Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820.

Bild:
<< vorherige Seite

bilde, welche aus Mutterkuchen, Eihäuten und Na-
belstrang
bestehen, und welche zusammen den Namen der
Nachgeburt (Secundinae) bekommen, fest zusammen zieht,
so daß über dem Schambogen derselbe als ein fester kugel-
förmiger Körper von der Größe eines Kindeskopfs, äußerlich
fühlbar wird. In diesem Grade der Zusammenziehung ist
nun wieder eine Zeit von Ruhe nöthig, um die Kraft zu
neuen Zusammenziehungen zu erhalten, denn, wie man auch
an willkührlichen Muskeln in pathologischen Fällen bemerkt,
die Muskelfaser kann sich jedesmal nur auf einen gewissen
Grad verkürzen, allein wenn ihr dieser Grad zur Gewohn-
heit geworden, so ist sie dann wieder einer größern Verkür-
zung fähig *). Nachdem indeß 15, 20, 30 Minuten ver-
flossen sind, so treten neue Wehen ein, und diese bewirken
nun zunächst das Abtrennen des Mutterkuchens, welches
sich durch Ausfließen von einigen Unzen Blut zu erken-
nen giebt.

§. 815.

Die Art, wie diese Abtrennung erfolgt, ist aber sehr
einfach, es werden nämlich die äußere Fläche der Placenta
und die Adhäsionsfläche derselben am Uterus einander gänz-
lich ungleich, die erstere kann sich nicht verkleinern, die letz-
tere hingegen ist bei der beträchtlichen Zusammenziehung des
Uterus über die Hälfte im Umfange verringert, und so muß
bei neu eintretenden Zusammenziehungen die Abschälung des
Mutterkuchens ganz frei und ohne alle Gewalt erfolgen. -- Das
Blut, welches hierbei abfließt betreffend, so kann es nicht
von Zerreißen anastomosirender Gefäße zwischen Mutter und
Kind abhängen, da es keine Gefäße dieser Art giebt, ja nicht
einmal von Abtrennung der Uterinplacenta vom Uterus, da
die abgehende Placenta blos Fetalplacenta ist, sondern es

*) Home in Lectures on comparat. Anatomy erzählt Fälle, wo Glied-
maßen nach Verkürzung der Knochen durch Brüche erst gelähmt
waren, aber nachdem sich die Muskeln an ihre Verkürzung ge-
wöhnt hatten, ihre Kraft wieder erhielten.

bilde, welche aus Mutterkuchen, Eihaͤuten und Na-
belſtrang
beſtehen, und welche zuſammen den Namen der
Nachgeburt (Secundinae) bekommen, feſt zuſammen zieht,
ſo daß uͤber dem Schambogen derſelbe als ein feſter kugel-
foͤrmiger Koͤrper von der Groͤße eines Kindeskopfs, aͤußerlich
fuͤhlbar wird. In dieſem Grade der Zuſammenziehung iſt
nun wieder eine Zeit von Ruhe noͤthig, um die Kraft zu
neuen Zuſammenziehungen zu erhalten, denn, wie man auch
an willkuͤhrlichen Muskeln in pathologiſchen Faͤllen bemerkt,
die Muskelfaſer kann ſich jedesmal nur auf einen gewiſſen
Grad verkuͤrzen, allein wenn ihr dieſer Grad zur Gewohn-
heit geworden, ſo iſt ſie dann wieder einer groͤßern Verkuͤr-
zung faͤhig *). Nachdem indeß 15, 20, 30 Minuten ver-
floſſen ſind, ſo treten neue Wehen ein, und dieſe bewirken
nun zunaͤchſt das Abtrennen des Mutterkuchens, welches
ſich durch Ausfließen von einigen Unzen Blut zu erken-
nen giebt.

§. 815.

Die Art, wie dieſe Abtrennung erfolgt, iſt aber ſehr
einfach, es werden naͤmlich die aͤußere Flaͤche der Placenta
und die Adhaͤſionsflaͤche derſelben am Uterus einander gaͤnz-
lich ungleich, die erſtere kann ſich nicht verkleinern, die letz-
tere hingegen iſt bei der betraͤchtlichen Zuſammenziehung des
Uterus uͤber die Haͤlfte im Umfange verringert, und ſo muß
bei neu eintretenden Zuſammenziehungen die Abſchaͤlung des
Mutterkuchens ganz frei und ohne alle Gewalt erfolgen. — Das
Blut, welches hierbei abfließt betreffend, ſo kann es nicht
von Zerreißen anaſtomoſirender Gefaͤße zwiſchen Mutter und
Kind abhaͤngen, da es keine Gefaͤße dieſer Art giebt, ja nicht
einmal von Abtrennung der Uterinplacenta vom Uterus, da
die abgehende Placenta blos Fetalplacenta iſt, ſondern es

*) Home in Lectures on comparat. Anatomy erzaͤhlt Faͤlle, wo Glied-
maßen nach Verkuͤrzung der Knochen durch Bruͤche erſt gelaͤhmt
waren, aber nachdem ſich die Muskeln an ihre Verkuͤrzung ge-
woͤhnt hatten, ihre Kraft wieder erhielten.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <p><pb facs="#f0128" n="104"/>
bilde, welche aus <hi rendition="#g">Mutterkuchen, Eiha&#x0364;uten</hi> und <hi rendition="#g">Na-<lb/>
bel&#x017F;trang</hi> be&#x017F;tehen, und welche zu&#x017F;ammen den Namen der<lb/><hi rendition="#g">Nachgeburt</hi> (<hi rendition="#aq">Secundinae</hi>) bekommen, fe&#x017F;t zu&#x017F;ammen zieht,<lb/>
&#x017F;o daß u&#x0364;ber dem Schambogen der&#x017F;elbe als ein fe&#x017F;ter kugel-<lb/>
fo&#x0364;rmiger Ko&#x0364;rper von der Gro&#x0364;ße eines Kindeskopfs, a&#x0364;ußerlich<lb/>
fu&#x0364;hlbar wird. In die&#x017F;em Grade der Zu&#x017F;ammenziehung i&#x017F;t<lb/>
nun wieder eine Zeit von Ruhe no&#x0364;thig, um die Kraft zu<lb/>
neuen Zu&#x017F;ammenziehungen zu erhalten, denn, wie man auch<lb/>
an willku&#x0364;hrlichen Muskeln in pathologi&#x017F;chen Fa&#x0364;llen bemerkt,<lb/>
die Muskelfa&#x017F;er kann &#x017F;ich jedesmal nur auf einen gewi&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Grad verku&#x0364;rzen, allein wenn ihr die&#x017F;er Grad zur Gewohn-<lb/>
heit geworden, &#x017F;o i&#x017F;t &#x017F;ie dann wieder einer gro&#x0364;ßern Verku&#x0364;r-<lb/>
zung fa&#x0364;hig <note place="foot" n="*)"><hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">Home</hi></hi> in <hi rendition="#aq">Lectures on comparat. Anatomy</hi> erza&#x0364;hlt Fa&#x0364;lle, wo Glied-<lb/>
maßen nach Verku&#x0364;rzung der Knochen durch Bru&#x0364;che er&#x017F;t gela&#x0364;hmt<lb/>
waren, aber nachdem &#x017F;ich die Muskeln an ihre Verku&#x0364;rzung ge-<lb/>
wo&#x0364;hnt hatten, ihre Kraft wieder erhielten.</note>. Nachdem indeß 15, 20, 30 Minuten ver-<lb/>
flo&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ind, &#x017F;o treten neue Wehen ein, und die&#x017F;e bewirken<lb/>
nun zuna&#x0364;ch&#x017F;t das Abtrennen des Mutterkuchens, welches<lb/>
&#x017F;ich durch Ausfließen von einigen Unzen Blut zu erken-<lb/>
nen giebt.</p>
                  </div><lb/>
                  <div n="7">
                    <head>§. 815.</head><lb/>
                    <p>Die Art, wie die&#x017F;e Abtrennung erfolgt, i&#x017F;t aber &#x017F;ehr<lb/>
einfach, es werden na&#x0364;mlich die a&#x0364;ußere Fla&#x0364;che der Placenta<lb/>
und die Adha&#x0364;&#x017F;ionsfla&#x0364;che der&#x017F;elben am Uterus einander ga&#x0364;nz-<lb/>
lich ungleich, die er&#x017F;tere kann &#x017F;ich nicht verkleinern, die letz-<lb/>
tere hingegen i&#x017F;t bei der betra&#x0364;chtlichen Zu&#x017F;ammenziehung des<lb/>
Uterus u&#x0364;ber die Ha&#x0364;lfte im Umfange verringert, und &#x017F;o muß<lb/>
bei neu eintretenden Zu&#x017F;ammenziehungen die Ab&#x017F;cha&#x0364;lung des<lb/>
Mutterkuchens ganz frei und ohne alle Gewalt erfolgen. &#x2014; Das<lb/>
Blut, welches hierbei abfließt betreffend, &#x017F;o kann es nicht<lb/>
von Zerreißen ana&#x017F;tomo&#x017F;irender Gefa&#x0364;ße zwi&#x017F;chen Mutter und<lb/>
Kind abha&#x0364;ngen, da es keine Gefa&#x0364;ße die&#x017F;er Art giebt, ja nicht<lb/>
einmal von Abtrennung der Uterinplacenta vom Uterus, da<lb/>
die abgehende Placenta blos Fetalplacenta i&#x017F;t, &#x017F;ondern es<lb/></p>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[104/0128] bilde, welche aus Mutterkuchen, Eihaͤuten und Na- belſtrang beſtehen, und welche zuſammen den Namen der Nachgeburt (Secundinae) bekommen, feſt zuſammen zieht, ſo daß uͤber dem Schambogen derſelbe als ein feſter kugel- foͤrmiger Koͤrper von der Groͤße eines Kindeskopfs, aͤußerlich fuͤhlbar wird. In dieſem Grade der Zuſammenziehung iſt nun wieder eine Zeit von Ruhe noͤthig, um die Kraft zu neuen Zuſammenziehungen zu erhalten, denn, wie man auch an willkuͤhrlichen Muskeln in pathologiſchen Faͤllen bemerkt, die Muskelfaſer kann ſich jedesmal nur auf einen gewiſſen Grad verkuͤrzen, allein wenn ihr dieſer Grad zur Gewohn- heit geworden, ſo iſt ſie dann wieder einer groͤßern Verkuͤr- zung faͤhig *). Nachdem indeß 15, 20, 30 Minuten ver- floſſen ſind, ſo treten neue Wehen ein, und dieſe bewirken nun zunaͤchſt das Abtrennen des Mutterkuchens, welches ſich durch Ausfließen von einigen Unzen Blut zu erken- nen giebt. §. 815. Die Art, wie dieſe Abtrennung erfolgt, iſt aber ſehr einfach, es werden naͤmlich die aͤußere Flaͤche der Placenta und die Adhaͤſionsflaͤche derſelben am Uterus einander gaͤnz- lich ungleich, die erſtere kann ſich nicht verkleinern, die letz- tere hingegen iſt bei der betraͤchtlichen Zuſammenziehung des Uterus uͤber die Haͤlfte im Umfange verringert, und ſo muß bei neu eintretenden Zuſammenziehungen die Abſchaͤlung des Mutterkuchens ganz frei und ohne alle Gewalt erfolgen. — Das Blut, welches hierbei abfließt betreffend, ſo kann es nicht von Zerreißen anaſtomoſirender Gefaͤße zwiſchen Mutter und Kind abhaͤngen, da es keine Gefaͤße dieſer Art giebt, ja nicht einmal von Abtrennung der Uterinplacenta vom Uterus, da die abgehende Placenta blos Fetalplacenta iſt, ſondern es *) Home in Lectures on comparat. Anatomy erzaͤhlt Faͤlle, wo Glied- maßen nach Verkuͤrzung der Knochen durch Bruͤche erſt gelaͤhmt waren, aber nachdem ſich die Muskeln an ihre Verkuͤrzung ge- woͤhnt hatten, ihre Kraft wieder erhielten.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/128
Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/128>, abgerufen am 16.05.2024.