erste Offenbarung der Idee, d. h. eines Göttlichen und aus eigner Machtvollkommenheit Existirenden zu nennen, keiner Ermüdung fähig sei, wie es keiner allmähligen Einübung seiner Lebensthätigkeiten bedürfe, so fragt es sich nothwen¬ dig nun, ob der Begriff des Krankseins irgend wie Anwendung auf dieses Leben erleiden könne? In Wahrheit finden wir sogleich, daß in dem primitiven und absolut Unbewußten von Krankheit durchaus nicht die Rede sein könne. Krankheit nämlich, in wie fern ihr Be¬ griff darauf ruht daß innerhalb eines Organismus neben der das eigenste Wesen dieses Organismus bedingenden Lebens-Idee, noch ein andres Princip, eine andre und zwar fremde Idee, sich geltend mache und daß dadurch das diesem Organismus insbesondre eigne Leben beein¬ trächtigt und gestört wurde, -- setzt allemal eine gewisse Freiheit voraus den ursprünglich vorgezeichneten Le¬ bensgang zu verlassen, und von dem nicht mehr mit eiserner Nothwendigkeit vorgezeichneten Lebenswege auf irgend eine Weise abzuweichen. Eben dieses ist der Grund davon daß, je weiter wir in der Stufenleiter der Wesen zurück¬ gehen, je mehr wir uns von dem Begriffe der Freiheit entfernen, wir um so mehr das Vorkommen von Krankheit abnehmen sehen. Unter allen uns bekannten Geschöpfen hat der Mensch das traurige Vorrecht, die größte Man¬ nichfaltigkeit von Erkrankungen aufzeigen zu können, in der Reihe der Thiere schon nimmt die Häufigkeit des Er¬ krankens und die Mannichfaltigkeit der kranken Zustände ab, in den Pflanzen ist von den wichtigsten Krankheits¬ formen der höhern Geschöpfe von Fieber und Entzündungen gar nicht mehr die Frage, und in tellurischen wie in den kosmischen Organismen hört dann der Begriff von Krank¬ heit überhaupt völlig auf. In ganz gleichem Maße also, wie die Idee des Lebens zum Bewußtsein, und eben dadurch auch zur Freiheit sich erhebt, wächst auch die Anlage und die Wirklichkeit des Erkrankens; denn zerstört werden,
erſte Offenbarung der Idee, d. h. eines Göttlichen und aus eigner Machtvollkommenheit Exiſtirenden zu nennen, keiner Ermüdung fähig ſei, wie es keiner allmähligen Einübung ſeiner Lebensthätigkeiten bedürfe, ſo fragt es ſich nothwen¬ dig nun, ob der Begriff des Krankſeins irgend wie Anwendung auf dieſes Leben erleiden könne? In Wahrheit finden wir ſogleich, daß in dem primitiven und abſolut Unbewußten von Krankheit durchaus nicht die Rede ſein könne. Krankheit nämlich, in wie fern ihr Be¬ griff darauf ruht daß innerhalb eines Organismus neben der das eigenſte Weſen dieſes Organismus bedingenden Lebens-Idee, noch ein andres Princip, eine andre und zwar fremde Idee, ſich geltend mache und daß dadurch das dieſem Organismus insbeſondre eigne Leben beein¬ trächtigt und geſtört wurde, — ſetzt allemal eine gewiſſe Freiheit voraus den urſprünglich vorgezeichneten Le¬ bensgang zu verlaſſen, und von dem nicht mehr mit eiſerner Nothwendigkeit vorgezeichneten Lebenswege auf irgend eine Weiſe abzuweichen. Eben dieſes iſt der Grund davon daß, je weiter wir in der Stufenleiter der Weſen zurück¬ gehen, je mehr wir uns von dem Begriffe der Freiheit entfernen, wir um ſo mehr das Vorkommen von Krankheit abnehmen ſehen. Unter allen uns bekannten Geſchöpfen hat der Menſch das traurige Vorrecht, die größte Man¬ nichfaltigkeit von Erkrankungen aufzeigen zu können, in der Reihe der Thiere ſchon nimmt die Häufigkeit des Er¬ krankens und die Mannichfaltigkeit der kranken Zuſtände ab, in den Pflanzen iſt von den wichtigſten Krankheits¬ formen der höhern Geſchöpfe von Fieber und Entzündungen gar nicht mehr die Frage, und in telluriſchen wie in den kosmiſchen Organismen hört dann der Begriff von Krank¬ heit überhaupt völlig auf. In ganz gleichem Maße alſo, wie die Idee des Lebens zum Bewußtſein, und eben dadurch auch zur Freiheit ſich erhebt, wächst auch die Anlage und die Wirklichkeit des Erkrankens; denn zerſtört werden,
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erſte Offenbarung der Idee, d. h. eines Göttlichen und aus
eigner Machtvollkommenheit Exiſtirenden zu nennen, keiner
Ermüdung fähig ſei, wie es keiner allmähligen Einübung
ſeiner Lebensthätigkeiten bedürfe, ſo fragt es ſich nothwen¬
dig nun, ob der Begriff des Krankſeins irgend
wie Anwendung auf dieſes Leben erleiden könne?
In Wahrheit finden wir ſogleich, daß in dem primitiven
und abſolut Unbewußten von Krankheit durchaus nicht die
Rede ſein könne. Krankheit nämlich, in wie fern ihr Be¬
griff darauf ruht daß innerhalb eines Organismus neben
der das eigenſte Weſen dieſes Organismus bedingenden
Lebens-Idee, noch ein andres Princip, eine andre und
zwar fremde Idee, ſich geltend mache und daß dadurch
das dieſem Organismus insbeſondre eigne Leben beein¬
trächtigt und geſtört wurde, — ſetzt allemal eine gewiſſe
Freiheit voraus den urſprünglich vorgezeichneten Le¬
bensgang zu verlaſſen, und von dem nicht mehr mit eiſerner
Nothwendigkeit vorgezeichneten Lebenswege auf irgend eine
Weiſe abzuweichen. Eben dieſes iſt der Grund davon
daß, je weiter wir in der Stufenleiter der Weſen zurück¬
gehen, je mehr wir uns von dem Begriffe der Freiheit
entfernen, wir um ſo mehr das Vorkommen von Krankheit
abnehmen ſehen. Unter allen uns bekannten Geſchöpfen
hat der Menſch das traurige Vorrecht, die größte Man¬
nichfaltigkeit von Erkrankungen aufzeigen zu können, in
der Reihe der Thiere ſchon nimmt die Häufigkeit des Er¬
krankens und die Mannichfaltigkeit der kranken Zuſtände
ab, in den Pflanzen iſt von den wichtigſten Krankheits¬
formen der höhern Geſchöpfe von Fieber und Entzündungen
gar nicht mehr die Frage, und in telluriſchen wie in den
kosmiſchen Organismen hört dann der Begriff von Krank¬
heit überhaupt völlig auf. In ganz gleichem Maße alſo,
wie die Idee des Lebens zum Bewußtſein, und eben dadurch
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Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_psyche_1846/105>, abgerufen am 24.11.2024.
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