Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.Fortschritte der Systematik und der Kenntniß einzelner Classen. Beschreiber gefunden. Arbeiten von Cornelis de Pauw über dieAmerikaner, Chinesen, die alten Griechen waren mehr geschichtlicher Art und trugen auch in Folge der nicht vorurtheilsfreien Behandlung ihres Gegenstandes zur Förderung der Kenntniß kaum etwas bei. Es fällt aber in dieselbe Zeit die Gründung der anatomischen Eintheilung der verschiedenen Menschenformen. Im Jahre 1775 erschien J. Fr. Blumenbach's Schrift über die angeborne Verschiedenheit im Men- schengeschlechte zum erstenmale, worin er die einzelnen Formen als Rassen oder Varietäten einer Art aufführt und naturgeschichtlich zu charakterisiren sucht. Zu den Europäern rechnet er auch die Westasiaten bis zum Ob, dem Caspi-See und zum Ganges, die übrigen Asiaten mit gelbbrauner Haut bilden die zweite Varietät, die schwarzen woll- haarigen Neger die dritte, die kupferrothen Amerikaner die vierte, die letzte endlich die Polynesier oder Australier. Für die Bezeichnung führte er später die allgemein angenommenen Ausdrücke der kaukasischen, mon- golischen, äthiopischen, amerikanischen und malayischen Rasse ein. Die Abgrenzung dieser Rassen, welche Blumenbach nur für künstlich durch- führbar erklärt, geschieht auf Grund der allgemeinen äußeren Erschei- nung. Sie stellen eine Erweiterung der Linne'schen Eintheilung dar, welcher sich auch Kant im Allgemeinen anschloß, wie auch die Einthei- lung der Rassen von John Hunter die Hautfarbe in den Vordergrund stellt. Blumenbach folgte anfangs noch den älteren Ueberlieferungen; er erklärte z. B., daß die Hitze der Tropensonne die Haut des Negers schwarz brenne und sein Haar kräusele. Er sucht aber später nach einer festeren Begründung der Unterschiede, deren Erklärung offen lassend. Und hier ist er als Begründer der ethnographischen Schädellehre zu nennen. -- Die Verschiedenheiten einzelner Theile des Skelets von Thieren von den entsprechenden Stücken beim Menschen waren schon früher geschil- dert worden, so die des Schlüsselbeins von Joh. Glob. Haase (1766) und des Beckens von Bernh. Glob. Schreger (1787). Gegen an- dere Theile trat von nun an der Schädel in einer, das Interesse völlig beherrschenden Art in den Vordergrund. J. Ch. Fabricius hatte der ziemlich verbreiteten Annahme Worte geliehen, daß zwischen Affen und Negern eine nähere Beziehung bestände und erklärte, die Neger V. Carus, Gesch. d. Zool. 35
Fortſchritte der Syſtematik und der Kenntniß einzelner Claſſen. Beſchreiber gefunden. Arbeiten von Cornelis de Pauw über dieAmerikaner, Chineſen, die alten Griechen waren mehr geſchichtlicher Art und trugen auch in Folge der nicht vorurtheilsfreien Behandlung ihres Gegenſtandes zur Förderung der Kenntniß kaum etwas bei. Es fällt aber in dieſelbe Zeit die Gründung der anatomiſchen Eintheilung der verſchiedenen Menſchenformen. Im Jahre 1775 erſchien J. Fr. Blumenbach's Schrift über die angeborne Verſchiedenheit im Men- ſchengeſchlechte zum erſtenmale, worin er die einzelnen Formen als Raſſen oder Varietäten einer Art aufführt und naturgeſchichtlich zu charakteriſiren ſucht. Zu den Europäern rechnet er auch die Weſtaſiaten bis zum Ob, dem Caspi-See und zum Ganges, die übrigen Aſiaten mit gelbbrauner Haut bilden die zweite Varietät, die ſchwarzen woll- haarigen Neger die dritte, die kupferrothen Amerikaner die vierte, die letzte endlich die Polyneſier oder Auſtralier. Für die Bezeichnung führte er ſpäter die allgemein angenommenen Ausdrücke der kaukaſiſchen, mon- goliſchen, äthiopiſchen, amerikaniſchen und malayiſchen Raſſe ein. Die Abgrenzung dieſer Raſſen, welche Blumenbach nur für künſtlich durch- führbar erklärt, geſchieht auf Grund der allgemeinen äußeren Erſchei- nung. Sie ſtellen eine Erweiterung der Linné'ſchen Eintheilung dar, welcher ſich auch Kant im Allgemeinen anſchloß, wie auch die Einthei- lung der Raſſen von John Hunter die Hautfarbe in den Vordergrund ſtellt. Blumenbach folgte anfangs noch den älteren Ueberlieferungen; er erklärte z. B., daß die Hitze der Tropenſonne die Haut des Negers ſchwarz brenne und ſein Haar kräuſele. Er ſucht aber ſpäter nach einer feſteren Begründung der Unterſchiede, deren Erklärung offen laſſend. Und hier iſt er als Begründer der ethnographiſchen Schädellehre zu nennen. — Die Verſchiedenheiten einzelner Theile des Skelets von Thieren von den entſprechenden Stücken beim Menſchen waren ſchon früher geſchil- dert worden, ſo die des Schlüſſelbeins von Joh. Glob. Haaſe (1766) und des Beckens von Bernh. Glob. Schreger (1787). Gegen an- dere Theile trat von nun an der Schädel in einer, das Intereſſe völlig beherrſchenden Art in den Vordergrund. J. Ch. Fabricius hatte der ziemlich verbreiteten Annahme Worte geliehen, daß zwiſchen Affen und Negern eine nähere Beziehung beſtände und erklärte, die Neger V. Carus, Geſch. d. Zool. 35
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Beſchreiber gefunden. Arbeiten von Cornelis de Pauw über die
Amerikaner, Chineſen, die alten Griechen waren mehr geſchichtlicher
Art und trugen auch in Folge der nicht vorurtheilsfreien Behandlung
ihres Gegenſtandes zur Förderung der Kenntniß kaum etwas bei. Es
fällt aber in dieſelbe Zeit die Gründung der anatomiſchen Eintheilung
der verſchiedenen Menſchenformen. Im Jahre 1775 erſchien J. Fr.
Blumenbach's Schrift über die angeborne Verſchiedenheit im Men-
ſchengeſchlechte zum erſtenmale, worin er die einzelnen Formen als
Raſſen oder Varietäten einer Art aufführt und naturgeſchichtlich zu
charakteriſiren ſucht. Zu den Europäern rechnet er auch die Weſtaſiaten
bis zum Ob, dem Caspi-See und zum Ganges, die übrigen Aſiaten
mit gelbbrauner Haut bilden die zweite Varietät, die ſchwarzen woll-
haarigen Neger die dritte, die kupferrothen Amerikaner die vierte, die
letzte endlich die Polyneſier oder Auſtralier. Für die Bezeichnung führte
er ſpäter die allgemein angenommenen Ausdrücke der kaukaſiſchen, mon-
goliſchen, äthiopiſchen, amerikaniſchen und malayiſchen Raſſe ein. Die
Abgrenzung dieſer Raſſen, welche Blumenbach nur für künſtlich durch-
führbar erklärt, geſchieht auf Grund der allgemeinen äußeren Erſchei-
nung. Sie ſtellen eine Erweiterung der Linné'ſchen Eintheilung dar,
welcher ſich auch Kant im Allgemeinen anſchloß, wie auch die Einthei-
lung der Raſſen von John Hunter die Hautfarbe in den Vordergrund
ſtellt. Blumenbach folgte anfangs noch den älteren Ueberlieferungen;
er erklärte z. B., daß die Hitze der Tropenſonne die Haut des Negers
ſchwarz brenne und ſein Haar kräuſele. Er ſucht aber ſpäter nach einer
feſteren Begründung der Unterſchiede, deren Erklärung offen laſſend.
Und hier iſt er als Begründer der ethnographiſchen Schädellehre zu nennen.
— Die Verſchiedenheiten einzelner Theile des Skelets von Thieren von
den entſprechenden Stücken beim Menſchen waren ſchon früher geſchil-
dert worden, ſo die des Schlüſſelbeins von Joh. Glob. Haaſe (1766)
und des Beckens von Bernh. Glob. Schreger (1787). Gegen an-
dere Theile trat von nun an der Schädel in einer, das Intereſſe völlig
beherrſchenden Art in den Vordergrund. J. Ch. Fabricius hatte
der ziemlich verbreiteten Annahme Worte geliehen, daß zwiſchen Affen
und Negern eine nähere Beziehung beſtände und erklärte, die Neger
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