oder wurden gefangen: so daß ihrer sehr wenige davon kamen, um nur ihren Mitbrüdern die Zeitung von dieser Niederlage bringen zu können.
Die Kaiserli- chen nehmenGran ein.
84.
Nach dieser Schlacht machten die Feldherren des siegreichen Heeres Anstalten zu der Belagerung von Gran; änderten aber kurz darauf ihren Ent- schluß, weil sie benachrichtiget wurden, daß der Weßir wieder ein Heer von achtzig tausend Mann zusammengebracht habe, mit dem Vorsatze, durch ein fri- sches Treffen den Schimpf, den er bey Wien erlitten, wieder auszutilgen. Nachdem aber die Falschheit dieses Gerüchtes gar bald entdecket wurde: so grif- fen dieselben am zweyten Tage des Monats Ssülkäde diese Festung nochmals mit solcher Hitze an, daß die Türken in Furcht und Schrecken gesetzt wurden, und der Befehlhaber derselben, Bekjir Pascha, ungeachtet er über vier tausend Mann bey sich in der Stadt hatte, am vierten Tage der Belagerung auf Ver- gleichspunkte einen Platz übergab 57, der vorher einem weit größern Heere wol so viel Monate lang Widerstand gethan hatte.
Der Fürst von Moldau, Petre- tschejkus, fället nebst den Kosa- ken in Baschara-bien ein,
85.
Mittlerweile, da das kaiserliche Heer die Festungen in Ungarn sol- chergestalt wieder unter christliche Botmäßigkeit bringet, wird eben dergleichen in einer andern Gegend versuchet, wiewol nicht mit gleichem Fortgange: näm- lich von dem Fürsten in Moldau, Petretschejkus, der in dem Treffen bey Tscheh- rin von den Türken abfällig geworden und zu den Polen übergegangen war. Nach der Abreise des Königes in Polen zu dem Entsatze von Wien, lässet der- selbe die moldauischen Truppen, welche seiner Partey anhingen, zu dem Feld- herrn der Kosaken, Konizki 58, stoßen, gehet über den Dnjester, und thut durch Moldau einen Einfall in Bascharabien.
und verübet gro- ße Grausamkeitin diesem Lande:
86.
Da er nun das Land von aller Vertheidigung entblößet antraf, in- dem die budschakischen und krimischen Tatarn fast insgesammt bey der Belage- rung von Wien waren gebraucht worden: so ließ er die Kosaken das Lager be- [Spaltenumbruch]
57 übergab] Daher sagte einer ihrer Dichter in einer prophetischen Schreibart von demselben: Tschiktüm Schamüng Kapusin- den, selamladüm Ustürguni, Beligradi, Bü- duni; "Ich gieng zu dem Thore von Da- "maskus aus" (denn die Statthalter- schaft von Damaskus war die erste Ehren- stelle Kara Mustäfa Paschas, der hernach der [Spaltenumbruch] Urheber alles Unglücks des osmanischen Ho- fes geworden ist), "und nahm hierauf von "Gran, Belgrad und Ofen Abschied."
58 Konizki] Er war Hetman über die- jenigen Kosaken zwischen dem Dnjester und Dnjeper, die das polnische Joch noch nicht abgeworfen hatten. Die Polen hatten ihn
wahren,
Osmaniſche Geſchichte
oder wurden gefangen: ſo daß ihrer ſehr wenige davon kamen, um nur ihren Mitbruͤdern die Zeitung von dieſer Niederlage bringen zu koͤnnen.
Die Kaiſerli- chen nehmenGran ein.
84.
Nach dieſer Schlacht machten die Feldherren des ſiegreichen Heeres Anſtalten zu der Belagerung von Gran; aͤnderten aber kurz darauf ihren Ent- ſchluß, weil ſie benachrichtiget wurden, daß der Weßir wieder ein Heer von achtzig tauſend Mann zuſammengebracht habe, mit dem Vorſatze, durch ein fri- ſches Treffen den Schimpf, den er bey Wien erlitten, wieder auszutilgen. Nachdem aber die Falſchheit dieſes Geruͤchtes gar bald entdecket wurde: ſo grif- fen dieſelben am zweyten Tage des Monats Sſuͤlkaͤde dieſe Feſtung nochmals mit ſolcher Hitze an, daß die Tuͤrken in Furcht und Schrecken geſetzt wurden, und der Befehlhaber derſelben, Bekjir Paſcha, ungeachtet er uͤber vier tauſend Mann bey ſich in der Stadt hatte, am vierten Tage der Belagerung auf Ver- gleichspunkte einen Platz uͤbergab 57, der vorher einem weit groͤßern Heere wol ſo viel Monate lang Widerſtand gethan hatte.
Der Fuͤrſt von Moldau, Petre- tſchejkus, faͤllet nebſt den Koſa- ken in Baſchara-bien ein,
85.
Mittlerweile, da das kaiſerliche Heer die Feſtungen in Ungarn ſol- chergeſtalt wieder unter chriſtliche Botmaͤßigkeit bringet, wird eben dergleichen in einer andern Gegend verſuchet, wiewol nicht mit gleichem Fortgange: naͤm- lich von dem Fuͤrſten in Moldau, Petretſchejkus, der in dem Treffen bey Tſcheh- rin von den Tuͤrken abfaͤllig geworden und zu den Polen uͤbergegangen war. Nach der Abreiſe des Koͤniges in Polen zu dem Entſatze von Wien, laͤſſet der- ſelbe die moldauiſchen Truppen, welche ſeiner Partey anhingen, zu dem Feld- herrn der Koſaken, Konizki 58, ſtoßen, gehet uͤber den Dnjeſter, und thut durch Moldau einen Einfall in Baſcharabien.
und veruͤbet gro- ße Grauſamkeitin dieſem Lande:
86.
Da er nun das Land von aller Vertheidigung entbloͤßet antraf, in- dem die budſchakiſchen und krimiſchen Tatarn faſt insgeſammt bey der Belage- rung von Wien waren gebraucht worden: ſo ließ er die Koſaken das Lager be- [Spaltenumbruch]
57 uͤbergab] Daher ſagte einer ihrer Dichter in einer prophetiſchen Schreibart von demſelben: Tſchiktuͤm Schamuͤng Kapuſin- den, ſelamladuͤm Uſtuͤrguni, Beligradi, Buͤ- duni; “Ich gieng zu dem Thore von Da- “maskus aus„ (denn die Statthalter- ſchaft von Damaskus war die erſte Ehren- ſtelle Kara Muſtaͤfa Paſchas, der hernach der [Spaltenumbruch] Urheber alles Ungluͤcks des osmaniſchen Ho- fes geworden iſt), “und nahm hierauf von “Gran, Belgrad und Ofen Abſchied.„
58 Konizki] Er war Hetman uͤber die- jenigen Koſaken zwiſchen dem Dnjeſter und Dnjeper, die das polniſche Joch noch nicht abgeworfen hatten. Die Polen hatten ihn
wahren,
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Osmaniſche Geſchichte
oder wurden gefangen: ſo daß ihrer ſehr wenige davon kamen, um nur ihren
Mitbruͤdern die Zeitung von dieſer Niederlage bringen zu koͤnnen.
84. Nach dieſer Schlacht machten die Feldherren des ſiegreichen Heeres
Anſtalten zu der Belagerung von Gran; aͤnderten aber kurz darauf ihren Ent-
ſchluß, weil ſie benachrichtiget wurden, daß der Weßir wieder ein Heer von
achtzig tauſend Mann zuſammengebracht habe, mit dem Vorſatze, durch ein fri-
ſches Treffen den Schimpf, den er bey Wien erlitten, wieder auszutilgen.
Nachdem aber die Falſchheit dieſes Geruͤchtes gar bald entdecket wurde: ſo grif-
fen dieſelben am zweyten Tage des Monats Sſuͤlkaͤde dieſe Feſtung nochmals
mit ſolcher Hitze an, daß die Tuͤrken in Furcht und Schrecken geſetzt wurden,
und der Befehlhaber derſelben, Bekjir Paſcha, ungeachtet er uͤber vier tauſend
Mann bey ſich in der Stadt hatte, am vierten Tage der Belagerung auf Ver-
gleichspunkte einen Platz uͤbergab
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, der vorher einem weit groͤßern Heere wol
ſo viel Monate lang Widerſtand gethan hatte.
85. Mittlerweile, da das kaiſerliche Heer die Feſtungen in Ungarn ſol-
chergeſtalt wieder unter chriſtliche Botmaͤßigkeit bringet, wird eben dergleichen
in einer andern Gegend verſuchet, wiewol nicht mit gleichem Fortgange: naͤm-
lich von dem Fuͤrſten in Moldau, Petretſchejkus, der in dem Treffen bey Tſcheh-
rin von den Tuͤrken abfaͤllig geworden und zu den Polen uͤbergegangen war.
Nach der Abreiſe des Koͤniges in Polen zu dem Entſatze von Wien, laͤſſet der-
ſelbe die moldauiſchen Truppen, welche ſeiner Partey anhingen, zu dem Feld-
herrn der Koſaken, Konizki
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, ſtoßen, gehet uͤber den Dnjeſter, und thut durch
Moldau einen Einfall in Baſcharabien.
86. Da er nun das Land von aller Vertheidigung entbloͤßet antraf, in-
dem die budſchakiſchen und krimiſchen Tatarn faſt insgeſammt bey der Belage-
rung von Wien waren gebraucht worden: ſo ließ er die Koſaken das Lager be-
wahren,
⁵⁷ uͤbergab] Daher ſagte einer ihrer
Dichter in einer prophetiſchen Schreibart von
demſelben: Tſchiktuͤm Schamuͤng Kapuſin-
den, ſelamladuͤm Uſtuͤrguni, Beligradi, Buͤ-
duni; “Ich gieng zu dem Thore von Da-
“maskus aus„ (denn die Statthalter-
ſchaft von Damaskus war die erſte Ehren-
ſtelle Kara Muſtaͤfa Paſchas, der hernach der
Urheber alles Ungluͤcks des osmaniſchen Ho-
fes geworden iſt), “und nahm hierauf von
“Gran, Belgrad und Ofen Abſchied.„
⁵⁸ Konizki] Er war Hetman uͤber die-
jenigen Koſaken zwiſchen dem Dnjeſter und
Dnjeper, die das polniſche Joch noch nicht
abgeworfen hatten. Die Polen hatten ihn
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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 486. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/594>, abgerufen am 22.11.2024.
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