Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820.

Bild:
<< vorherige Seite

die ursachlichen Momente für die Krankheiten des erstern, so
müßen wir dieselben theils in der ursprünglichen Natur des
Fruchtkeims, theils in der Stimmung des mütterlichen Kör-
pers auffinden. -- Die ursprüngliche Natur des
Fruchtkeims betreffend
, so ist diese das Resultat seiner
Erzeugung, also der zu einem Zweck sich vereinigenden Wir-
kung der mütterlichen und väterlichen Geschlechtsthätigkeit im
Moment der Empfängniß. -- Aus dieser Quelle aber, d. i.
durch Störungen und Unregelmäßigkeiten in der Natur der
Erzeugenden, oder im Akt der Erzeugung selbst, scheinen auch
die ursprünglichen fehlerhaften Erzeugungen einzelner organi-
scher Gebilde des Embryo vorzüglich abgeleitet werden zu
müßen, und alle vom Vater auf das Kind übergehenden De-
formitäten und Krankheiten gehören wohl unwidersprechlich
hierher.

Anmerkung. So beobachtet man in Kamtschatka nach
H. v. Langsdorfs Bericht (im 2. Thl. seiner Reise),
daß unter den zum Ziehen benutzten Hunden, welchen
man dort durchgängig die Schwänze abstutzt, öfters
englisirte Hunde geboren werden, dasselbe kennt man
von den englischen Pferden selbst. Bei den Menschen
gehören hierher die bei Juden zuweilen vorkommenden
Fälle angebornen Mangels der Vorhaut, das Forterben
des Mangels oder der Ueberzahl einiger Finger und Ze-
hen u. s. w. *) -- Will man endlich nicht bemerkt
haben, daß in Trunkenheit erzeugte Kinder oft blödsin-
nig sind, und sollte nicht öfters der mit Widerwille oder
unvollkommen ausgeübte Coitus selbst die Ursache un-
vollkommener und überhaupt fehlerhafter Bildung des
Embryo seyn können? --

§. 1121.

Zweitens die vom mütterlichen Körper begrün-
deten Krankheitsursachen
betreffend, so kann man da-

*) Viele Fälle dieser Art s. m. bei Meckel pathol. Anat. I. Thl. S. 15.

die urſachlichen Momente fuͤr die Krankheiten des erſtern, ſo
muͤßen wir dieſelben theils in der urſpruͤnglichen Natur des
Fruchtkeims, theils in der Stimmung des muͤtterlichen Koͤr-
pers auffinden. — Die urſpruͤngliche Natur des
Fruchtkeims betreffend
, ſo iſt dieſe das Reſultat ſeiner
Erzeugung, alſo der zu einem Zweck ſich vereinigenden Wir-
kung der muͤtterlichen und vaͤterlichen Geſchlechtsthaͤtigkeit im
Moment der Empfaͤngniß. — Aus dieſer Quelle aber, d. i.
durch Stoͤrungen und Unregelmaͤßigkeiten in der Natur der
Erzeugenden, oder im Akt der Erzeugung ſelbſt, ſcheinen auch
die urſpruͤnglichen fehlerhaften Erzeugungen einzelner organi-
ſcher Gebilde des Embryo vorzuͤglich abgeleitet werden zu
muͤßen, und alle vom Vater auf das Kind uͤbergehenden De-
formitaͤten und Krankheiten gehoͤren wohl unwiderſprechlich
hierher.

Anmerkung. So beobachtet man in Kamtſchatka nach
H. v. Langsdorfs Bericht (im 2. Thl. ſeiner Reiſe),
daß unter den zum Ziehen benutzten Hunden, welchen
man dort durchgaͤngig die Schwaͤnze abſtutzt, oͤfters
engliſirte Hunde geboren werden, daſſelbe kennt man
von den engliſchen Pferden ſelbſt. Bei den Menſchen
gehoͤren hierher die bei Juden zuweilen vorkommenden
Faͤlle angebornen Mangels der Vorhaut, das Forterben
des Mangels oder der Ueberzahl einiger Finger und Ze-
hen u. ſ. w. *) — Will man endlich nicht bemerkt
haben, daß in Trunkenheit erzeugte Kinder oft bloͤdſin-
nig ſind, und ſollte nicht oͤfters der mit Widerwille oder
unvollkommen ausgeuͤbte Coitus ſelbſt die Urſache un-
vollkommener und uͤberhaupt fehlerhafter Bildung des
Embryo ſeyn koͤnnen? —

§. 1121.

Zweitens die vom muͤtterlichen Koͤrper begruͤn-
deten Krankheitsurſachen
betreffend, ſo kann man da-

*) Viele Faͤlle dieſer Art ſ. m. bei Meckel pathol. Anat. I. Thl. S. 15.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <p><pb facs="#f0302" n="278"/>
die ur&#x017F;achlichen Momente fu&#x0364;r die Krankheiten des er&#x017F;tern, &#x017F;o<lb/>
mu&#x0364;ßen wir die&#x017F;elben theils in der ur&#x017F;pru&#x0364;nglichen Natur des<lb/>
Fruchtkeims, theils in der Stimmung des mu&#x0364;tterlichen Ko&#x0364;r-<lb/>
pers auffinden. &#x2014; <hi rendition="#g">Die ur&#x017F;pru&#x0364;ngliche Natur des<lb/>
Fruchtkeims betreffend</hi>, &#x017F;o i&#x017F;t die&#x017F;e das Re&#x017F;ultat &#x017F;einer<lb/>
Erzeugung, al&#x017F;o der zu einem Zweck &#x017F;ich vereinigenden Wir-<lb/>
kung der mu&#x0364;tterlichen und va&#x0364;terlichen Ge&#x017F;chlechtstha&#x0364;tigkeit im<lb/>
Moment der Empfa&#x0364;ngniß. &#x2014; Aus die&#x017F;er Quelle aber, d. i.<lb/>
durch Sto&#x0364;rungen und Unregelma&#x0364;ßigkeiten in der Natur der<lb/>
Erzeugenden, oder im Akt der Erzeugung &#x017F;elb&#x017F;t, &#x017F;cheinen auch<lb/>
die ur&#x017F;pru&#x0364;nglichen fehlerhaften Erzeugungen einzelner organi-<lb/>
&#x017F;cher Gebilde des Embryo vorzu&#x0364;glich abgeleitet werden zu<lb/>
mu&#x0364;ßen, und alle vom Vater auf das Kind u&#x0364;bergehenden De-<lb/>
formita&#x0364;ten und Krankheiten geho&#x0364;ren wohl unwider&#x017F;prechlich<lb/>
hierher.</p><lb/>
                  <p> <hi rendition="#et"><hi rendition="#g">Anmerkung</hi>. So beobachtet man in Kamt&#x017F;chatka nach<lb/>
H. v. <hi rendition="#g">Langsdorfs</hi> Bericht (im 2. Thl. &#x017F;einer Rei&#x017F;e),<lb/>
daß unter den zum Ziehen benutzten Hunden, welchen<lb/>
man dort durchga&#x0364;ngig die Schwa&#x0364;nze ab&#x017F;tutzt, o&#x0364;fters<lb/>
engli&#x017F;irte Hunde geboren werden, da&#x017F;&#x017F;elbe kennt man<lb/>
von den engli&#x017F;chen Pferden &#x017F;elb&#x017F;t. Bei den Men&#x017F;chen<lb/>
geho&#x0364;ren hierher die bei Juden zuweilen vorkommenden<lb/>
Fa&#x0364;lle angebornen Mangels der Vorhaut, das Forterben<lb/>
des Mangels oder der Ueberzahl einiger Finger und Ze-<lb/>
hen u. &#x017F;. w. <note place="foot" n="*)">Viele Fa&#x0364;lle die&#x017F;er Art &#x017F;. m. bei <hi rendition="#g">Meckel</hi> pathol. Anat. <hi rendition="#aq">I.</hi> Thl. S. 15.</note> &#x2014; Will man endlich nicht bemerkt<lb/>
haben, daß in Trunkenheit erzeugte Kinder oft blo&#x0364;d&#x017F;in-<lb/>
nig &#x017F;ind, und &#x017F;ollte nicht o&#x0364;fters der mit Widerwille oder<lb/>
unvollkommen ausgeu&#x0364;bte <hi rendition="#aq">Coitus</hi> &#x017F;elb&#x017F;t die Ur&#x017F;ache un-<lb/>
vollkommener und u&#x0364;berhaupt fehlerhafter Bildung des<lb/>
Embryo &#x017F;eyn ko&#x0364;nnen? &#x2014;</hi> </p>
                </div><lb/>
                <div n="6">
                  <head>§. 1121.</head><lb/>
                  <p>Zweitens <hi rendition="#g">die vom mu&#x0364;tterlichen Ko&#x0364;rper begru&#x0364;n-<lb/>
deten Krankheitsur&#x017F;achen</hi> betreffend, &#x017F;o kann man da-<lb/></p>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[278/0302] die urſachlichen Momente fuͤr die Krankheiten des erſtern, ſo muͤßen wir dieſelben theils in der urſpruͤnglichen Natur des Fruchtkeims, theils in der Stimmung des muͤtterlichen Koͤr- pers auffinden. — Die urſpruͤngliche Natur des Fruchtkeims betreffend, ſo iſt dieſe das Reſultat ſeiner Erzeugung, alſo der zu einem Zweck ſich vereinigenden Wir- kung der muͤtterlichen und vaͤterlichen Geſchlechtsthaͤtigkeit im Moment der Empfaͤngniß. — Aus dieſer Quelle aber, d. i. durch Stoͤrungen und Unregelmaͤßigkeiten in der Natur der Erzeugenden, oder im Akt der Erzeugung ſelbſt, ſcheinen auch die urſpruͤnglichen fehlerhaften Erzeugungen einzelner organi- ſcher Gebilde des Embryo vorzuͤglich abgeleitet werden zu muͤßen, und alle vom Vater auf das Kind uͤbergehenden De- formitaͤten und Krankheiten gehoͤren wohl unwiderſprechlich hierher. Anmerkung. So beobachtet man in Kamtſchatka nach H. v. Langsdorfs Bericht (im 2. Thl. ſeiner Reiſe), daß unter den zum Ziehen benutzten Hunden, welchen man dort durchgaͤngig die Schwaͤnze abſtutzt, oͤfters engliſirte Hunde geboren werden, daſſelbe kennt man von den engliſchen Pferden ſelbſt. Bei den Menſchen gehoͤren hierher die bei Juden zuweilen vorkommenden Faͤlle angebornen Mangels der Vorhaut, das Forterben des Mangels oder der Ueberzahl einiger Finger und Ze- hen u. ſ. w. *) — Will man endlich nicht bemerkt haben, daß in Trunkenheit erzeugte Kinder oft bloͤdſin- nig ſind, und ſollte nicht oͤfters der mit Widerwille oder unvollkommen ausgeuͤbte Coitus ſelbſt die Urſache un- vollkommener und uͤberhaupt fehlerhafter Bildung des Embryo ſeyn koͤnnen? — §. 1121. Zweitens die vom muͤtterlichen Koͤrper begruͤn- deten Krankheitsurſachen betreffend, ſo kann man da- *) Viele Faͤlle dieſer Art ſ. m. bei Meckel pathol. Anat. I. Thl. S. 15.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/302
Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/302>, abgerufen am 24.11.2024.