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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

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Periode der Systematik.
1672) bespricht nicht alle anatomischen Systeme, sondern vorzüglich
nur das Gefäß- und Nervensystem. Malpighi weist hier die Respira-
tion der Insecten mittelst der in den Stigmen mündenden Tracheen
nach, beschreibt das Rückengefäß, das Nervensystem, die Spinndrüsen
der Raupen, schildert das Auftreten der Generationsorgane nach der
Verwandlung, sowie die Veränderungen der Verdauungsorgane und
des Nervensystems während derselben. Dabei beschränkt er sich nicht
auf diese Insectenspecies, welche er in allen Entwickelungsständen un-
tersucht, sondern zieht bei den wichtigeren Organen die entsprechenden
Theile anderer Insecten in den Kreis seiner vergleichenden Betrach-
tung. Man kann nun zwar einwenden, daß diese Untersuchungen nicht
mikroskopische im engen, besonders durch die Aufgaben der heutigen
Forschung bestimmten Sinne zu nennen sind. Für den Ausgang des
siebzehnten Jahrhunderts waren sie als solche anzusehen, da hier die
Grenzen zwischen makro- und mikroskopischer Forschung weiter gefaßt
wurden; es konnte ja auch z. B. die Vertheilung der Tracheen, die
Anordnung der Hautmuskelfasern u. a. nicht ohne Benutzung minde-
stens einfacher Mikroskope oder von Lupen ermittelt werden. Endlich
ist noch anzuführen, daß Malpighi außer der Verwandlungsgeschichte
der Insecten auch die Entwickelung des Hühnchens zum erstenmale mit
Vergrößerungsmitteln untersuchte. Vergleicht man seine Abbildungen
von dem Zustande des bebrüteten Eies in den ersten Tagen mit den
entsprechenden von Coiter und Fabrizio, so ist der Fortschritt äußerst
auffallend. Die Erhebung der Rückenwülste, das Auftreten der Ur-
wirbelabtheilungen, der Abschnitte des Gehirns erscheinen hier zum er-
stenmale deutlich erkennbar. Wie groß aber auch der Abstand zwischen
Malpighi und seinen Vorgängern sein mag, welchen vorzüglich die An-
wendung der Lupe bewirkte, so fehlte doch auch ihm noch der Einblick in
die typische Anlage eines Wirbelthierkörpers, um die genaue Verfol-
gung der allmählichen Formveränderung des Hühnchens wirklich ver-
werthbar zu machen; vor Allem fehlte auch die Kenntniß der Vorgänge
während der ersten vierundzwanzig Stunden. -- Man möchte versucht
sein, nach Allem was er geleistet hat und wie er seiner Aufgabe gegen-
über trat, Malpighi als den ersten Vertreter der neueren Wissenschaft

Periode der Syſtematik.
1672) beſpricht nicht alle anatomiſchen Syſteme, ſondern vorzüglich
nur das Gefäß- und Nervenſyſtem. Malpighi weiſt hier die Reſpira-
tion der Inſecten mittelſt der in den Stigmen mündenden Tracheen
nach, beſchreibt das Rückengefäß, das Nervenſyſtem, die Spinndrüſen
der Raupen, ſchildert das Auftreten der Generationsorgane nach der
Verwandlung, ſowie die Veränderungen der Verdauungsorgane und
des Nervenſyſtems während derſelben. Dabei beſchränkt er ſich nicht
auf dieſe Inſectenſpecies, welche er in allen Entwickelungsſtänden un-
terſucht, ſondern zieht bei den wichtigeren Organen die entſprechenden
Theile anderer Inſecten in den Kreis ſeiner vergleichenden Betrach-
tung. Man kann nun zwar einwenden, daß dieſe Unterſuchungen nicht
mikroſkopiſche im engen, beſonders durch die Aufgaben der heutigen
Forſchung beſtimmten Sinne zu nennen ſind. Für den Ausgang des
ſiebzehnten Jahrhunderts waren ſie als ſolche anzuſehen, da hier die
Grenzen zwiſchen makro- und mikroſkopiſcher Forſchung weiter gefaßt
wurden; es konnte ja auch z. B. die Vertheilung der Tracheen, die
Anordnung der Hautmuskelfaſern u. a. nicht ohne Benutzung minde-
ſtens einfacher Mikroſkope oder von Lupen ermittelt werden. Endlich
iſt noch anzuführen, daß Malpighi außer der Verwandlungsgeſchichte
der Inſecten auch die Entwickelung des Hühnchens zum erſtenmale mit
Vergrößerungsmitteln unterſuchte. Vergleicht man ſeine Abbildungen
von dem Zuſtande des bebrüteten Eies in den erſten Tagen mit den
entſprechenden von Coiter und Fabrizio, ſo iſt der Fortſchritt äußerſt
auffallend. Die Erhebung der Rückenwülſte, das Auftreten der Ur-
wirbelabtheilungen, der Abſchnitte des Gehirns erſcheinen hier zum er-
ſtenmale deutlich erkennbar. Wie groß aber auch der Abſtand zwiſchen
Malpighi und ſeinen Vorgängern ſein mag, welchen vorzüglich die An-
wendung der Lupe bewirkte, ſo fehlte doch auch ihm noch der Einblick in
die typiſche Anlage eines Wirbelthierkörpers, um die genaue Verfol-
gung der allmählichen Formveränderung des Hühnchens wirklich ver-
werthbar zu machen; vor Allem fehlte auch die Kenntniß der Vorgänge
während der erſten vierundzwanzig Stunden. — Man möchte verſucht
ſein, nach Allem was er geleiſtet hat und wie er ſeiner Aufgabe gegen-
über trat, Malpighi als den erſten Vertreter der neueren Wiſſenſchaft

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[398/0409] Periode der Syſtematik. 1672) beſpricht nicht alle anatomiſchen Syſteme, ſondern vorzüglich nur das Gefäß- und Nervenſyſtem. Malpighi weiſt hier die Reſpira- tion der Inſecten mittelſt der in den Stigmen mündenden Tracheen nach, beſchreibt das Rückengefäß, das Nervenſyſtem, die Spinndrüſen der Raupen, ſchildert das Auftreten der Generationsorgane nach der Verwandlung, ſowie die Veränderungen der Verdauungsorgane und des Nervenſyſtems während derſelben. Dabei beſchränkt er ſich nicht auf dieſe Inſectenſpecies, welche er in allen Entwickelungsſtänden un- terſucht, ſondern zieht bei den wichtigeren Organen die entſprechenden Theile anderer Inſecten in den Kreis ſeiner vergleichenden Betrach- tung. Man kann nun zwar einwenden, daß dieſe Unterſuchungen nicht mikroſkopiſche im engen, beſonders durch die Aufgaben der heutigen Forſchung beſtimmten Sinne zu nennen ſind. Für den Ausgang des ſiebzehnten Jahrhunderts waren ſie als ſolche anzuſehen, da hier die Grenzen zwiſchen makro- und mikroſkopiſcher Forſchung weiter gefaßt wurden; es konnte ja auch z. B. die Vertheilung der Tracheen, die Anordnung der Hautmuskelfaſern u. a. nicht ohne Benutzung minde- ſtens einfacher Mikroſkope oder von Lupen ermittelt werden. Endlich iſt noch anzuführen, daß Malpighi außer der Verwandlungsgeſchichte der Inſecten auch die Entwickelung des Hühnchens zum erſtenmale mit Vergrößerungsmitteln unterſuchte. Vergleicht man ſeine Abbildungen von dem Zuſtande des bebrüteten Eies in den erſten Tagen mit den entſprechenden von Coiter und Fabrizio, ſo iſt der Fortſchritt äußerſt auffallend. Die Erhebung der Rückenwülſte, das Auftreten der Ur- wirbelabtheilungen, der Abſchnitte des Gehirns erſcheinen hier zum er- ſtenmale deutlich erkennbar. Wie groß aber auch der Abſtand zwiſchen Malpighi und ſeinen Vorgängern ſein mag, welchen vorzüglich die An- wendung der Lupe bewirkte, ſo fehlte doch auch ihm noch der Einblick in die typiſche Anlage eines Wirbelthierkörpers, um die genaue Verfol- gung der allmählichen Formveränderung des Hühnchens wirklich ver- werthbar zu machen; vor Allem fehlte auch die Kenntniß der Vorgänge während der erſten vierundzwanzig Stunden. — Man möchte verſucht ſein, nach Allem was er geleiſtet hat und wie er ſeiner Aufgabe gegen- über trat, Malpighi als den erſten Vertreter der neueren Wiſſenſchaft

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Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 398. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/409>, abgerufen am 22.11.2024.