Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.Das dreizehnte Jahrhundert. Geschichte von besonderem Werthe, so ist doch mit ihnen das Gesammt-bild der Leistungen noch nicht erschöpft, welche entweder vorbereitend oder das Begonnene weiterführend eine Erwähnung verdienen. Es muß auch schon im Allgemeinen auffallen, daß der Charakter der Litte- ratur, insofern sie auf die Natur Rücksicht nimmt oder sich ganz mit ihr beschäftigt, sich fast in derselben Weise ändert, wie es bei gewissen Seiten der historischen Anschauung der Fall gewesen ist. Es ist näm- lich mit Recht darauf hingewiesen worden, daß die in den früheren Jahrhunderten des Mittelalters in so vielfachen Bearbeitungen auftre- tenden Alexander- und Troja-Sagen von jener Zeit an entweder ganz verschwinden oder ausdrücklich als Fictionen bezeichnet werden, wo mit dem Bekanntwerden des Homer einerseits und der griechischen Historiker andererseits das historische Element der Sagen den mythischen Gehalt derselben durch den jederzeit mächtigen Zauber der Wahrheit in den Hintergrund drängte. In ganz gleicher Weise ist auch für die zoolo- gische Litteratur nicht zu verkennen, daß mit dem Bekanntwerden des Aristoteles ein Wendepunkt eintritt. In Folge seiner Anregung wurde man nachdrücklicher auf die Naturgegenstände selbst geführt und eine wenngleich freilich noch oberflächliche aber doch immerhin directe Beobach- tung der Thiere selbst lehrte das auch ohne mythischen Zusatz wunderbar genug erscheinende Leben derselben kennen. Hierdurch wurde aber die Richtung, welche sich nur in mystischen Deutungen und symbolischen Auslegungen einzelner, zuweilen selbst als nicht sicher beobachtet aner- kannter Züge aus dem Thierleben gefallen hatte, allmählich beseitigt oder wenigstens in Bezug auf das von ihr im Auge gehabte Publikum wesentlich beschränkt. War es auffallend, daß von den arabischen Uebersetzungen, Com- 16*
Das dreizehnte Jahrhundert. Geſchichte von beſonderem Werthe, ſo iſt doch mit ihnen das Geſammt-bild der Leiſtungen noch nicht erſchöpft, welche entweder vorbereitend oder das Begonnene weiterführend eine Erwähnung verdienen. Es muß auch ſchon im Allgemeinen auffallen, daß der Charakter der Litte- ratur, inſofern ſie auf die Natur Rückſicht nimmt oder ſich ganz mit ihr beſchäftigt, ſich faſt in derſelben Weiſe ändert, wie es bei gewiſſen Seiten der hiſtoriſchen Anſchauung der Fall geweſen iſt. Es iſt näm- lich mit Recht darauf hingewieſen worden, daß die in den früheren Jahrhunderten des Mittelalters in ſo vielfachen Bearbeitungen auftre- tenden Alexander- und Troja-Sagen von jener Zeit an entweder ganz verſchwinden oder ausdrücklich als Fictionen bezeichnet werden, wo mit dem Bekanntwerden des Homer einerſeits und der griechiſchen Hiſtoriker andererſeits das hiſtoriſche Element der Sagen den mythiſchen Gehalt derſelben durch den jederzeit mächtigen Zauber der Wahrheit in den Hintergrund drängte. In ganz gleicher Weiſe iſt auch für die zoolo- giſche Litteratur nicht zu verkennen, daß mit dem Bekanntwerden des Ariſtoteles ein Wendepunkt eintritt. In Folge ſeiner Anregung wurde man nachdrücklicher auf die Naturgegenſtände ſelbſt geführt und eine wenngleich freilich noch oberflächliche aber doch immerhin directe Beobach- tung der Thiere ſelbſt lehrte das auch ohne mythiſchen Zuſatz wunderbar genug erſcheinende Leben derſelben kennen. Hierdurch wurde aber die Richtung, welche ſich nur in myſtiſchen Deutungen und ſymboliſchen Auslegungen einzelner, zuweilen ſelbſt als nicht ſicher beobachtet aner- kannter Züge aus dem Thierleben gefallen hatte, allmählich beſeitigt oder wenigſtens in Bezug auf das von ihr im Auge gehabte Publikum weſentlich beſchränkt. War es auffallend, daß von den arabiſchen Ueberſetzungen, Com- 16*
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Das dreizehnte Jahrhundert.
Geſchichte von beſonderem Werthe, ſo iſt doch mit ihnen das Geſammt-
bild der Leiſtungen noch nicht erſchöpft, welche entweder vorbereitend
oder das Begonnene weiterführend eine Erwähnung verdienen. Es
muß auch ſchon im Allgemeinen auffallen, daß der Charakter der Litte-
ratur, inſofern ſie auf die Natur Rückſicht nimmt oder ſich ganz mit
ihr beſchäftigt, ſich faſt in derſelben Weiſe ändert, wie es bei gewiſſen
Seiten der hiſtoriſchen Anſchauung der Fall geweſen iſt. Es iſt näm-
lich mit Recht darauf hingewieſen worden, daß die in den früheren
Jahrhunderten des Mittelalters in ſo vielfachen Bearbeitungen auftre-
tenden Alexander- und Troja-Sagen von jener Zeit an entweder ganz
verſchwinden oder ausdrücklich als Fictionen bezeichnet werden, wo mit
dem Bekanntwerden des Homer einerſeits und der griechiſchen Hiſtoriker
andererſeits das hiſtoriſche Element der Sagen den mythiſchen Gehalt
derſelben durch den jederzeit mächtigen Zauber der Wahrheit in den
Hintergrund drängte. In ganz gleicher Weiſe iſt auch für die zoolo-
giſche Litteratur nicht zu verkennen, daß mit dem Bekanntwerden des
Ariſtoteles ein Wendepunkt eintritt. In Folge ſeiner Anregung wurde
man nachdrücklicher auf die Naturgegenſtände ſelbſt geführt und eine
wenngleich freilich noch oberflächliche aber doch immerhin directe Beobach-
tung der Thiere ſelbſt lehrte das auch ohne mythiſchen Zuſatz wunderbar
genug erſcheinende Leben derſelben kennen. Hierdurch wurde aber die
Richtung, welche ſich nur in myſtiſchen Deutungen und ſymboliſchen
Auslegungen einzelner, zuweilen ſelbſt als nicht ſicher beobachtet aner-
kannter Züge aus dem Thierleben gefallen hatte, allmählich beſeitigt
oder wenigſtens in Bezug auf das von ihr im Auge gehabte Publikum
weſentlich beſchränkt.
War es auffallend, daß von den arabiſchen Ueberſetzungen, Com-
mentaren und Auszügen des Ariſtoteles nur einzelne in die abendlän-
diſche Litteratur drangen, ſo iſt auch die Zahl der aus dem dreizehnten
Jahrhundert bekannten abendländiſchen Commentatoren merkwürdig
klein. Denn wenn auch theils durch die nun einmal vorhandene ara-
biſch-lateiniſche Ueberſetzung, dann durch das für ſeine Zeit abſchließende
Werk Albert des Großen dem hauptſächlichſten Bedürfniſſe Genüge ge-
than zu ſein ſcheint, ſo iſt doch kaum zu erwarten, daß in einer ſonſt
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