Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Zoologie des Mittelalters.
Rebhühner. Später werden auch Singvögel erwähnt. Als Vögel,
welche sprechen gelernt hatten, führt Ruodlieb an Raben, Dohlen,
Staare und Papageyen. Als zur Jagd verwendete Vögel werden im
bayrischen Gesetze erwähnt: Kranichhabicht, Ganshabicht, Entenha-
bicht und Sperber. Die seit dem vierten Jahrhundert in Europa ver-
breitete Falkenbeize erhielt in dem vorliegenden Zeitraum durch Ein-
führung einiger im Oriente verbreiteter Einrichtungen besondere Ent-
wickelung. So trat z. B. an die Stelle des sogenannten "Aufbräuens"
(ciliatio), wobei mittelst eines eingestochenen Fadens das untere Au-
genlid über das Auge hinaufgezogen wurde, damit der Falke bei der
Zähmung nichts sehen könne, zur Zeit Friedrich's II. die Haube,
welche im Orient allgemein verbreitet war136). Wie hier eine besondere
Sitte, so waren es überhaupt Vögel, welche bei der häufigeren Be-
rührung mit fremden Völkern eingeführt wurden. So erzählt beispiels-
weise eine Schilderung des Zustandes des Elsasses im Beginn des drei-
zehnten Jahrhunderts: "Man hielt nur eine Art kleiner Hühner; erst
später wurden große Hühner mit Bart und Kämmen, ohne Schwänze
mit gelben Beinen aus entfernten Gegenden eingeführt. Es gab nur
eine Gattung von Ringel- und Holztauben; die griechischen Tauben,
die Federn an den Füßen haben, und mehrere andere Sorten wurden
erst später in das Elsaß eingeführt. Fasanen brachte zuerst ein Kleriker
aus den überseeischen Ländern mit"137).

Außer den Wunderberichten über einzelne Schlangen und Lind-
würmer, welche nicht gar zu selten die mittelalterlichen Erzählungen
schmücken, aber wenig eingehende Kenntniß von der Natur jener Thiere
verrathen, sind die Nachrichten, welche über eine Bekanntschaft mit
Reptilien und Amphibien Licht verbreiten könnten, sehr dürftige. Daß
Irland von Fröschen, Kröten und Giftschlangen frei sei, beruht auf
alten oft wiederholten Angaben. Sonstige Einzelheiten werden nur
selten berührt. Vom Jahre 1277 wird angeführt, daß ein herumschwei-

136) s. Reliqua librorum Friderici II de arte venandi cum avibus. ed.
J. G. Schneider. Tom. I. p. 97: de ciliatione seu bluitione falconum, p. 162:
de mansuefactione falconum cum capello.
137) Annalen und Chronik
von Kolmar. a. a. O. S. 110. Nr. 19.

Die Zoologie des Mittelalters.
Rebhühner. Später werden auch Singvögel erwähnt. Als Vögel,
welche ſprechen gelernt hatten, führt Ruodlieb an Raben, Dohlen,
Staare und Papageyen. Als zur Jagd verwendete Vögel werden im
bayriſchen Geſetze erwähnt: Kranichhabicht, Ganshabicht, Entenha-
bicht und Sperber. Die ſeit dem vierten Jahrhundert in Europa ver-
breitete Falkenbeize erhielt in dem vorliegenden Zeitraum durch Ein-
führung einiger im Oriente verbreiteter Einrichtungen beſondere Ent-
wickelung. So trat z. B. an die Stelle des ſogenannten „Aufbräuens“
(ciliatio), wobei mittelſt eines eingeſtochenen Fadens das untere Au-
genlid über das Auge hinaufgezogen wurde, damit der Falke bei der
Zähmung nichts ſehen könne, zur Zeit Friedrich's II. die Haube,
welche im Orient allgemein verbreitet war136). Wie hier eine beſondere
Sitte, ſo waren es überhaupt Vögel, welche bei der häufigeren Be-
rührung mit fremden Völkern eingeführt wurden. So erzählt beiſpiels-
weiſe eine Schilderung des Zuſtandes des Elſaſſes im Beginn des drei-
zehnten Jahrhunderts: „Man hielt nur eine Art kleiner Hühner; erſt
ſpäter wurden große Hühner mit Bart und Kämmen, ohne Schwänze
mit gelben Beinen aus entfernten Gegenden eingeführt. Es gab nur
eine Gattung von Ringel- und Holztauben; die griechiſchen Tauben,
die Federn an den Füßen haben, und mehrere andere Sorten wurden
erſt ſpäter in das Elſaß eingeführt. Faſanen brachte zuerſt ein Kleriker
aus den überſeeiſchen Ländern mit“137).

Außer den Wunderberichten über einzelne Schlangen und Lind-
würmer, welche nicht gar zu ſelten die mittelalterlichen Erzählungen
ſchmücken, aber wenig eingehende Kenntniß von der Natur jener Thiere
verrathen, ſind die Nachrichten, welche über eine Bekanntſchaft mit
Reptilien und Amphibien Licht verbreiten könnten, ſehr dürftige. Daß
Irland von Fröſchen, Kröten und Giftſchlangen frei ſei, beruht auf
alten oft wiederholten Angaben. Sonſtige Einzelheiten werden nur
ſelten berührt. Vom Jahre 1277 wird angeführt, daß ein herumſchwei-

136) ſ. Reliqua librorum Friderici II de arte venandi cum avibus. ed.
J. G. Schneider. Tom. I. p. 97: de ciliatione seu bluitione falconum, p. 162:
de mansuefactione falconum cum capello.
137) Annalen und Chronik
von Kolmar. a. a. O. S. 110. Nr. 19.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0195" n="184"/><fw place="top" type="header">Die Zoologie des Mittelalters.</fw><lb/>
Rebhühner. Später werden auch Singvögel erwähnt. Als Vögel,<lb/>
welche &#x017F;prechen gelernt hatten, führt Ruodlieb an Raben, Dohlen,<lb/>
Staare und Papageyen. Als zur Jagd verwendete Vögel werden im<lb/>
bayri&#x017F;chen Ge&#x017F;etze erwähnt: Kranichhabicht, Ganshabicht, Entenha-<lb/>
bicht und Sperber. Die &#x017F;eit dem vierten Jahrhundert in Europa ver-<lb/>
breitete Falkenbeize erhielt in dem vorliegenden Zeitraum durch Ein-<lb/>
führung einiger im Oriente verbreiteter Einrichtungen be&#x017F;ondere Ent-<lb/>
wickelung. So trat z. B. an die Stelle des &#x017F;ogenannten &#x201E;Aufbräuens&#x201C;<lb/>
(<hi rendition="#aq">ciliatio</hi>), wobei mittel&#x017F;t eines einge&#x017F;tochenen Fadens das untere Au-<lb/>
genlid über das Auge hinaufgezogen wurde, damit der Falke bei der<lb/>
Zähmung nichts &#x017F;ehen könne, zur Zeit <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118535765">Friedrich</persName>'s <hi rendition="#aq">II.</hi> die Haube,<lb/>
welche im Orient allgemein verbreitet war<note place="foot" n="136)">&#x017F;. <hi rendition="#aq">Reliqua librorum Friderici II de arte venandi cum avibus. ed.<lb/><persName ref="http://d-nb.info/gnd/104117672">J. G. Schneider</persName>. Tom. I. p. 97: de ciliatione seu bluitione falconum, p. 162:<lb/>
de mansuefactione falconum cum capello.</hi></note>. Wie hier eine be&#x017F;ondere<lb/>
Sitte, &#x017F;o waren es überhaupt Vögel, welche bei der häufigeren Be-<lb/>
rührung mit fremden Völkern eingeführt wurden. So erzählt bei&#x017F;piels-<lb/>
wei&#x017F;e eine Schilderung des Zu&#x017F;tandes des El&#x017F;a&#x017F;&#x017F;es im Beginn des drei-<lb/>
zehnten Jahrhunderts: &#x201E;Man hielt nur eine Art kleiner Hühner; er&#x017F;t<lb/>
&#x017F;päter wurden große Hühner mit Bart und Kämmen, ohne Schwänze<lb/>
mit gelben Beinen aus entfernten Gegenden eingeführt. Es gab nur<lb/>
eine Gattung von Ringel- und Holztauben; die griechi&#x017F;chen Tauben,<lb/>
die Federn an den Füßen haben, und mehrere andere Sorten wurden<lb/>
er&#x017F;t &#x017F;päter in das El&#x017F;aß eingeführt. Fa&#x017F;anen brachte zuer&#x017F;t ein Kleriker<lb/>
aus den über&#x017F;eei&#x017F;chen Ländern mit&#x201C;<note place="foot" n="137)">Annalen und Chronik<lb/>
von Kolmar. a. a. O. S. 110. Nr. 19.</note>.</p><lb/>
            <p>Außer den Wunderberichten über einzelne Schlangen und Lind-<lb/>
würmer, welche nicht gar zu &#x017F;elten die mittelalterlichen Erzählungen<lb/>
&#x017F;chmücken, aber wenig eingehende Kenntniß von der Natur jener Thiere<lb/>
verrathen, &#x017F;ind die Nachrichten, welche über eine Bekannt&#x017F;chaft mit<lb/>
Reptilien und Amphibien Licht verbreiten könnten, &#x017F;ehr dürftige. Daß<lb/>
Irland von Frö&#x017F;chen, Kröten und Gift&#x017F;chlangen frei &#x017F;ei, beruht auf<lb/>
alten oft wiederholten Angaben. Son&#x017F;tige Einzelheiten werden nur<lb/>
&#x017F;elten berührt. Vom Jahre 1277 wird angeführt, daß ein herum&#x017F;chwei-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[184/0195] Die Zoologie des Mittelalters. Rebhühner. Später werden auch Singvögel erwähnt. Als Vögel, welche ſprechen gelernt hatten, führt Ruodlieb an Raben, Dohlen, Staare und Papageyen. Als zur Jagd verwendete Vögel werden im bayriſchen Geſetze erwähnt: Kranichhabicht, Ganshabicht, Entenha- bicht und Sperber. Die ſeit dem vierten Jahrhundert in Europa ver- breitete Falkenbeize erhielt in dem vorliegenden Zeitraum durch Ein- führung einiger im Oriente verbreiteter Einrichtungen beſondere Ent- wickelung. So trat z. B. an die Stelle des ſogenannten „Aufbräuens“ (ciliatio), wobei mittelſt eines eingeſtochenen Fadens das untere Au- genlid über das Auge hinaufgezogen wurde, damit der Falke bei der Zähmung nichts ſehen könne, zur Zeit Friedrich's II. die Haube, welche im Orient allgemein verbreitet war 136). Wie hier eine beſondere Sitte, ſo waren es überhaupt Vögel, welche bei der häufigeren Be- rührung mit fremden Völkern eingeführt wurden. So erzählt beiſpiels- weiſe eine Schilderung des Zuſtandes des Elſaſſes im Beginn des drei- zehnten Jahrhunderts: „Man hielt nur eine Art kleiner Hühner; erſt ſpäter wurden große Hühner mit Bart und Kämmen, ohne Schwänze mit gelben Beinen aus entfernten Gegenden eingeführt. Es gab nur eine Gattung von Ringel- und Holztauben; die griechiſchen Tauben, die Federn an den Füßen haben, und mehrere andere Sorten wurden erſt ſpäter in das Elſaß eingeführt. Faſanen brachte zuerſt ein Kleriker aus den überſeeiſchen Ländern mit“ 137). Außer den Wunderberichten über einzelne Schlangen und Lind- würmer, welche nicht gar zu ſelten die mittelalterlichen Erzählungen ſchmücken, aber wenig eingehende Kenntniß von der Natur jener Thiere verrathen, ſind die Nachrichten, welche über eine Bekanntſchaft mit Reptilien und Amphibien Licht verbreiten könnten, ſehr dürftige. Daß Irland von Fröſchen, Kröten und Giftſchlangen frei ſei, beruht auf alten oft wiederholten Angaben. Sonſtige Einzelheiten werden nur ſelten berührt. Vom Jahre 1277 wird angeführt, daß ein herumſchwei- 136) ſ. Reliqua librorum Friderici II de arte venandi cum avibus. ed. J. G. Schneider. Tom. I. p. 97: de ciliatione seu bluitione falconum, p. 162: de mansuefactione falconum cum capello. 137) Annalen und Chronik von Kolmar. a. a. O. S. 110. Nr. 19.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/195
Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/195>, abgerufen am 21.11.2024.