nen derartiger Monographien, wie man die nun zu erwähnenden Schrif- ten immerhin schon nennen kann, ein Beweis für die geistige Samm- lung, welche die Aufmerksamkeit von der Menge des Neuen und viel- fach Zerstreuenden auf Einzelnes und Näherliegendes richten hieß. Bei einer Uebersicht derselben kann es nicht vermieden werden, die in ihnen etwa vorkommenden vergleichend-anatomischen Bemerkungen schon jetzt zu erwähnen, während die Entwickelung der vergleichenden Anatomie später besonders betrachtet werden wird.
Folgt man nun, um diese Einzelarbeiten zu ordnen, dem zoolo- gischen Systeme und beginnt dabei auch hier mit den Säugethieren, so ist zunächst der ältesten zweifellosen Schilderung des Chimpanse zu ge- denken, welche in den "Medicinischen Beobachtungen" des Holländers Nikolaus Tulp enthalten ist65). Tulp war praktischer Arzt, später Bürgermeister von Amsterdam (geb. 1593, gest. 1674) und ist außer der einzigen von ihm herausgegebenen, eben erwähnten Schrift beson- ders durch das Rembrandt'sche Bild bekannt, auf welchem er im Kreise einiger Schüler vor einer Leiche stehend die Anatomie der Armmuskeln erklärt, trotzdem er weder Anatom noch Professor war. Zu seiner Zeit kannte man bereits das Vorhandensein eines anthropomorphen Affen, des Orang-Utang, und in Folge des Mangels einer genauen Schil- derung dieses in Europa noch nicht gesehenen Thiers hielt Tulpiusdas lebend aus Angola nach Holland gebrachte Exemplar eines jungen Chimpanse für gleichartig mit jenem und nannte es Indischen Satyr, welcher "von den Indern Orang Utang, von den Afrikanern Quoias Morrou genannt werde"66). Die etwas knapp gehaltene Beschreibung und die charakteristische in Kupferstich beigegebene Abbildung lassen keine Misdeutung zu. Und wenn auch in beiden keine von den Einzel- heiten hervorgehoben wird, welche später zur Unterscheidung der men- schenähnlichen Affen dienen, so ist doch eine Verwechselung mit einer
65)Nic. Tulpii Observationes medicae. Amstelredami (Elzevir) 1641. 8., dann 1652 und öfter, von 1716 an mit der Lebensbeschreibung. Die Schilderung des Chimpanse findet sich im 3. Buch, 56. Kap.
66) Eine Geschichte der Kenntniß der Anthropomorphen mit Erwähnung der früheren Reiseberichte von Pigafetta und Purchas s. in Huxley Zeugnisse für die Stellung des Menschen in der Natur. Uebersetz. Braunschweig 1863. S. 1 flgde.
Periode der encyklopädiſchen Darſtellungen.
nen derartiger Monographien, wie man die nun zu erwähnenden Schrif- ten immerhin ſchon nennen kann, ein Beweis für die geiſtige Samm- lung, welche die Aufmerkſamkeit von der Menge des Neuen und viel- fach Zerſtreuenden auf Einzelnes und Näherliegendes richten hieß. Bei einer Ueberſicht derſelben kann es nicht vermieden werden, die in ihnen etwa vorkommenden vergleichend-anatomiſchen Bemerkungen ſchon jetzt zu erwähnen, während die Entwickelung der vergleichenden Anatomie ſpäter beſonders betrachtet werden wird.
Folgt man nun, um dieſe Einzelarbeiten zu ordnen, dem zoolo- giſchen Syſteme und beginnt dabei auch hier mit den Säugethieren, ſo iſt zunächſt der älteſten zweifelloſen Schilderung des Chimpanſe zu ge- denken, welche in den „Mediciniſchen Beobachtungen“ des Holländers Nikolaus Tulp enthalten iſt65). Tulp war praktiſcher Arzt, ſpäter Bürgermeiſter von Amſterdam (geb. 1593, geſt. 1674) und iſt außer der einzigen von ihm herausgegebenen, eben erwähnten Schrift beſon- ders durch das Rembrandt'ſche Bild bekannt, auf welchem er im Kreiſe einiger Schüler vor einer Leiche ſtehend die Anatomie der Armmuskeln erklärt, trotzdem er weder Anatom noch Profeſſor war. Zu ſeiner Zeit kannte man bereits das Vorhandenſein eines anthropomorphen Affen, des Orang-Utang, und in Folge des Mangels einer genauen Schil- derung dieſes in Europa noch nicht geſehenen Thiers hielt Tulpiusdas lebend aus Angola nach Holland gebrachte Exemplar eines jungen Chimpanſe für gleichartig mit jenem und nannte es Indiſchen Satyr, welcher „von den Indern Orang Utang, von den Afrikanern Quoias Morrou genannt werde“66). Die etwas knapp gehaltene Beſchreibung und die charakteriſtiſche in Kupferſtich beigegebene Abbildung laſſen keine Misdeutung zu. Und wenn auch in beiden keine von den Einzel- heiten hervorgehoben wird, welche ſpäter zur Unterſcheidung der men- ſchenähnlichen Affen dienen, ſo iſt doch eine Verwechſelung mit einer
65)Nic. Tulpii Observationes medicae. Amstelredami (Elzevir) 1641. 8., dann 1652 und öfter, von 1716 an mit der Lebensbeſchreibung. Die Schilderung des Chimpanſe findet ſich im 3. Buch, 56. Kap.
66) Eine Geſchichte der Kenntniß der Anthropomorphen mit Erwähnung der früheren Reiſeberichte von Pigafetta und Purchas ſ. in Huxley Zeugniſſe für die Stellung des Menſchen in der Natur. Ueberſetz. Braunſchweig 1863. S. 1 flgde.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0351"n="340"/><fwplace="top"type="header">Periode der encyklopädiſchen Darſtellungen.</fw><lb/>
nen derartiger Monographien, wie man die nun zu erwähnenden Schrif-<lb/>
ten immerhin ſchon nennen kann, ein Beweis für die geiſtige Samm-<lb/>
lung, welche die Aufmerkſamkeit von der Menge des Neuen und viel-<lb/>
fach Zerſtreuenden auf Einzelnes und Näherliegendes richten hieß. Bei<lb/>
einer Ueberſicht derſelben kann es nicht vermieden werden, die in ihnen<lb/>
etwa vorkommenden vergleichend-anatomiſchen Bemerkungen ſchon jetzt<lb/>
zu erwähnen, während die Entwickelung der vergleichenden Anatomie<lb/>ſpäter beſonders betrachtet werden wird.</p><lb/><p>Folgt man nun, um dieſe Einzelarbeiten zu ordnen, dem zoolo-<lb/>
giſchen Syſteme und beginnt dabei auch hier mit den Säugethieren, ſo<lb/>
iſt zunächſt der älteſten zweifelloſen Schilderung des Chimpanſe zu ge-<lb/>
denken, welche in den „Mediciniſchen Beobachtungen“ des Holländers<lb/><hirendition="#g">Nikolaus Tulp</hi> enthalten iſt<noteplace="foot"n="65)"><hirendition="#aq"><hirendition="#g"><persNameref="http://d-nb.info/gnd/117752258">Nic. Tulpi</persName>i</hi> Observationes medicae. Amstelredami (Elzevir)</hi><lb/>
1641. 8., dann 1652 und öfter, von 1716 an mit der Lebensbeſchreibung. Die<lb/>
Schilderung des Chimpanſe findet ſich im 3. Buch, 56. Kap.</note>. <persNameref="http://d-nb.info/gnd/117752258">Tulp</persName> war praktiſcher Arzt, ſpäter<lb/>
Bürgermeiſter von Amſterdam (geb. 1593, geſt. 1674) und iſt außer<lb/>
der einzigen von ihm herausgegebenen, eben erwähnten Schrift beſon-<lb/>
ders durch das Rembrandt'ſche Bild bekannt, auf welchem er im Kreiſe<lb/>
einiger Schüler vor einer Leiche ſtehend die Anatomie der Armmuskeln<lb/>
erklärt, trotzdem er weder Anatom noch Profeſſor war. Zu ſeiner Zeit<lb/>
kannte man bereits das Vorhandenſein eines anthropomorphen Affen,<lb/>
des Orang-Utang, und in Folge des Mangels einer genauen Schil-<lb/>
derung dieſes in Europa noch nicht geſehenen Thiers hielt Tulpiusdas<lb/>
lebend aus Angola nach Holland gebrachte Exemplar eines jungen<lb/>
Chimpanſe für gleichartig mit jenem und nannte es Indiſchen Satyr,<lb/>
welcher „von den Indern Orang Utang, von den Afrikanern Quoias<lb/>
Morrou genannt werde“<noteplace="foot"n="66)"> Eine Geſchichte der Kenntniß der Anthropomorphen mit Erwähnung der<lb/>
früheren Reiſeberichte von <persNameref="http://d-nb.info/gnd/119316498">Pigafetta</persName> und <persNameref="http://d-nb.info/gnd/12016583X">Purchas</persName>ſ. in <hirendition="#g"><persNameref="http://d-nb.info/gnd/118555103">Huxley</persName></hi> Zeugniſſe für<lb/>
die Stellung des Menſchen in der Natur. Ueberſetz. Braunſchweig 1863. S. 1 flgde.</note>. Die etwas knapp gehaltene Beſchreibung<lb/>
und die charakteriſtiſche in Kupferſtich beigegebene Abbildung laſſen<lb/>
keine Misdeutung zu. Und wenn auch in beiden keine von den Einzel-<lb/>
heiten hervorgehoben wird, welche ſpäter zur Unterſcheidung der men-<lb/>ſchenähnlichen Affen dienen, ſo iſt doch eine Verwechſelung mit einer<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[340/0351]
Periode der encyklopädiſchen Darſtellungen.
nen derartiger Monographien, wie man die nun zu erwähnenden Schrif-
ten immerhin ſchon nennen kann, ein Beweis für die geiſtige Samm-
lung, welche die Aufmerkſamkeit von der Menge des Neuen und viel-
fach Zerſtreuenden auf Einzelnes und Näherliegendes richten hieß. Bei
einer Ueberſicht derſelben kann es nicht vermieden werden, die in ihnen
etwa vorkommenden vergleichend-anatomiſchen Bemerkungen ſchon jetzt
zu erwähnen, während die Entwickelung der vergleichenden Anatomie
ſpäter beſonders betrachtet werden wird.
Folgt man nun, um dieſe Einzelarbeiten zu ordnen, dem zoolo-
giſchen Syſteme und beginnt dabei auch hier mit den Säugethieren, ſo
iſt zunächſt der älteſten zweifelloſen Schilderung des Chimpanſe zu ge-
denken, welche in den „Mediciniſchen Beobachtungen“ des Holländers
Nikolaus Tulp enthalten iſt 65). Tulp war praktiſcher Arzt, ſpäter
Bürgermeiſter von Amſterdam (geb. 1593, geſt. 1674) und iſt außer
der einzigen von ihm herausgegebenen, eben erwähnten Schrift beſon-
ders durch das Rembrandt'ſche Bild bekannt, auf welchem er im Kreiſe
einiger Schüler vor einer Leiche ſtehend die Anatomie der Armmuskeln
erklärt, trotzdem er weder Anatom noch Profeſſor war. Zu ſeiner Zeit
kannte man bereits das Vorhandenſein eines anthropomorphen Affen,
des Orang-Utang, und in Folge des Mangels einer genauen Schil-
derung dieſes in Europa noch nicht geſehenen Thiers hielt Tulpiusdas
lebend aus Angola nach Holland gebrachte Exemplar eines jungen
Chimpanſe für gleichartig mit jenem und nannte es Indiſchen Satyr,
welcher „von den Indern Orang Utang, von den Afrikanern Quoias
Morrou genannt werde“ 66). Die etwas knapp gehaltene Beſchreibung
und die charakteriſtiſche in Kupferſtich beigegebene Abbildung laſſen
keine Misdeutung zu. Und wenn auch in beiden keine von den Einzel-
heiten hervorgehoben wird, welche ſpäter zur Unterſcheidung der men-
ſchenähnlichen Affen dienen, ſo iſt doch eine Verwechſelung mit einer
65) Nic. Tulpii Observationes medicae. Amstelredami (Elzevir)
1641. 8., dann 1652 und öfter, von 1716 an mit der Lebensbeſchreibung. Die
Schilderung des Chimpanſe findet ſich im 3. Buch, 56. Kap.
66) Eine Geſchichte der Kenntniß der Anthropomorphen mit Erwähnung der
früheren Reiſeberichte von Pigafetta und Purchas ſ. in Huxley Zeugniſſe für
die Stellung des Menſchen in der Natur. Ueberſetz. Braunſchweig 1863. S. 1 flgde.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/351>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.