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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

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Periode der encyklopädischen Darstellungen.
Versuch, die Anordnung derselben fortzubilden. Doch ist sein Werk
deshalb von keiner ganz untergeordneten Bedeutung für den Fortschritt
der Entomologie gewesen, weil er in strenger Folge die verschiedenen
Stände der Insecten als wirkliche Entwickelungszustände einer und der-
selben Art darstellte. Von einer wissenschaftlichen Auffassung des In-
sectenkörpers und -lebens hat er Nichts, was über die Verwandlung
hinausgienge, wenn er auch über Einzelnes richtige Bemerkungen
macht, wie z. B. über den Antheil der Flügel bei der Erzeugung des
Geräusches der Heuschrecken u. A. Dagegen machte sich in einzelnen
andern Arbeiten aus der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts ein Ein-
fluß der von Harvey umgestalteten anatomischen Anschauungen geltend.
So sagt z. B. Jakob Wolff aus Naumburg115), daß zwar die In-
secten kein rothes Blut hätten; wenn man aber den weißlichen oder
sonst gefärbten Saft dem Blute analog nennen wolle, so sei er damit
einverstanden. Er nennt das Blut das Vehikel des Lebens. Doch gibt
er an, daß die Insecten nicht athmen; denn nur Thiere mit Lungen
könnten dies thun. Er rechnet übrigens noch, wie Mouffet, die Wür-
mer, Teredo u. a. als fußlose Formen zu den Insecten. -- Einzelne
andere Arthropoden, wie z. B. die Tarantel, wurden in medicinischer
und litterarhistorischer Beziehung besprochen, aber ohne die Thiere
selbst einer Untersuchung zu unterwerfen.

Von den tiefer stehenden Abtheilungen der wirbellosen Thiere
wurden vorzüglich die Eingeweidewürmer beachtet und selbständig be-
handelt. Freilich waltet bei den Schilderungen auch dieser Thiere der
ärztliche Gesichtspunkt vor. Doch drängte sich natürlich die Frage an
den Arzt, wo diese Thiere herkommen. Die von Alters her überkom-
mene Ansicht, daß sie aus dem dicken rohen, zu Fäulniß neigenden
Schleim der ersten Wege entstehen, wird als zweifellos angenom-
men116). Diese Ueberzeugung bleibt auch dann noch bestehen, wenn
unter der sich geltend machenden Wahrheit des Harvey'schen Satzes

115) Jac. Wolff, resp. J. H. Thymius, De Insectis in genere.
Lips., 1669.
116) so z. B. Hieron. Gabucinus, De lumbricis alvum occupanti-
bus. Lugdun., 1549. Sulzberger, De vermibus in homine. Lips., 1628.

Periode der encyklopädiſchen Darſtellungen.
Verſuch, die Anordnung derſelben fortzubilden. Doch iſt ſein Werk
deshalb von keiner ganz untergeordneten Bedeutung für den Fortſchritt
der Entomologie geweſen, weil er in ſtrenger Folge die verſchiedenen
Stände der Inſecten als wirkliche Entwickelungszuſtände einer und der-
ſelben Art darſtellte. Von einer wiſſenſchaftlichen Auffaſſung des In-
ſectenkörpers und -lebens hat er Nichts, was über die Verwandlung
hinausgienge, wenn er auch über Einzelnes richtige Bemerkungen
macht, wie z. B. über den Antheil der Flügel bei der Erzeugung des
Geräuſches der Heuſchrecken u. A. Dagegen machte ſich in einzelnen
andern Arbeiten aus der Mitte des ſiebzehnten Jahrhunderts ein Ein-
fluß der von Harvey umgeſtalteten anatomiſchen Anſchauungen geltend.
So ſagt z. B. Jakob Wolff aus Naumburg115), daß zwar die In-
ſecten kein rothes Blut hätten; wenn man aber den weißlichen oder
ſonſt gefärbten Saft dem Blute analog nennen wolle, ſo ſei er damit
einverſtanden. Er nennt das Blut das Vehikel des Lebens. Doch gibt
er an, daß die Inſecten nicht athmen; denn nur Thiere mit Lungen
könnten dies thun. Er rechnet übrigens noch, wie Mouffet, die Wür-
mer, Teredo u. a. als fußloſe Formen zu den Inſecten. — Einzelne
andere Arthropoden, wie z. B. die Tarantel, wurden in mediciniſcher
und litterarhiſtoriſcher Beziehung beſprochen, aber ohne die Thiere
ſelbſt einer Unterſuchung zu unterwerfen.

Von den tiefer ſtehenden Abtheilungen der wirbelloſen Thiere
wurden vorzüglich die Eingeweidewürmer beachtet und ſelbſtändig be-
handelt. Freilich waltet bei den Schilderungen auch dieſer Thiere der
ärztliche Geſichtspunkt vor. Doch drängte ſich natürlich die Frage an
den Arzt, wo dieſe Thiere herkommen. Die von Alters her überkom-
mene Anſicht, daß ſie aus dem dicken rohen, zu Fäulniß neigenden
Schleim der erſten Wege entſtehen, wird als zweifellos angenom-
men116). Dieſe Ueberzeugung bleibt auch dann noch beſtehen, wenn
unter der ſich geltend machenden Wahrheit des Harvey'ſchen Satzes

115) Jac. Wolff, resp. J. H. Thymius, De Insectis in genere.
Lips., 1669.
116) ſo z. B. Hieron. Gabucinus, De lumbricis alvum occupanti-
bus. Lugdun., 1549. Sulzberger, De vermibus in homine. Lips., 1628.
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[372/0383] Periode der encyklopädiſchen Darſtellungen. Verſuch, die Anordnung derſelben fortzubilden. Doch iſt ſein Werk deshalb von keiner ganz untergeordneten Bedeutung für den Fortſchritt der Entomologie geweſen, weil er in ſtrenger Folge die verſchiedenen Stände der Inſecten als wirkliche Entwickelungszuſtände einer und der- ſelben Art darſtellte. Von einer wiſſenſchaftlichen Auffaſſung des In- ſectenkörpers und -lebens hat er Nichts, was über die Verwandlung hinausgienge, wenn er auch über Einzelnes richtige Bemerkungen macht, wie z. B. über den Antheil der Flügel bei der Erzeugung des Geräuſches der Heuſchrecken u. A. Dagegen machte ſich in einzelnen andern Arbeiten aus der Mitte des ſiebzehnten Jahrhunderts ein Ein- fluß der von Harvey umgeſtalteten anatomiſchen Anſchauungen geltend. So ſagt z. B. Jakob Wolff aus Naumburg 115), daß zwar die In- ſecten kein rothes Blut hätten; wenn man aber den weißlichen oder ſonſt gefärbten Saft dem Blute analog nennen wolle, ſo ſei er damit einverſtanden. Er nennt das Blut das Vehikel des Lebens. Doch gibt er an, daß die Inſecten nicht athmen; denn nur Thiere mit Lungen könnten dies thun. Er rechnet übrigens noch, wie Mouffet, die Wür- mer, Teredo u. a. als fußloſe Formen zu den Inſecten. — Einzelne andere Arthropoden, wie z. B. die Tarantel, wurden in mediciniſcher und litterarhiſtoriſcher Beziehung beſprochen, aber ohne die Thiere ſelbſt einer Unterſuchung zu unterwerfen. Von den tiefer ſtehenden Abtheilungen der wirbelloſen Thiere wurden vorzüglich die Eingeweidewürmer beachtet und ſelbſtändig be- handelt. Freilich waltet bei den Schilderungen auch dieſer Thiere der ärztliche Geſichtspunkt vor. Doch drängte ſich natürlich die Frage an den Arzt, wo dieſe Thiere herkommen. Die von Alters her überkom- mene Anſicht, daß ſie aus dem dicken rohen, zu Fäulniß neigenden Schleim der erſten Wege entſtehen, wird als zweifellos angenom- men 116). Dieſe Ueberzeugung bleibt auch dann noch beſtehen, wenn unter der ſich geltend machenden Wahrheit des Harvey'ſchen Satzes 115) Jac. Wolff, resp. J. H. Thymius, De Insectis in genere. Lips., 1669. 116) ſo z. B. Hieron. Gabucinus, De lumbricis alvum occupanti- bus. Lugdun., 1549. Sulzberger, De vermibus in homine. Lips., 1628.

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Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/383>, abgerufen am 21.11.2024.