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Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846.

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zu erzeugen. Es ergibt sich daher von hier aus alsbald,
wie groß der Unterschied sei zwischen der Erkrankungs¬
fähigkeit der unbewußten und bewußten Seele. Das Unbe¬
wußte nämlich, obwohl durch und durch auf einem Göttlichen
und Ewigen ruhend, ist, dieweil in seinen Offenbarungen
an das Vergängliche gewiesen, ein überall leicht Verletz¬
bares und leicht Erkrankendes: der stärkste Organismus
eines Menschen widersteht, seiner auf dem Wirken des
Unbewußten ruhenden Gestaltung nach, nicht einigen Tropfen
Blausäure, oder einigen Gran Arsenik, oder einer ganz
kleinen Herzwunde, und, wenn diese Einwirkungen ihn
geradezu zerstören, so gibt es hundert andere die hinreichen,
eine Krankheitsidee zu erzeugen, welche nun nach ihrer
Eigenthümlichkeit, und nicht mehr nach dem der eigenen Idee
des Organismus ein alsdann krank zu nennendes Leben dahin
leitet. Ganz anders ist es mit dem bewußten Geiste, wenn er
einmal zu seiner Reife gelangt ist: er ist in dieser Beziehung
unverwundbar wie die Luft, er kann grimmige Leiden
und Schmerzen erdulden, er kann in den gewaltigsten An¬
strengungen ringen -- aber er hat, in wie fern er eine zum
Selbstbewußtsein gelangte göttliche Idee ist, den Gedanken
seiner eigenen Ewigkeit erfaßt, und er wird dadurch auch
in seinen Offenbarungen unsterblich -- ja, was uns hier
nun besonders angeht, er ist auch aus diesem Grunde an
und für sich außer allem Bereich der Krankheit. Nur in
diesem Sinne kann daher das ganz verständlich werden,
was man als höhere Macht des Geistes von jeher verehrt
hat! -- Man wird von hier aus begreifen, warum dieser
höhere bewußte Geist oft so ganz unberührt zu bleiben
scheint von den grimmigsten Leiden und Krankheiten seiner
eigenen unbewußten Seele, und in wie fern er einer Frei¬
heit genießt, die in den Schicksalen großer erleuchteter, im
Leben oft schwer geprüfter Naturen, so vielfältig zu bewun¬
dern gewesen ist!

Nichts desto weniger dürfen wir aber nur schärfer über

zu erzeugen. Es ergibt ſich daher von hier aus alsbald,
wie groß der Unterſchied ſei zwiſchen der Erkrankungs¬
fähigkeit der unbewußten und bewußten Seele. Das Unbe¬
wußte nämlich, obwohl durch und durch auf einem Göttlichen
und Ewigen ruhend, iſt, dieweil in ſeinen Offenbarungen
an das Vergängliche gewieſen, ein überall leicht Verletz¬
bares und leicht Erkrankendes: der ſtärkſte Organismus
eines Menſchen widerſteht, ſeiner auf dem Wirken des
Unbewußten ruhenden Geſtaltung nach, nicht einigen Tropfen
Blauſäure, oder einigen Gran Arſenik, oder einer ganz
kleinen Herzwunde, und, wenn dieſe Einwirkungen ihn
geradezu zerſtören, ſo gibt es hundert andere die hinreichen,
eine Krankheitsidee zu erzeugen, welche nun nach ihrer
Eigenthümlichkeit, und nicht mehr nach dem der eigenen Idee
des Organismus ein alsdann krank zu nennendes Leben dahin
leitet. Ganz anders iſt es mit dem bewußten Geiſte, wenn er
einmal zu ſeiner Reife gelangt iſt: er iſt in dieſer Beziehung
unverwundbar wie die Luft, er kann grimmige Leiden
und Schmerzen erdulden, er kann in den gewaltigſten An¬
ſtrengungen ringen — aber er hat, in wie fern er eine zum
Selbſtbewußtſein gelangte göttliche Idee iſt, den Gedanken
ſeiner eigenen Ewigkeit erfaßt, und er wird dadurch auch
in ſeinen Offenbarungen unſterblich — ja, was uns hier
nun beſonders angeht, er iſt auch aus dieſem Grunde an
und für ſich außer allem Bereich der Krankheit. Nur in
dieſem Sinne kann daher das ganz verſtändlich werden,
was man als höhere Macht des Geiſtes von jeher verehrt
hat! — Man wird von hier aus begreifen, warum dieſer
höhere bewußte Geiſt oft ſo ganz unberührt zu bleiben
ſcheint von den grimmigſten Leiden und Krankheiten ſeiner
eigenen unbewußten Seele, und in wie fern er einer Frei¬
heit genießt, die in den Schickſalen großer erleuchteter, im
Leben oft ſchwer geprüfter Naturen, ſo vielfältig zu bewun¬
dern geweſen iſt!

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[437/0453] zu erzeugen. Es ergibt ſich daher von hier aus alsbald, wie groß der Unterſchied ſei zwiſchen der Erkrankungs¬ fähigkeit der unbewußten und bewußten Seele. Das Unbe¬ wußte nämlich, obwohl durch und durch auf einem Göttlichen und Ewigen ruhend, iſt, dieweil in ſeinen Offenbarungen an das Vergängliche gewieſen, ein überall leicht Verletz¬ bares und leicht Erkrankendes: der ſtärkſte Organismus eines Menſchen widerſteht, ſeiner auf dem Wirken des Unbewußten ruhenden Geſtaltung nach, nicht einigen Tropfen Blauſäure, oder einigen Gran Arſenik, oder einer ganz kleinen Herzwunde, und, wenn dieſe Einwirkungen ihn geradezu zerſtören, ſo gibt es hundert andere die hinreichen, eine Krankheitsidee zu erzeugen, welche nun nach ihrer Eigenthümlichkeit, und nicht mehr nach dem der eigenen Idee des Organismus ein alsdann krank zu nennendes Leben dahin leitet. Ganz anders iſt es mit dem bewußten Geiſte, wenn er einmal zu ſeiner Reife gelangt iſt: er iſt in dieſer Beziehung unverwundbar wie die Luft, er kann grimmige Leiden und Schmerzen erdulden, er kann in den gewaltigſten An¬ ſtrengungen ringen — aber er hat, in wie fern er eine zum Selbſtbewußtſein gelangte göttliche Idee iſt, den Gedanken ſeiner eigenen Ewigkeit erfaßt, und er wird dadurch auch in ſeinen Offenbarungen unſterblich — ja, was uns hier nun beſonders angeht, er iſt auch aus dieſem Grunde an und für ſich außer allem Bereich der Krankheit. Nur in dieſem Sinne kann daher das ganz verſtändlich werden, was man als höhere Macht des Geiſtes von jeher verehrt hat! — Man wird von hier aus begreifen, warum dieſer höhere bewußte Geiſt oft ſo ganz unberührt zu bleiben ſcheint von den grimmigſten Leiden und Krankheiten ſeiner eigenen unbewußten Seele, und in wie fern er einer Frei¬ heit genießt, die in den Schickſalen großer erleuchteter, im Leben oft ſchwer geprüfter Naturen, ſo vielfältig zu bewun¬ dern geweſen iſt! Nichts deſto weniger dürfen wir aber nur ſchärfer über

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846, S. 437. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_psyche_1846/453>, abgerufen am 22.11.2024.