Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820.

Bild:
<< vorherige Seite

mus eben so sehr zum Nachtheil gereichen, als das zu frühe
Eintreten der Menstruation in der Kindheit.

II. Von den Regeln der Diätetik während der drei
weiblichen lebensperioden insbesondre.
§. 128.

Je vielfacher die Rücksichten sind, welche bey Bestim-
mung diätetischer Pflege für Schwangere, Gebärende, Wöch-
nerinnen und Stillende genommen werden müssen, um so
weniger bleibt uns hier, wo wir das Weib außer diesen Zu-
ständen betrachten, den oben (§. 111.) aufgestellten allge-
meinen diätetischen Regeln hinzuzusetzen übrig, und es kön-
nen sich diese Zusätze allein auf die Leitung weiblicher Ent-
wicklung, der Menstrualfunktion und des Geschlechtsverhält-
nisses beziehen.

§. 129.

Die individuelle Entwicklung betreffend, so bedenke man
vorzüglich, wie der weibliche Körper, als zärtere und doch
üppigere Pflanze, rascher der Zeit seiner Blüthe entgegengeht,
und wie schon aus dieser Rücksicht jede Lebensweise, welche,
indem sie den Körper vielartigen Reitzungen aussetzt, das
Reifen folglich noch mehr beschleunigt, verderbliche Folgen
herbeyführen müsse. Ist daher irgend etwas ein großes Pal-
ladium schöner und naturgemäßer weiblicher Entfaltung, so
ist es Sittenreinheit. -- Hierauf zunächst sey daher die
Sorgfalt der Erzieher gerichtet! Vermieden werde (und zwar,
bey der Neugier junger Mädchen nach den Geheimnissen des
Geschlechts, doppelt vorsichtig), was psychisch einwirkend die
Phantasie befleckt, was physisch Congestionen nach den Ge-
fäßen der Geschlechtsorgane veranlaßt, als wohin erhitzende
Getränke, stark gewürzte Speisen, Schlafen in dicken Feder-
betten und warmen Stuben, so wie sitzende Lebensweise ge-
hören. -- Der Geschlechtsgenuß selbst vor erschienener Men-
struation ist verderblich. -- Ueberhaupt aber wird durch sorg-
same Leitung in dieser ganzen ersten Lebensperiode das Er-
schließen reiner und edler Jungfränlichkeit, und aus ihr die Folge

mus eben ſo ſehr zum Nachtheil gereichen, als das zu fruͤhe
Eintreten der Menſtruation in der Kindheit.

II. Von den Regeln der Diaͤtetik waͤhrend der drei
weiblichen lebensperioden insbeſondre.
§. 128.

Je vielfacher die Ruͤckſichten ſind, welche bey Beſtim-
mung diaͤtetiſcher Pflege fuͤr Schwangere, Gebaͤrende, Woͤch-
nerinnen und Stillende genommen werden muͤſſen, um ſo
weniger bleibt uns hier, wo wir das Weib außer dieſen Zu-
ſtaͤnden betrachten, den oben (§. 111.) aufgeſtellten allge-
meinen diaͤtetiſchen Regeln hinzuzuſetzen uͤbrig, und es koͤn-
nen ſich dieſe Zuſaͤtze allein auf die Leitung weiblicher Ent-
wicklung, der Menſtrualfunktion und des Geſchlechtsverhaͤlt-
niſſes beziehen.

§. 129.

Die individuelle Entwicklung betreffend, ſo bedenke man
vorzuͤglich, wie der weibliche Koͤrper, als zaͤrtere und doch
uͤppigere Pflanze, raſcher der Zeit ſeiner Bluͤthe entgegengeht,
und wie ſchon aus dieſer Ruͤckſicht jede Lebensweiſe, welche,
indem ſie den Koͤrper vielartigen Reitzungen ausſetzt, das
Reifen folglich noch mehr beſchleunigt, verderbliche Folgen
herbeyfuͤhren muͤſſe. Iſt daher irgend etwas ein großes Pal-
ladium ſchoͤner und naturgemaͤßer weiblicher Entfaltung, ſo
iſt es Sittenreinheit. — Hierauf zunaͤchſt ſey daher die
Sorgfalt der Erzieher gerichtet! Vermieden werde (und zwar,
bey der Neugier junger Maͤdchen nach den Geheimniſſen des
Geſchlechts, doppelt vorſichtig), was pſychiſch einwirkend die
Phantaſie befleckt, was phyſiſch Congeſtionen nach den Ge-
faͤßen der Geſchlechtsorgane veranlaßt, als wohin erhitzende
Getraͤnke, ſtark gewuͤrzte Speiſen, Schlafen in dicken Feder-
betten und warmen Stuben, ſo wie ſitzende Lebensweiſe ge-
hoͤren. — Der Geſchlechtsgenuß ſelbſt vor erſchienener Men-
ſtruation iſt verderblich. — Ueberhaupt aber wird durch ſorg-
ſame Leitung in dieſer ganzen erſten Lebensperiode das Er-
ſchließen reiner und edler Jungfraͤnlichkeit, und aus ihr die Folge

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <p><pb facs="#f0118" n="98"/>
mus eben &#x017F;o &#x017F;ehr zum Nachtheil gereichen, als das zu fru&#x0364;he<lb/>
Eintreten der Men&#x017F;truation in der Kindheit.</p>
                </div>
              </div><lb/>
              <div n="5">
                <head><hi rendition="#aq">II.</hi> Von den Regeln der Dia&#x0364;tetik wa&#x0364;hrend der drei<lb/>
weiblichen lebensperioden insbe&#x017F;ondre.</head><lb/>
                <div n="6">
                  <head>§. 128.</head><lb/>
                  <p>Je vielfacher die Ru&#x0364;ck&#x017F;ichten &#x017F;ind, welche bey Be&#x017F;tim-<lb/>
mung dia&#x0364;teti&#x017F;cher Pflege fu&#x0364;r Schwangere, Geba&#x0364;rende, Wo&#x0364;ch-<lb/>
nerinnen und Stillende genommen werden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, um &#x017F;o<lb/>
weniger bleibt uns hier, wo wir das Weib außer die&#x017F;en Zu-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;nden betrachten, den oben (§. 111.) aufge&#x017F;tellten allge-<lb/>
meinen dia&#x0364;teti&#x017F;chen Regeln hinzuzu&#x017F;etzen u&#x0364;brig, und es ko&#x0364;n-<lb/>
nen &#x017F;ich die&#x017F;e Zu&#x017F;a&#x0364;tze allein auf die Leitung weiblicher Ent-<lb/>
wicklung, der Men&#x017F;trualfunktion und des Ge&#x017F;chlechtsverha&#x0364;lt-<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;es beziehen.</p>
                </div><lb/>
                <div n="6">
                  <head>§. 129.</head><lb/>
                  <p>Die individuelle Entwicklung betreffend, &#x017F;o bedenke man<lb/>
vorzu&#x0364;glich, wie der weibliche Ko&#x0364;rper, als za&#x0364;rtere und doch<lb/>
u&#x0364;ppigere Pflanze, ra&#x017F;cher der Zeit &#x017F;einer Blu&#x0364;the entgegengeht,<lb/>
und wie &#x017F;chon aus die&#x017F;er Ru&#x0364;ck&#x017F;icht jede Lebenswei&#x017F;e, welche,<lb/>
indem &#x017F;ie den Ko&#x0364;rper vielartigen Reitzungen aus&#x017F;etzt, das<lb/>
Reifen folglich noch mehr be&#x017F;chleunigt, verderbliche Folgen<lb/>
herbeyfu&#x0364;hren mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e. I&#x017F;t daher irgend etwas ein großes Pal-<lb/>
ladium &#x017F;cho&#x0364;ner und naturgema&#x0364;ßer weiblicher Entfaltung, &#x017F;o<lb/>
i&#x017F;t es <hi rendition="#g">Sittenreinheit</hi>. &#x2014; Hierauf zuna&#x0364;ch&#x017F;t &#x017F;ey daher die<lb/>
Sorgfalt der Erzieher gerichtet! Vermieden werde (und zwar,<lb/>
bey der Neugier junger Ma&#x0364;dchen nach den Geheimni&#x017F;&#x017F;en des<lb/>
Ge&#x017F;chlechts, doppelt vor&#x017F;ichtig), was p&#x017F;ychi&#x017F;ch einwirkend die<lb/>
Phanta&#x017F;ie befleckt, was phy&#x017F;i&#x017F;ch Conge&#x017F;tionen nach den Ge-<lb/>
fa&#x0364;ßen der Ge&#x017F;chlechtsorgane veranlaßt, als wohin erhitzende<lb/>
Getra&#x0364;nke, &#x017F;tark gewu&#x0364;rzte Spei&#x017F;en, Schlafen in dicken Feder-<lb/>
betten und warmen Stuben, &#x017F;o wie &#x017F;itzende Lebenswei&#x017F;e ge-<lb/>
ho&#x0364;ren. &#x2014; Der Ge&#x017F;chlechtsgenuß &#x017F;elb&#x017F;t vor er&#x017F;chienener Men-<lb/>
&#x017F;truation i&#x017F;t verderblich. &#x2014; Ueberhaupt aber wird durch &#x017F;org-<lb/>
&#x017F;ame Leitung in die&#x017F;er ganzen er&#x017F;ten Lebensperiode das Er-<lb/>
&#x017F;chließen reiner und edler Jungfra&#x0364;nlichkeit, und aus ihr die Folge<lb/></p>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[98/0118] mus eben ſo ſehr zum Nachtheil gereichen, als das zu fruͤhe Eintreten der Menſtruation in der Kindheit. II. Von den Regeln der Diaͤtetik waͤhrend der drei weiblichen lebensperioden insbeſondre. §. 128. Je vielfacher die Ruͤckſichten ſind, welche bey Beſtim- mung diaͤtetiſcher Pflege fuͤr Schwangere, Gebaͤrende, Woͤch- nerinnen und Stillende genommen werden muͤſſen, um ſo weniger bleibt uns hier, wo wir das Weib außer dieſen Zu- ſtaͤnden betrachten, den oben (§. 111.) aufgeſtellten allge- meinen diaͤtetiſchen Regeln hinzuzuſetzen uͤbrig, und es koͤn- nen ſich dieſe Zuſaͤtze allein auf die Leitung weiblicher Ent- wicklung, der Menſtrualfunktion und des Geſchlechtsverhaͤlt- niſſes beziehen. §. 129. Die individuelle Entwicklung betreffend, ſo bedenke man vorzuͤglich, wie der weibliche Koͤrper, als zaͤrtere und doch uͤppigere Pflanze, raſcher der Zeit ſeiner Bluͤthe entgegengeht, und wie ſchon aus dieſer Ruͤckſicht jede Lebensweiſe, welche, indem ſie den Koͤrper vielartigen Reitzungen ausſetzt, das Reifen folglich noch mehr beſchleunigt, verderbliche Folgen herbeyfuͤhren muͤſſe. Iſt daher irgend etwas ein großes Pal- ladium ſchoͤner und naturgemaͤßer weiblicher Entfaltung, ſo iſt es Sittenreinheit. — Hierauf zunaͤchſt ſey daher die Sorgfalt der Erzieher gerichtet! Vermieden werde (und zwar, bey der Neugier junger Maͤdchen nach den Geheimniſſen des Geſchlechts, doppelt vorſichtig), was pſychiſch einwirkend die Phantaſie befleckt, was phyſiſch Congeſtionen nach den Ge- faͤßen der Geſchlechtsorgane veranlaßt, als wohin erhitzende Getraͤnke, ſtark gewuͤrzte Speiſen, Schlafen in dicken Feder- betten und warmen Stuben, ſo wie ſitzende Lebensweiſe ge- hoͤren. — Der Geſchlechtsgenuß ſelbſt vor erſchienener Men- ſtruation iſt verderblich. — Ueberhaupt aber wird durch ſorg- ſame Leitung in dieſer ganzen erſten Lebensperiode das Er- ſchließen reiner und edler Jungfraͤnlichkeit, und aus ihr die Folge

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/118
Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/118>, abgerufen am 24.11.2024.