Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.Periode der encyklopädischen Darstellungen. Schriften ist der Schlesische Thiergarten von Kaspar Schwenck-feld, praktischem Arzte zu Hirschberg64). Der Verfasser (geb. 1563, gest. 1609) bezieht sich in der Vorrede seines lateinisch geschriebenen Werkes ausdrücklich auf die Vortheile, welche die Mediciner aus der genauen Kenntniß der in ihrem Vaterlande vorkommenden Thiere für die Ausübung ihrer Kunst ziehen können. Er verspricht demzufolge alle schlesischen Thiere, der Luft, des Wassers und wo sie sich überhaupt nur finden, zu schildern, bleibt aber dann, nach heutiger Anschauung, diesem Grundsatze insofern nicht treu, als er auch alle fremden Thiere, welche in Schlesien nur vorübergehend gezeigt wurden oder als aus- ländische bekannt waren, mit anführt. Ja, er erwähnt sogar Gegen- stände seines Museums, wie ein exenterirtes, getrocknetes Krokodil. Es finden sich daher neben den einheimischen Thieren, welche in großer Reichhaltigkeit erscheinen und verhältnißmäßig nicht ungeschickt charak- terisirt werden, auch Elefanten, Löwen, Affen, Meerschweinchen u. a. m. Schwenckfeld's allgemeiner zoologischer Standpunkt ist in Anbe- tracht der bis zu seiner Zeit erschienenen Leistungen kein tief eingehen- der. In großer Ausführlichkeit gibt er zwar in der allgemeinen Einlei- tung, sowie in den den einzelnen Gruppen vorausgeschickten Bemer- kungen eine Uebersicht der einzelnen Theile, der gleichartigen und ungleichartigen, wobei sich aristotelische Verallgemeinerungen eingestreut finden. Aber die systematische Anordnung entspricht den hierdurch ge- weckten Erwartungen nicht und ist nur dem vorliegenden Bedürfnisse einer einigermaßen geordneten Aufzählung angepaßt; die vorausgeschickte tabellarische Uebersicht ist hinter den zu seiner Zeit bereits angestrebten oder durchgeführten Neuerungen zurückgeblieben. Es verlohnt sich in- deß nicht, hier näher darauf einzugehen; auch wäre es ungerecht, einen Maßstab an ein sonst verdienstliches und besonders durch die angehäng- ten deutschen Bezeichnungen nicht uninteressantes Werk zu legen, wel- cher den Gesichtspunkten des Verfassers nicht angemessen wäre. 64) Theriotropheum Silesiae in quo Animalium hoc est Quadrupedum,
Reptilium, Avium, Piscium, Insectorum natura, vis ex usus sex libris per- stringuntur. Lignicii, 1603. 4°. Periode der encyklopädiſchen Darſtellungen. Schriften iſt der Schleſiſche Thiergarten von Kaspar Schwenck-feld, praktiſchem Arzte zu Hirſchberg64). Der Verfaſſer (geb. 1563, geſt. 1609) bezieht ſich in der Vorrede ſeines lateiniſch geſchriebenen Werkes ausdrücklich auf die Vortheile, welche die Mediciner aus der genauen Kenntniß der in ihrem Vaterlande vorkommenden Thiere für die Ausübung ihrer Kunſt ziehen können. Er verſpricht demzufolge alle ſchleſiſchen Thiere, der Luft, des Waſſers und wo ſie ſich überhaupt nur finden, zu ſchildern, bleibt aber dann, nach heutiger Anſchauung, dieſem Grundſatze inſofern nicht treu, als er auch alle fremden Thiere, welche in Schleſien nur vorübergehend gezeigt wurden oder als aus- ländiſche bekannt waren, mit anführt. Ja, er erwähnt ſogar Gegen- ſtände ſeines Muſeums, wie ein exenterirtes, getrocknetes Krokodil. Es finden ſich daher neben den einheimiſchen Thieren, welche in großer Reichhaltigkeit erſcheinen und verhältnißmäßig nicht ungeſchickt charak- teriſirt werden, auch Elefanten, Löwen, Affen, Meerſchweinchen u. a. m. Schwenckfeld's allgemeiner zoologiſcher Standpunkt iſt in Anbe- tracht der bis zu ſeiner Zeit erſchienenen Leiſtungen kein tief eingehen- der. In großer Ausführlichkeit gibt er zwar in der allgemeinen Einlei- tung, ſowie in den den einzelnen Gruppen vorausgeſchickten Bemer- kungen eine Ueberſicht der einzelnen Theile, der gleichartigen und ungleichartigen, wobei ſich ariſtoteliſche Verallgemeinerungen eingeſtreut finden. Aber die ſyſtematiſche Anordnung entſpricht den hierdurch ge- weckten Erwartungen nicht und iſt nur dem vorliegenden Bedürfniſſe einer einigermaßen geordneten Aufzählung angepaßt; die vorausgeſchickte tabellariſche Ueberſicht iſt hinter den zu ſeiner Zeit bereits angeſtrebten oder durchgeführten Neuerungen zurückgeblieben. Es verlohnt ſich in- deß nicht, hier näher darauf einzugehen; auch wäre es ungerecht, einen Maßſtab an ein ſonſt verdienſtliches und beſonders durch die angehäng- ten deutſchen Bezeichnungen nicht unintereſſantes Werk zu legen, wel- cher den Geſichtspunkten des Verfaſſers nicht angemeſſen wäre. 64) Theriotropheum Silesiae in quo Animalium hoc est Quadrupedum,
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Periode der encyklopädiſchen Darſtellungen.
Schriften iſt der Schleſiſche Thiergarten von Kaspar Schwenck-
feld, praktiſchem Arzte zu Hirſchberg 64). Der Verfaſſer (geb. 1563,
geſt. 1609) bezieht ſich in der Vorrede ſeines lateiniſch geſchriebenen
Werkes ausdrücklich auf die Vortheile, welche die Mediciner aus der
genauen Kenntniß der in ihrem Vaterlande vorkommenden Thiere für
die Ausübung ihrer Kunſt ziehen können. Er verſpricht demzufolge alle
ſchleſiſchen Thiere, der Luft, des Waſſers und wo ſie ſich überhaupt
nur finden, zu ſchildern, bleibt aber dann, nach heutiger Anſchauung,
dieſem Grundſatze inſofern nicht treu, als er auch alle fremden Thiere,
welche in Schleſien nur vorübergehend gezeigt wurden oder als aus-
ländiſche bekannt waren, mit anführt. Ja, er erwähnt ſogar Gegen-
ſtände ſeines Muſeums, wie ein exenterirtes, getrocknetes Krokodil. Es
finden ſich daher neben den einheimiſchen Thieren, welche in großer
Reichhaltigkeit erſcheinen und verhältnißmäßig nicht ungeſchickt charak-
teriſirt werden, auch Elefanten, Löwen, Affen, Meerſchweinchen u. a.
m. Schwenckfeld's allgemeiner zoologiſcher Standpunkt iſt in Anbe-
tracht der bis zu ſeiner Zeit erſchienenen Leiſtungen kein tief eingehen-
der. In großer Ausführlichkeit gibt er zwar in der allgemeinen Einlei-
tung, ſowie in den den einzelnen Gruppen vorausgeſchickten Bemer-
kungen eine Ueberſicht der einzelnen Theile, der gleichartigen und
ungleichartigen, wobei ſich ariſtoteliſche Verallgemeinerungen eingeſtreut
finden. Aber die ſyſtematiſche Anordnung entſpricht den hierdurch ge-
weckten Erwartungen nicht und iſt nur dem vorliegenden Bedürfniſſe
einer einigermaßen geordneten Aufzählung angepaßt; die vorausgeſchickte
tabellariſche Ueberſicht iſt hinter den zu ſeiner Zeit bereits angeſtrebten
oder durchgeführten Neuerungen zurückgeblieben. Es verlohnt ſich in-
deß nicht, hier näher darauf einzugehen; auch wäre es ungerecht, einen
Maßſtab an ein ſonſt verdienſtliches und beſonders durch die angehäng-
ten deutſchen Bezeichnungen nicht unintereſſantes Werk zu legen, wel-
cher den Geſichtspunkten des Verfaſſers nicht angemeſſen wäre.
64) Theriotropheum Silesiae in quo Animalium hoc est Quadrupedum,
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stringuntur. Lignicii, 1603. 4°.
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