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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

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Verbreitete Anschauungen vom Thierreich.
sechsmal im Druck. Aber auch noch später geschriebene selbständige
Werke athmen denselben Geist wie z. B. das Buch von Aegidius
Albertinus
, der Welt Tummel- und Schauplatz4), was der Ver-
fasser "aus guten und bewährten Autoren colligiret" zu haben behauptet,
was aber, ohne jede Kritik, auf die Leistungen seiner unmittelbaren
Vorgänger, z. B. Gesner, gar keine Rücksicht nimmt, sondern sich
in den Thiergeschichten und angehängten Moralisationen ganz an die
Schriftsteller des dreizehnten Jahrhunderts anschließt. Aehnlich halt-
und kritiklos sind auch die Sammlungen merkwürder Notizen von
Mizaldus, welche noch später häufig citirt werden5). Aber nicht
bloß durch derartige Sammelwerke zog sich der überlieferte, wissen-
schaftlich unbrauchbare Stoff. Ganz gleichen Korns waren auch Ein-
zeldarstellungen, wie z. B. das 1520 in Rostock erschienene Werk:
Nic. Marescalci Thurii historia aquatilium6), worüber Con-
rad Gesner
in der Aufzählung der Autoren zum vierten Band seiner
Thiergeschichte ein sehr scharfes Urteil ausspricht. Und wo in allge-
meinen Erziehungsbüchern auf Thiere, wenn auch nur beiläufig, die
Rede kam, war es um die Auffassung derselben nicht besser bestellt. Es
mag hier nur an den Lucidarius oder Elucidarius, ein Un-
terrichtsbuch in dialogischer Form, erinnert werden, welcher bei Schil-
derung der einzelnen Welttheile die sämmtlichen alten Wundergeschichten
wiederholt. Hier werden bei Asien die wunderbaren Menschenformen,
ganz wie bei der Herodot und Ktesias geschildert, die Ohneköpfe, Hunds-
köpfe, die vom Geruch der Aepfel Lebenden u. s. w.; dann erscheinen
die Lindwürmer, die Leucotrota, Manticora, das Einhorn, die ganzen

4) Aeg. Albertinus, Der Welt Tummel- und Schaw-Platz sampt der bit-
tersüßen Wahrheit, darinn mit Einführung vieler schöner und fürtrefflicher Discur-
sen nit allein die natürliche, sondern auch die moralische und sittliche Eigenschaften
und Geheimnussen der fürnemsten Creaturen und Geschöpf Gottes sehr lustige geist
und politischer Weiß erklärt etc. München, 1612. 4°. Beispielsweise kommt hier die
Geschichte von Meerfisch Chelion genau so wie bei Thomas Cantipratanus vor.
5) Mizaldus, Memorabilium utilium Centuriae IX. Francofurti,
1599, 12.
6) Eine Erwährung dieses äußerst seltnen Buchs s. in Beckmann, Ge-
schichte der Erfindungen, Bd. 3. S. 431. Ich kenne das Buch nicht.

Verbreitete Anſchauungen vom Thierreich.
ſechsmal im Druck. Aber auch noch ſpäter geſchriebene ſelbſtändige
Werke athmen denſelben Geiſt wie z. B. das Buch von Aegidius
Albertinus
, der Welt Tummel- und Schauplatz4), was der Ver-
faſſer „aus guten und bewährten Autoren colligiret“ zu haben behauptet,
was aber, ohne jede Kritik, auf die Leiſtungen ſeiner unmittelbaren
Vorgänger, z. B. Gesner, gar keine Rückſicht nimmt, ſondern ſich
in den Thiergeſchichten und angehängten Moraliſationen ganz an die
Schriftſteller des dreizehnten Jahrhunderts anſchließt. Aehnlich halt-
und kritiklos ſind auch die Sammlungen merkwürder Notizen von
Mizaldus, welche noch ſpäter häufig citirt werden5). Aber nicht
bloß durch derartige Sammelwerke zog ſich der überlieferte, wiſſen-
ſchaftlich unbrauchbare Stoff. Ganz gleichen Korns waren auch Ein-
zeldarſtellungen, wie z. B. das 1520 in Roſtock erſchienene Werk:
Nic. Marescalci Thurii historia aquatilium6), worüber Con-
rad Gesner
in der Aufzählung der Autoren zum vierten Band ſeiner
Thiergeſchichte ein ſehr ſcharfes Urteil ausſpricht. Und wo in allge-
meinen Erziehungsbüchern auf Thiere, wenn auch nur beiläufig, die
Rede kam, war es um die Auffaſſung derſelben nicht beſſer beſtellt. Es
mag hier nur an den Lucidarius oder Elucidarius, ein Un-
terrichtsbuch in dialogiſcher Form, erinnert werden, welcher bei Schil-
derung der einzelnen Welttheile die ſämmtlichen alten Wundergeſchichten
wiederholt. Hier werden bei Aſien die wunderbaren Menſchenformen,
ganz wie bei der Herodot und Kteſias geſchildert, die Ohneköpfe, Hunds-
köpfe, die vom Geruch der Aepfel Lebenden u. ſ. w.; dann erſcheinen
die Lindwürmer, die Leucotrota, Manticora, das Einhorn, die ganzen

4) Aeg. Albertinus, Der Welt Tummel- und Schaw-Platz ſampt der bit-
terſüßen Wahrheit, darinn mit Einführung vieler ſchöner und fürtrefflicher Discur-
ſen nit allein die natürliche, ſondern auch die moraliſche und ſittliche Eigenſchaften
und Geheimnuſſen der fürnemſten Creaturen und Geſchöpf Gottes ſehr luſtige geiſt
und politiſcher Weiß erklärt ꝛc. München, 1612. 4°. Beiſpielsweiſe kommt hier die
Geſchichte von Meerfiſch Chelion genau ſo wie bei Thomas Cantipratanus vor.
5) Mizaldus, Memorabilium utilium Centuriae IX. Francofurti,
1599, 12.
6) Eine Erwährung dieſes äußerſt ſeltnen Buchs ſ. in Beckmann, Ge-
ſchichte der Erfindungen, Bd. 3. S. 431. Ich kenne das Buch nicht.
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[269/0280] Verbreitete Anſchauungen vom Thierreich. ſechsmal im Druck. Aber auch noch ſpäter geſchriebene ſelbſtändige Werke athmen denſelben Geiſt wie z. B. das Buch von Aegidius Albertinus, der Welt Tummel- und Schauplatz 4), was der Ver- faſſer „aus guten und bewährten Autoren colligiret“ zu haben behauptet, was aber, ohne jede Kritik, auf die Leiſtungen ſeiner unmittelbaren Vorgänger, z. B. Gesner, gar keine Rückſicht nimmt, ſondern ſich in den Thiergeſchichten und angehängten Moraliſationen ganz an die Schriftſteller des dreizehnten Jahrhunderts anſchließt. Aehnlich halt- und kritiklos ſind auch die Sammlungen merkwürder Notizen von Mizaldus, welche noch ſpäter häufig citirt werden 5). Aber nicht bloß durch derartige Sammelwerke zog ſich der überlieferte, wiſſen- ſchaftlich unbrauchbare Stoff. Ganz gleichen Korns waren auch Ein- zeldarſtellungen, wie z. B. das 1520 in Roſtock erſchienene Werk: Nic. Marescalci Thurii historia aquatilium 6), worüber Con- rad Gesner in der Aufzählung der Autoren zum vierten Band ſeiner Thiergeſchichte ein ſehr ſcharfes Urteil ausſpricht. Und wo in allge- meinen Erziehungsbüchern auf Thiere, wenn auch nur beiläufig, die Rede kam, war es um die Auffaſſung derſelben nicht beſſer beſtellt. Es mag hier nur an den Lucidarius oder Elucidarius, ein Un- terrichtsbuch in dialogiſcher Form, erinnert werden, welcher bei Schil- derung der einzelnen Welttheile die ſämmtlichen alten Wundergeſchichten wiederholt. Hier werden bei Aſien die wunderbaren Menſchenformen, ganz wie bei der Herodot und Kteſias geſchildert, die Ohneköpfe, Hunds- köpfe, die vom Geruch der Aepfel Lebenden u. ſ. w.; dann erſcheinen die Lindwürmer, die Leucotrota, Manticora, das Einhorn, die ganzen 4) Aeg. Albertinus, Der Welt Tummel- und Schaw-Platz ſampt der bit- terſüßen Wahrheit, darinn mit Einführung vieler ſchöner und fürtrefflicher Discur- ſen nit allein die natürliche, ſondern auch die moraliſche und ſittliche Eigenſchaften und Geheimnuſſen der fürnemſten Creaturen und Geſchöpf Gottes ſehr luſtige geiſt und politiſcher Weiß erklärt ꝛc. München, 1612. 4°. Beiſpielsweiſe kommt hier die Geſchichte von Meerfiſch Chelion genau ſo wie bei Thomas Cantipratanus vor. 5) Mizaldus, Memorabilium utilium Centuriae IX. Francofurti, 1599, 12. 6) Eine Erwährung dieſes äußerſt ſeltnen Buchs ſ. in Beckmann, Ge- ſchichte der Erfindungen, Bd. 3. S. 431. Ich kenne das Buch nicht.

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Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/280>, abgerufen am 22.11.2024.