Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.Periode der encyklopädischen Darstellungen. ten Richtung entwickelt hatten. Auch das Vorkommen verschiedenerThierformen in verschiedenen Continenten war zwar im Allgemeinen anerkannt worden120); doch hatten die Angaben über das Auftreten einzelner Arten an bestimmten Orten weder zu einzelnen Gesammtbildern über die den verschiedenen Ländern eigene Thierwelt, noch zu jener Uebersichtlichkeit geführt, welche einen Blick auf die Gesetzmäßigkeit der geographischen Verbreitung überhaupt hätte gestatten können. Es bleibt nun noch übrig, über die Beachtung, welche man in den hier besproche- nen Zeiten den fossilen Formen schenkte, einige Worte zu sagen. So lange man dabei noch nicht in der Lage war, die versteinert gefundenen Thier- reste in eine systematische Beziehung zu jetzt lebenden Thieren zu bringen, so lange war es noch verhältnißmäßig gleichgültig, wie man sich dieselben entstanden dachte. Schon Leonardo da Vinci hatte am Anfang des sechzehnten Jahrhunderts die bei Landdurchstichen in Nord-Italien zu Tage gekommenen versteinerten Muschelschalen für wirklich von Thie- ren herrührende Reste erklärt; aber noch C. Gesner spricht von der Möglichkeit, daß die geformten Steine, welche thierischen Bildun- gen ähnlich seien, zwar wohl versteinerte Thiere, aber doch auch von der Natur selbständig in dieser ihrer Form gebildet sein könnten121). So spricht er von den fossilen Fischzähnen, den Glossopetrae, als Haifischzähnen ähnlichen Körpern, sagt aber, daß sie in ihrer Form auch an die Zunge mancher Vögel erinnerten; er schildert dabei eben nur die Aehnlichkeit dieser Fossilien mit gewissen bekannten Gebilden, ohne über die Natur derselben eine bestimmte Ansicht auszudrücken. Entschieden für die Natur der im Kalke und andern Gesteinen gefunde- nen Muscheln als "versteinerter" Reste von Thieren spricht sich Ber- nard Palissy aus. Er versucht sogar sich von der Art und Weise, wie das Versteinerungsmaterial in löslicher Form die zu versteinern- den Gegenstände durchziehen müsse, ein Bild zu machen, was natür- 120) so z. B. in Bezug auf Amerika von Abraham van der Mylius, De animalium populorumque origine. 1670. in Bezug auf Afrika bereits von Leo Africanus (f. oben) u. s. f. 121) Conr. Gesner, De rerum fossilium, lapidum et gemmarum
maxime figuris et similitudinibus. Tiguri, 1565. 8°. Periode der encyklopädiſchen Darſtellungen. ten Richtung entwickelt hatten. Auch das Vorkommen verſchiedenerThierformen in verſchiedenen Continenten war zwar im Allgemeinen anerkannt worden120); doch hatten die Angaben über das Auftreten einzelner Arten an beſtimmten Orten weder zu einzelnen Geſammtbildern über die den verſchiedenen Ländern eigene Thierwelt, noch zu jener Ueberſichtlichkeit geführt, welche einen Blick auf die Geſetzmäßigkeit der geographiſchen Verbreitung überhaupt hätte geſtatten können. Es bleibt nun noch übrig, über die Beachtung, welche man in den hier beſproche- nen Zeiten den foſſilen Formen ſchenkte, einige Worte zu ſagen. So lange man dabei noch nicht in der Lage war, die verſteinert gefundenen Thier- reſte in eine ſyſtematiſche Beziehung zu jetzt lebenden Thieren zu bringen, ſo lange war es noch verhältnißmäßig gleichgültig, wie man ſich dieſelben entſtanden dachte. Schon Leonardo da Vinci hatte am Anfang des ſechzehnten Jahrhunderts die bei Landdurchſtichen in Nord-Italien zu Tage gekommenen verſteinerten Muſchelſchalen für wirklich von Thie- ren herrührende Reſte erklärt; aber noch C. Gesner ſpricht von der Möglichkeit, daß die geformten Steine, welche thieriſchen Bildun- gen ähnlich ſeien, zwar wohl verſteinerte Thiere, aber doch auch von der Natur ſelbſtändig in dieſer ihrer Form gebildet ſein könnten121). So ſpricht er von den foſſilen Fiſchzähnen, den Glossopetrae, als Haifiſchzähnen ähnlichen Körpern, ſagt aber, daß ſie in ihrer Form auch an die Zunge mancher Vögel erinnerten; er ſchildert dabei eben nur die Aehnlichkeit dieſer Foſſilien mit gewiſſen bekannten Gebilden, ohne über die Natur derſelben eine beſtimmte Anſicht auszudrücken. Entſchieden für die Natur der im Kalke und andern Geſteinen gefunde- nen Muſcheln als „verſteinerter“ Reſte von Thieren ſpricht ſich Ber- nard Paliſſy aus. Er verſucht ſogar ſich von der Art und Weiſe, wie das Verſteinerungsmaterial in löslicher Form die zu verſteinern- den Gegenſtände durchziehen müſſe, ein Bild zu machen, was natür- 120) ſo z. B. in Bezug auf Amerika von Abraham van der Mylius, De animalium populorumque origine. 1670. in Bezug auf Afrika bereits von Leo Africanus (f. oben) u. ſ. f. 121) Conr. Gesner, De rerum fossilium, lapidum et gemmarum
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Periode der encyklopädiſchen Darſtellungen.
ten Richtung entwickelt hatten. Auch das Vorkommen verſchiedener
Thierformen in verſchiedenen Continenten war zwar im Allgemeinen
anerkannt worden 120); doch hatten die Angaben über das Auftreten
einzelner Arten an beſtimmten Orten weder zu einzelnen Geſammtbildern
über die den verſchiedenen Ländern eigene Thierwelt, noch zu jener
Ueberſichtlichkeit geführt, welche einen Blick auf die Geſetzmäßigkeit der
geographiſchen Verbreitung überhaupt hätte geſtatten können. Es bleibt
nun noch übrig, über die Beachtung, welche man in den hier beſproche-
nen Zeiten den foſſilen Formen ſchenkte, einige Worte zu ſagen. So lange
man dabei noch nicht in der Lage war, die verſteinert gefundenen Thier-
reſte in eine ſyſtematiſche Beziehung zu jetzt lebenden Thieren zu bringen,
ſo lange war es noch verhältnißmäßig gleichgültig, wie man ſich dieſelben
entſtanden dachte. Schon Leonardo da Vinci hatte am Anfang des
ſechzehnten Jahrhunderts die bei Landdurchſtichen in Nord-Italien zu
Tage gekommenen verſteinerten Muſchelſchalen für wirklich von Thie-
ren herrührende Reſte erklärt; aber noch C. Gesner ſpricht von
der Möglichkeit, daß die geformten Steine, welche thieriſchen Bildun-
gen ähnlich ſeien, zwar wohl verſteinerte Thiere, aber doch auch von
der Natur ſelbſtändig in dieſer ihrer Form gebildet ſein könnten 121).
So ſpricht er von den foſſilen Fiſchzähnen, den Glossopetrae, als
Haifiſchzähnen ähnlichen Körpern, ſagt aber, daß ſie in ihrer Form
auch an die Zunge mancher Vögel erinnerten; er ſchildert dabei eben
nur die Aehnlichkeit dieſer Foſſilien mit gewiſſen bekannten Gebilden,
ohne über die Natur derſelben eine beſtimmte Anſicht auszudrücken.
Entſchieden für die Natur der im Kalke und andern Geſteinen gefunde-
nen Muſcheln als „verſteinerter“ Reſte von Thieren ſpricht ſich Ber-
nard Paliſſy aus. Er verſucht ſogar ſich von der Art und Weiſe,
wie das Verſteinerungsmaterial in löslicher Form die zu verſteinern-
den Gegenſtände durchziehen müſſe, ein Bild zu machen, was natür-
120) ſo z. B. in Bezug auf Amerika von Abraham van der Mylius,
De animalium populorumque origine. 1670. in Bezug auf Afrika bereits von
Leo Africanus (f. oben) u. ſ. f.
121) Conr. Gesner, De rerum fossilium, lapidum et gemmarum
maxime figuris et similitudinibus. Tiguri, 1565. 8°.
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