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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

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habe. Mit der Erfindung dieses "Zeichens", mit der Bestimmung dieses
doch vor Allem rein äußerlichen Hülfsmittels ist aber der Keim zur
Entwickelung der Artlehre gegeben, wie sie sich später dogmatisch fest-
gesetzt hat. Bei Ray verliert die Bestimmung der Art noch nicht den
Charakter des Künstlichen; er sieht sich einer Menge von Formen, ein-
ander ähnlichen und von einander verschiedenen, gegenüber und beob-
achtet gleichzeitig die Thatsache, daß aus den Samen einer Pflanze sich
neue Pflanzen entwickeln, die der Mutter gleich oder ähnlich sind.
Diesen Umstand führt er nun als charakteristisches "Merkmal" zur
Begründung der Zusammengehörigkeit oder Verschiedenheit ein. Es
enthält indessen schon diese erste Begriffsbestimmung den Hinweis auf
die Unveränderlichkeit der Arten (speciem suam perpetuo servant),
welche freilich von Ray nicht so fest angenommen wurde, wie von
Späteren. Einmal weist er schon auf die bedeutenden Verschiedenhei-
ten hin, welche zwischen den beiden Geschlechtern auftreten können. In
unbefangener Würdigung des Thatsächlichen gesteht er doch damit der
Art eine gewisse Breite der Veränderlichkeit zu. Er muß aber selbst
noch weiter gehen. Das ganze einundzwanzigste Kapitel desselben Bu-
ches ist der Umwandlung der Arten bei Pflanzen gewidmet. "Nun ist
aber dieses Zeichen der specifischen Uebereinstimmung obschon ziemlich
constant doch nicht beständig und untrüglich. Denn daß einige Samen
degeneriren und wenn auch selten Pflanzen erzeugen, welche von der
Species der mütterlichen Form verschieden sind, daß es also bei Pflan-
zen eine Umwandlung der Species gibt, beweisen die Versuche"25).
Die Experimente, auf welche sich Ray hier beruft, halten allerdings
vor eingehender Kritik nicht Stich. Es mußte aber zur Ehre dessen,
welcher den Artbegriff in seiner späteren Schuldefinition in die Natur-
geschichte eingeführt hat, hervorgehoben werden, daß er weit davon ent-
fernt war, denselben durch irgend welche außerhalb der Beobachtungs-

25) a. a. O. S. 42. Die Stelle lautet im Original: Verum nota haec
quamvis constans sit specificae convenientiae signum, non tamen perpe-
tuum est et infallibile. Semina enim nonnulla degenerare et diversae a
matre speciei plantas interdum licet rarius producere adeoque dari in plan-
tis transmutationem specierum experimenta evincunt.
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habe. Mit der Erfindung dieſes „Zeichens“, mit der Beſtimmung dieſes
doch vor Allem rein äußerlichen Hülfsmittels iſt aber der Keim zur
Entwickelung der Artlehre gegeben, wie ſie ſich ſpäter dogmatiſch feſt-
geſetzt hat. Bei Ray verliert die Beſtimmung der Art noch nicht den
Charakter des Künſtlichen; er ſieht ſich einer Menge von Formen, ein-
ander ähnlichen und von einander verſchiedenen, gegenüber und beob-
achtet gleichzeitig die Thatſache, daß aus den Samen einer Pflanze ſich
neue Pflanzen entwickeln, die der Mutter gleich oder ähnlich ſind.
Dieſen Umſtand führt er nun als charakteriſtiſches „Merkmal“ zur
Begründung der Zuſammengehörigkeit oder Verſchiedenheit ein. Es
enthält indeſſen ſchon dieſe erſte Begriffsbeſtimmung den Hinweis auf
die Unveränderlichkeit der Arten (speciem suam perpetuo servant),
welche freilich von Ray nicht ſo feſt angenommen wurde, wie von
Späteren. Einmal weiſt er ſchon auf die bedeutenden Verſchiedenhei-
ten hin, welche zwiſchen den beiden Geſchlechtern auftreten können. In
unbefangener Würdigung des Thatſächlichen geſteht er doch damit der
Art eine gewiſſe Breite der Veränderlichkeit zu. Er muß aber ſelbſt
noch weiter gehen. Das ganze einundzwanzigſte Kapitel deſſelben Bu-
ches iſt der Umwandlung der Arten bei Pflanzen gewidmet. „Nun iſt
aber dieſes Zeichen der ſpecifiſchen Uebereinſtimmung obſchon ziemlich
conſtant doch nicht beſtändig und untrüglich. Denn daß einige Samen
degeneriren und wenn auch ſelten Pflanzen erzeugen, welche von der
Species der mütterlichen Form verſchieden ſind, daß es alſo bei Pflan-
zen eine Umwandlung der Species gibt, beweiſen die Verſuche“25).
Die Experimente, auf welche ſich Ray hier beruft, halten allerdings
vor eingehender Kritik nicht Stich. Es mußte aber zur Ehre deſſen,
welcher den Artbegriff in ſeiner ſpäteren Schuldefinition in die Natur-
geſchichte eingeführt hat, hervorgehoben werden, daß er weit davon ent-
fernt war, denſelben durch irgend welche außerhalb der Beobachtungs-

25) a. a. O. S. 42. Die Stelle lautet im Original: Verum nota haec
quamvis constans sit specificae convenientiae signum, non tamen perpe-
tuum est et infallibile. Semina enim nonnulla degenerare et diversae a
matre speciei plantas interdum licet rarius producere adeoque dari in plan-
tis transmutationem specierum experimenta evincunt.
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[435/0446] John Ray. habe. Mit der Erfindung dieſes „Zeichens“, mit der Beſtimmung dieſes doch vor Allem rein äußerlichen Hülfsmittels iſt aber der Keim zur Entwickelung der Artlehre gegeben, wie ſie ſich ſpäter dogmatiſch feſt- geſetzt hat. Bei Ray verliert die Beſtimmung der Art noch nicht den Charakter des Künſtlichen; er ſieht ſich einer Menge von Formen, ein- ander ähnlichen und von einander verſchiedenen, gegenüber und beob- achtet gleichzeitig die Thatſache, daß aus den Samen einer Pflanze ſich neue Pflanzen entwickeln, die der Mutter gleich oder ähnlich ſind. Dieſen Umſtand führt er nun als charakteriſtiſches „Merkmal“ zur Begründung der Zuſammengehörigkeit oder Verſchiedenheit ein. Es enthält indeſſen ſchon dieſe erſte Begriffsbeſtimmung den Hinweis auf die Unveränderlichkeit der Arten (speciem suam perpetuo servant), welche freilich von Ray nicht ſo feſt angenommen wurde, wie von Späteren. Einmal weiſt er ſchon auf die bedeutenden Verſchiedenhei- ten hin, welche zwiſchen den beiden Geſchlechtern auftreten können. In unbefangener Würdigung des Thatſächlichen geſteht er doch damit der Art eine gewiſſe Breite der Veränderlichkeit zu. Er muß aber ſelbſt noch weiter gehen. Das ganze einundzwanzigſte Kapitel deſſelben Bu- ches iſt der Umwandlung der Arten bei Pflanzen gewidmet. „Nun iſt aber dieſes Zeichen der ſpecifiſchen Uebereinſtimmung obſchon ziemlich conſtant doch nicht beſtändig und untrüglich. Denn daß einige Samen degeneriren und wenn auch ſelten Pflanzen erzeugen, welche von der Species der mütterlichen Form verſchieden ſind, daß es alſo bei Pflan- zen eine Umwandlung der Species gibt, beweiſen die Verſuche“ 25). Die Experimente, auf welche ſich Ray hier beruft, halten allerdings vor eingehender Kritik nicht Stich. Es mußte aber zur Ehre deſſen, welcher den Artbegriff in ſeiner ſpäteren Schuldefinition in die Natur- geſchichte eingeführt hat, hervorgehoben werden, daß er weit davon ent- fernt war, denſelben durch irgend welche außerhalb der Beobachtungs- 25) a. a. O. S. 42. Die Stelle lautet im Original: Verum nota haec quamvis constans sit specificae convenientiae signum, non tamen perpe- tuum est et infallibile. Semina enim nonnulla degenerare et diversae a matre speciei plantas interdum licet rarius producere adeoque dari in plan- tis transmutationem specierum experimenta evincunt. 28*

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Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 435. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/446>, abgerufen am 22.11.2024.