige von Ungarn er-<lb/>
kla&#x0364;ren, und ermahneten alle Edelleute des Ko&#x0364;nigreiches, die dem Kai&#x017F;er von<lb/>
Deut&#x017F;chland noch treu geblieben waren, &#x017F;ich ihrem neuen Oberherrn zu unter-<lb/>
werfen. Sie griffen auch das Eyland Schu&#x0364;tt an, wiewol nicht mit dem<lb/>
gehofften Erfolge. Mittlerweile hielte der Weßir den kai&#x017F;erlichen Abge&#x017F;andten<lb/>
mit der fal&#x017F;chen Hoffnung des Friedens auf, in der Ab&#x017F;icht, die Zuru&#x0364;&#x017F;tungen<lb/>
des Feindes zum Wider&#x017F;tande dadurch zu verzo&#x0364;gern.</p><lb/>
            <note place="left">Die Tu&#x0364;rken bie-<lb/>
ten unmo&#x0364;gliche<lb/>
Friedensbedin-gungen an.</note>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>49.</head>
            <p>Endlich, als der&#x017F;elbe von dem Fortgange der teo&#x0364;keo&#x0364;li&#x017F;chen Waffen<lb/>
Ver&#x017F;icherung erhielte: &#x017F;o ließ er Caprara zu &#x017F;ich rufen, und gab dem&#x017F;elben zu<lb/>
erkennen; der Sultan wu&#x0364;rde dem Kai&#x017F;er den Frieden auf keine andere Bedin-<lb/>
gungen zuge&#x017F;tehen, als auf folgende: daß er Ungarn wieder in den Stand &#x017F;etzte,<lb/>
in dem es im Jahre 1067 gewe&#x017F;en &#x017F;ey; daß er einen ja&#x0364;hrlichen Tribut von fu&#x0364;nf-<lb/>
mal hundert tau&#x017F;end Gulden an die osmani&#x017F;che Pforte bezahlete; daß er Leo-<lb/>
pold&#x017F;tadt und Gutta &#x017F;chleifen ließe; daß er auf Neutra&#x017F;chinta und Ekolt, im-<lb/>
gleichen das Eyland Schu&#x0364;tt, Verzicht tha&#x0364;te, und die Fe&#x017F;tung Muran an Teo&#x0364;-<lb/>
keo&#x0364;li abtra&#x0364;te; und daß er den Ungarn eine allgemeine Vergebung, neb&#x017F;t der<lb/>
Wiederer&#x017F;tattung ihrer Gu&#x0364;ter und Freyheiten, verliehe. Als er nun befand,<lb/>
daß die&#x017F;e Bedingungen dem Kai&#x017F;er nicht an&#x017F;tunden: &#x017F;o erkla&#x0364;rete er &#x017F;ogleich den<lb/><note place="left">H. 1093.<lb/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
J. C. 1682.</note>Krieg gegen den&#x017F;elben, und ließ im Monate Schewwal des Jahres 1093 die<lb/>
Roß&#x017F;chweife o&#x0364;ffentlich vor dem Pala&#x017F;te auf&#x017F;tecken.</p><lb/>
            <note place="left">Der Weßir rei&#x017F;et<lb/>
mit einem<lb/>
Kriegsheere von<lb/>
Con&#x017F;tantinopelab.</note>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>50.</head>
            <p>Wenige Tage hernach rei&#x017F;ete der Weßir mit großem Gepra&#x0364;nge von<lb/>
Con&#x017F;tantinopel ab, in Begleitung des Mu&#x0364;fti, der Kaßiju&#x0364;la&#x0364;skjer und aller Gro-<lb/>
ßen, und begab &#x017F;ich nach Adrianopel, da er be&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en hatte, den Winter zuzu-<lb/>
bringen, und &#x017F;ich auf den Feldzug gegen die Deut&#x017F;chen zuzu&#x017F;chicken. Er &#x017F;chlug<lb/>
&#x017F;ein Lager auf ungefa&#x0364;hr eine Meile<note place="foot" n="*">eine halbe Stunde Weges.</note> von Con&#x017F;tantinopel, auf einem Platze,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">T&#x017F;chir-</fw><lb/><cb n="1"/><lb/><note place="end" n="40">T&#x017F;chirpid&#x017F;chi T&#x017F;chairi<note place="foot" n="*">auf deut&#x017F;ch, das Bleichfeld.</note>] Eine &#x017F;ehr<lb/>
große Wie&#x017F;e, außerhalb der Mauren von Con-<lb/>
&#x017F;tantinopel, nicht weit von Dawud Pa&#x017F;cha.<lb/>
Sie fu&#x0364;hret die&#x017F;en Namen daher, weil die ru&#x017F;-<lb/><cb n="2"/><lb/>
&#x017F;i&#x017F;chen alten Weiber ihr leinenes Zeug in dem<lb/>
Flu&#x017F;&#x017F;e, der mitten hindurch fließet, zu wa-<lb/>
&#x017F;chen, und es hernach auf dem Gra&#x017F;e zu trock-<lb/>
nen pflegen.</note><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[458/0566] Osmaniſche Geſchichte und fruchtloſe Widerſetzung ſich in die Gefahr begeben, zu Gefangenen gemacht zu werden. 48. Die Tuͤrken ſchoͤpften aus dieſem Anfange die Gedanken, der Krieg wuͤrde gluͤcklich von ſtatten gehen, und hielten daher keine weitere Maße; ſon- dern ließen durch den Paſcha von Ofen Teoͤkeoͤli zum Koͤnige von Ungarn er- klaͤren, und ermahneten alle Edelleute des Koͤnigreiches, die dem Kaiſer von Deutſchland noch treu geblieben waren, ſich ihrem neuen Oberherrn zu unter- werfen. Sie griffen auch das Eyland Schuͤtt an, wiewol nicht mit dem gehofften Erfolge. Mittlerweile hielte der Weßir den kaiſerlichen Abgeſandten mit der falſchen Hoffnung des Friedens auf, in der Abſicht, die Zuruͤſtungen des Feindes zum Widerſtande dadurch zu verzoͤgern. 49. Endlich, als derſelbe von dem Fortgange der teoͤkeoͤliſchen Waffen Verſicherung erhielte: ſo ließ er Caprara zu ſich rufen, und gab demſelben zu erkennen; der Sultan wuͤrde dem Kaiſer den Frieden auf keine andere Bedin- gungen zugeſtehen, als auf folgende: daß er Ungarn wieder in den Stand ſetzte, in dem es im Jahre 1067 geweſen ſey; daß er einen jaͤhrlichen Tribut von fuͤnf- mal hundert tauſend Gulden an die osmaniſche Pforte bezahlete; daß er Leo- poldſtadt und Gutta ſchleifen ließe; daß er auf Neutraſchinta und Ekolt, im- gleichen das Eyland Schuͤtt, Verzicht thaͤte, und die Feſtung Muran an Teoͤ- keoͤli abtraͤte; und daß er den Ungarn eine allgemeine Vergebung, nebſt der Wiedererſtattung ihrer Guͤter und Freyheiten, verliehe. Als er nun befand, daß dieſe Bedingungen dem Kaiſer nicht anſtunden: ſo erklaͤrete er ſogleich den Krieg gegen denſelben, und ließ im Monate Schewwal des Jahres 1093 die Roßſchweife oͤffentlich vor dem Palaſte aufſtecken. H. 1093. J. C. 1682. 50. Wenige Tage hernach reiſete der Weßir mit großem Gepraͤnge von Conſtantinopel ab, in Begleitung des Muͤfti, der Kaßijuͤlaͤskjer und aller Gro- ßen, und begab ſich nach Adrianopel, da er beſchloſſen hatte, den Winter zuzu- bringen, und ſich auf den Feldzug gegen die Deutſchen zuzuſchicken. Er ſchlug ſein Lager auf ungefaͤhr eine Meile * von Conſtantinopel, auf einem Platze, Tſchir- ⁴⁰ Tſchirpidſchi Tſchairi *] Eine ſehr große Wieſe, außerhalb der Mauren von Con- ſtantinopel, nicht weit von Dawud Paſcha. Sie fuͤhret dieſen Namen daher, weil die ruſ- ſiſchen alten Weiber ihr leinenes Zeug in dem Fluſſe, der mitten hindurch fließet, zu wa- ſchen, und es hernach auf dem Graſe zu trock- nen pflegen. * eine halbe Stunde Weges. * auf deutſch, das Bleichfeld.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/566
Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 458. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/566>, abgerufen am 22.11.2024.