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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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19. Muhämmed der IIII
wahren, zog mit seinen moldauischen Truppen aus, und verherete das Land
ringsherum mit solcher Grausamkeit, daß er weder einiges Alters noch Geschlech-
tes verschonete. Die tatarischen Kinder spießete er lebendig an Pfäle, oder
zerschmetterte ihnen die Köpfe, daß das Gehirn heraus spritzte: da es doch
besser gethan gewesen wäre, wenn er dieselben mit sich weggeführet und in dem
christlichen Glauben erzogen hätte. Die Jungfern ließ er schänden, und her-
nach umbringen; den schwangern Weibern den Bauch aufschneiden, und den
alten Leuten die entsetzlichsten Martern anthun, damit sie ihr Geld und Gut
verrathen sollten: mit einem Worte, er ließ keine Art derjenigen Grausamkeit
und Unmenschlichkeit unverübet, die in den vorigen Zeiten iemals sind ausgefun-
den worden.

87.

Inzwischen, da die Moldauer 59 sich solchergestalt mehr wie Nach-wird hernach von
den Tatarn ge-
schlagen.

richter, als wie Soldaten, in dem Lande aufführen, kommen diejenigen Ta-
tarn, die aus der Schlacht bey Wien entwischet waren, herbey; und da sie sich
gegen den Feind zu schwach befinden: so legen sie sich anfangs an die Grenzen,
und halten sich verborgen. Nachdem sie aber verstärket worden waren: so fal-
len sie die Moldauer, die in dem Lande zerstreuet waren, plötzlich an, und üben
wegen Ermordung ihrer Mitbrüder scharfe Rache gegen dieselben aus. Hier-
auf schließen sie die Kosaken, die in dem Lager geblieben waren, von allen Sei-
ten her ein. Diese getrauen sich nicht, wegen ihrer geringen Anzahl, sich mit
den Türken einzulassen: sondern vertheidigen sich mit einer Wagenburg, und
ziehen allmählich gegen den Fluß Prut zu; in Hoffnung, sie würden sich sol-
chergestalt gegen die Anfälle der Tatarn beschützen können, bis sie ihr Vaterland
erreichet hätten. Weil aber ihre Zahl täglich abnahm, und die Lebensmittel
mangelten: so wurden sie mehr von Hunger und Schnee, als von dem Schwerte
der Feinde, aufgerieben. Auf der Flucht wurden ihrer viele von den Tatarn
erschlagen, und noch mehrere gefangen: so daß von dem ganzen Heere nur we-
nige Mannschaft der Kosaken, nebst Petretschejkus und Konizki, mit genauer
[Spaltenumbruch]

eingesetzet, nachdem Doroschensko und Zirko
zu den Türken und Russen abgefallen waren.
59 die Moldauer] Dieses Verfahren ist
nicht allen Moldauern überhaupt beyzumessen:
denn alle die alten und vornehmsten Baronen
hatten sich, als sie gesehen, daß sie Petre-
tschejkus nicht widerstehen konnten, in die
[Spaltenumbruch]
Gebirge und in die Walachey wegbegeben.
Es wurde aber dieses von einigen der jüngern
begangen, die noch keine Erfahrung hatten,
und sich durch die betrieglichen Versprechen
Petretschejkus und der Polen verführen ließen,
und durch deren Hülfe dieselben, wiewol ver-
gebens, auch die übrigen zu hintergehen trach-
teten.

Noth

19. Muhaͤmmed der IIII
wahren, zog mit ſeinen moldauiſchen Truppen aus, und verherete das Land
ringsherum mit ſolcher Grauſamkeit, daß er weder einiges Alters noch Geſchlech-
tes verſchonete. Die tatariſchen Kinder ſpießete er lebendig an Pfaͤle, oder
zerſchmetterte ihnen die Koͤpfe, daß das Gehirn heraus ſpritzte: da es doch
beſſer gethan geweſen waͤre, wenn er dieſelben mit ſich weggefuͤhret und in dem
chriſtlichen Glauben erzogen haͤtte. Die Jungfern ließ er ſchaͤnden, und her-
nach umbringen; den ſchwangern Weibern den Bauch aufſchneiden, und den
alten Leuten die entſetzlichſten Martern anthun, damit ſie ihr Geld und Gut
verrathen ſollten: mit einem Worte, er ließ keine Art derjenigen Grauſamkeit
und Unmenſchlichkeit unveruͤbet, die in den vorigen Zeiten iemals ſind ausgefun-
den worden.

87.

Inzwiſchen, da die Moldauer 59 ſich ſolchergeſtalt mehr wie Nach-wird hernach von
den Tatarn ge-
ſchlagen.

richter, als wie Soldaten, in dem Lande auffuͤhren, kommen diejenigen Ta-
tarn, die aus der Schlacht bey Wien entwiſchet waren, herbey; und da ſie ſich
gegen den Feind zu ſchwach befinden: ſo legen ſie ſich anfangs an die Grenzen,
und halten ſich verborgen. Nachdem ſie aber verſtaͤrket worden waren: ſo fal-
len ſie die Moldauer, die in dem Lande zerſtreuet waren, ploͤtzlich an, und uͤben
wegen Ermordung ihrer Mitbruͤder ſcharfe Rache gegen dieſelben aus. Hier-
auf ſchließen ſie die Koſaken, die in dem Lager geblieben waren, von allen Sei-
ten her ein. Dieſe getrauen ſich nicht, wegen ihrer geringen Anzahl, ſich mit
den Tuͤrken einzulaſſen: ſondern vertheidigen ſich mit einer Wagenburg, und
ziehen allmaͤhlich gegen den Fluß Prut zu; in Hoffnung, ſie wuͤrden ſich ſol-
chergeſtalt gegen die Anfaͤlle der Tatarn beſchuͤtzen koͤnnen, bis ſie ihr Vaterland
erreichet haͤtten. Weil aber ihre Zahl taͤglich abnahm, und die Lebensmittel
mangelten: ſo wurden ſie mehr von Hunger und Schnee, als von dem Schwerte
der Feinde, aufgerieben. Auf der Flucht wurden ihrer viele von den Tatarn
erſchlagen, und noch mehrere gefangen: ſo daß von dem ganzen Heere nur we-
nige Mannſchaft der Koſaken, nebſt Petretſchejkus und Konizki, mit genauer
[Spaltenumbruch]

eingeſetzet, nachdem Doroſchenſko und Zirko
zu den Tuͤrken und Ruſſen abgefallen waren.
59 die Moldauer] Dieſes Verfahren iſt
nicht allen Moldauern uͤberhaupt beyzumeſſen:
denn alle die alten und vornehmſten Baronen
hatten ſich, als ſie geſehen, daß ſie Petre-
tſchejkus nicht widerſtehen konnten, in die
[Spaltenumbruch]
Gebirge und in die Walachey wegbegeben.
Es wurde aber dieſes von einigen der juͤngern
begangen, die noch keine Erfahrung hatten,
und ſich durch die betrieglichen Verſprechen
Petretſchejkus und der Polen verfuͤhren ließen,
und durch deren Huͤlfe dieſelben, wiewol ver-
gebens, auch die uͤbrigen zu hintergehen trach-
teten.

Noth
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[487/0595] 19. Muhaͤmmed der IIII wahren, zog mit ſeinen moldauiſchen Truppen aus, und verherete das Land ringsherum mit ſolcher Grauſamkeit, daß er weder einiges Alters noch Geſchlech- tes verſchonete. Die tatariſchen Kinder ſpießete er lebendig an Pfaͤle, oder zerſchmetterte ihnen die Koͤpfe, daß das Gehirn heraus ſpritzte: da es doch beſſer gethan geweſen waͤre, wenn er dieſelben mit ſich weggefuͤhret und in dem chriſtlichen Glauben erzogen haͤtte. Die Jungfern ließ er ſchaͤnden, und her- nach umbringen; den ſchwangern Weibern den Bauch aufſchneiden, und den alten Leuten die entſetzlichſten Martern anthun, damit ſie ihr Geld und Gut verrathen ſollten: mit einem Worte, er ließ keine Art derjenigen Grauſamkeit und Unmenſchlichkeit unveruͤbet, die in den vorigen Zeiten iemals ſind ausgefun- den worden. 87. Inzwiſchen, da die Moldauer ⁵⁹ ſich ſolchergeſtalt mehr wie Nach- richter, als wie Soldaten, in dem Lande auffuͤhren, kommen diejenigen Ta- tarn, die aus der Schlacht bey Wien entwiſchet waren, herbey; und da ſie ſich gegen den Feind zu ſchwach befinden: ſo legen ſie ſich anfangs an die Grenzen, und halten ſich verborgen. Nachdem ſie aber verſtaͤrket worden waren: ſo fal- len ſie die Moldauer, die in dem Lande zerſtreuet waren, ploͤtzlich an, und uͤben wegen Ermordung ihrer Mitbruͤder ſcharfe Rache gegen dieſelben aus. Hier- auf ſchließen ſie die Koſaken, die in dem Lager geblieben waren, von allen Sei- ten her ein. Dieſe getrauen ſich nicht, wegen ihrer geringen Anzahl, ſich mit den Tuͤrken einzulaſſen: ſondern vertheidigen ſich mit einer Wagenburg, und ziehen allmaͤhlich gegen den Fluß Prut zu; in Hoffnung, ſie wuͤrden ſich ſol- chergeſtalt gegen die Anfaͤlle der Tatarn beſchuͤtzen koͤnnen, bis ſie ihr Vaterland erreichet haͤtten. Weil aber ihre Zahl taͤglich abnahm, und die Lebensmittel mangelten: ſo wurden ſie mehr von Hunger und Schnee, als von dem Schwerte der Feinde, aufgerieben. Auf der Flucht wurden ihrer viele von den Tatarn erſchlagen, und noch mehrere gefangen: ſo daß von dem ganzen Heere nur we- nige Mannſchaft der Koſaken, nebſt Petretſchejkus und Konizki, mit genauer Noth eingeſetzet, nachdem Doroſchenſko und Zirko zu den Tuͤrken und Ruſſen abgefallen waren. ⁵⁹ die Moldauer] Dieſes Verfahren iſt nicht allen Moldauern uͤberhaupt beyzumeſſen: denn alle die alten und vornehmſten Baronen hatten ſich, als ſie geſehen, daß ſie Petre- tſchejkus nicht widerſtehen konnten, in die Gebirge und in die Walachey wegbegeben. Es wurde aber dieſes von einigen der juͤngern begangen, die noch keine Erfahrung hatten, und ſich durch die betrieglichen Verſprechen Petretſchejkus und der Polen verfuͤhren ließen, und durch deren Huͤlfe dieſelben, wiewol ver- gebens, auch die uͤbrigen zu hintergehen trach- teten. wird hernach von den Tatarn ge- ſchlagen.

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 487. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/595>, abgerufen am 22.11.2024.