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Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846.

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Bewußtsein erhoben werden, daß poetisch ihnen die
Geschichte des Menschen selbst angedacht wird, als welcher,
in der Entwicklung seiner Seele, jedesmal ebenfalls das
Heraufbilden vom Unbewußten zum Bewußten in sich er¬
fährt, und es geschieht auf diese Weise nur die Erhebung
des uns nähern einzelnen Unbewußten zum Bewußten, aber
es wird vermieden der unzulässige Versuch, das eine höchste
und ewige Mysterium in beschränkte Gestaltung einer Art
von menschlichem Bewußtsein hinein zu zwingen, ein Fehl¬
griff von welchem monotheistische Religionen selten sich frei
gehalten haben.

Es bedarf nun keiner ausführlichen Schilderung um
zu zeigen, wie alle diese Scheinbilder, und je roher, je
unzulässiger, um so mehr, vielfache Noth und blutigen
Streit und Zerwürfniß der Menschheit gebracht haben, es
ist dabei auch nun als merkwürdig zu gedenken, daß jener
falsche Monotheismus, z. B. der Juden und Türken, viel
mehr Unheil und Zwietracht verbreitet hat, als der milde
Naturcultus und die Verehrung der Naturgötter. In den
alten Griechen war nicht bloß Duldung, sondern auch Ehr¬
furcht vor andern Religionen herrschend, und wie sticht dies
ab gegen die Vertilgungskriege und den Haß gegen Anders¬
gläubige, welche die Verehrer Jehova's und Allah's
so häufig gezeigt haben; und waren die Vertilgungskriege
so vieler die sich Christen nannten von anderer Bedeutung
als jene Frevel? -- Immer je abstruser, je mehr götzen¬
dienerhaftiger die Verehrung des Höchsten getrieben wurde,
desto liebloser und roher die Verfolgung der Andersdenken¬
den! Ist es doch ein eigenthümlicher Zug der Menschheit,
daß nur Seltene und Wenige der Begeisterung für das
eigentlich Hohe und Wahre fähig sind, dahingegen unend¬
lich häufiger eine falsche Begeisterung für den Irrthum und
für das Niedrige gefunden wird!

Nicht aber bloß die Zwischenstellung dieser Scheinbil¬
der, das falsche sich Objectiviren des Unbewußten als ein

Bewußtſein erhoben werden, daß poetiſch ihnen die
Geſchichte des Menſchen ſelbſt angedacht wird, als welcher,
in der Entwicklung ſeiner Seele, jedesmal ebenfalls das
Heraufbilden vom Unbewußten zum Bewußten in ſich er¬
fährt, und es geſchieht auf dieſe Weiſe nur die Erhebung
des uns nähern einzelnen Unbewußten zum Bewußten, aber
es wird vermieden der unzuläſſige Verſuch, das eine höchſte
und ewige Myſterium in beſchränkte Geſtaltung einer Art
von menſchlichem Bewußtſein hinein zu zwingen, ein Fehl¬
griff von welchem monotheiſtiſche Religionen ſelten ſich frei
gehalten haben.

Es bedarf nun keiner ausführlichen Schilderung um
zu zeigen, wie alle dieſe Scheinbilder, und je roher, je
unzuläſſiger, um ſo mehr, vielfache Noth und blutigen
Streit und Zerwürfniß der Menſchheit gebracht haben, es
iſt dabei auch nun als merkwürdig zu gedenken, daß jener
falſche Monotheismus, z. B. der Juden und Türken, viel
mehr Unheil und Zwietracht verbreitet hat, als der milde
Naturcultus und die Verehrung der Naturgötter. In den
alten Griechen war nicht bloß Duldung, ſondern auch Ehr¬
furcht vor andern Religionen herrſchend, und wie ſticht dies
ab gegen die Vertilgungskriege und den Haß gegen Anders¬
gläubige, welche die Verehrer Jehova's und Allah's
ſo häufig gezeigt haben; und waren die Vertilgungskriege
ſo vieler die ſich Chriſten nannten von anderer Bedeutung
als jene Frevel? — Immer je abſtruſer, je mehr götzen¬
dienerhaftiger die Verehrung des Höchſten getrieben wurde,
deſto liebloſer und roher die Verfolgung der Andersdenken¬
den! Iſt es doch ein eigenthümlicher Zug der Menſchheit,
daß nur Seltene und Wenige der Begeiſterung für das
eigentlich Hohe und Wahre fähig ſind, dahingegen unend¬
lich häufiger eine falſche Begeiſterung für den Irrthum und
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[405/0421] Bewußtſein erhoben werden, daß poetiſch ihnen die Geſchichte des Menſchen ſelbſt angedacht wird, als welcher, in der Entwicklung ſeiner Seele, jedesmal ebenfalls das Heraufbilden vom Unbewußten zum Bewußten in ſich er¬ fährt, und es geſchieht auf dieſe Weiſe nur die Erhebung des uns nähern einzelnen Unbewußten zum Bewußten, aber es wird vermieden der unzuläſſige Verſuch, das eine höchſte und ewige Myſterium in beſchränkte Geſtaltung einer Art von menſchlichem Bewußtſein hinein zu zwingen, ein Fehl¬ griff von welchem monotheiſtiſche Religionen ſelten ſich frei gehalten haben. Es bedarf nun keiner ausführlichen Schilderung um zu zeigen, wie alle dieſe Scheinbilder, und je roher, je unzuläſſiger, um ſo mehr, vielfache Noth und blutigen Streit und Zerwürfniß der Menſchheit gebracht haben, es iſt dabei auch nun als merkwürdig zu gedenken, daß jener falſche Monotheismus, z. B. der Juden und Türken, viel mehr Unheil und Zwietracht verbreitet hat, als der milde Naturcultus und die Verehrung der Naturgötter. In den alten Griechen war nicht bloß Duldung, ſondern auch Ehr¬ furcht vor andern Religionen herrſchend, und wie ſticht dies ab gegen die Vertilgungskriege und den Haß gegen Anders¬ gläubige, welche die Verehrer Jehova's und Allah's ſo häufig gezeigt haben; und waren die Vertilgungskriege ſo vieler die ſich Chriſten nannten von anderer Bedeutung als jene Frevel? — Immer je abſtruſer, je mehr götzen¬ dienerhaftiger die Verehrung des Höchſten getrieben wurde, deſto liebloſer und roher die Verfolgung der Andersdenken¬ den! Iſt es doch ein eigenthümlicher Zug der Menſchheit, daß nur Seltene und Wenige der Begeiſterung für das eigentlich Hohe und Wahre fähig ſind, dahingegen unend¬ lich häufiger eine falſche Begeiſterung für den Irrthum und für das Niedrige gefunden wird! Nicht aber bloß die Zwiſchenſtellung dieſer Scheinbil¬ der, das falſche ſich Objectiviren des Unbewußten als ein

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846, S. 405. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_psyche_1846/421>, abgerufen am 22.11.2024.