Fortschritte der Systematik und der Kenntniß einzelner Classen.
detaillirten Abbildungen des Muskelsystems eines Vogels (weißköpfiger Adler).
Für die naturgemäße Auffassung der verschiedenen Formen der Reptilien und Amphibien war besonders die Entdeckung des Olm, Proteus aguinus, von Bedeutung. Dieselbe veranlaßte den ersten Beschreiber, Jos. Nik. Laurenti, welcher ein Exemplar des Thieres von Hohenwart aus dem Zirkniz-See erhalten hatte, den merk- würdigen Umstand des gleichzeitigen Vorhandenseins von Kiemen und Lungen zu beachten und zum ersten Male auch die Entwickelung bei der Classification zu berücksichtigen. Er theilt (1768) zwar die Reptilien in Springende, Schreitende und Kriechende; doch geht durch die ersten beiden Ordnungen das allerdings nicht an erster Stelle genannte Merk- mal der Metamorphose so hindurch, daß noch die ersten, als tardigrad bezeichneten, Formen der Schreitenden (Gradientia) durch ihre Meta- morphose ausgezeichnet werden. Zu diesen rechnet er außer dem Pro- teus die Tritonen und Salamander, welche auch ganz richtig durch die Form ihres Afters von den Eidechsen unterschieden werden. Die Blindschleiche steht natürlich noch bei den Schlangen. Den in Lau- renti's System enthaltenen Wink benutzte man nicht, trotzdem auch von anatomischer Seite (so z. B. von Zinn in Bezug auf die Genital- organe) die Aehnlichkeit der Frösche und Salamander hervorgehoben wurde. Blumenbach streicht zwar die Linne'sche Ordnung der Meantes, weil er die Siren für eine Larvenform hielt, stellt aber immer noch die Frösche zwischen die Schildkröten und Eidechsen zu den mit Füßen versehenen Reptilien, an welche sich dann die beiden andern Linne'schen Ordnungen der Kriechenden und Schwimmenden schließen. Batsch läßt zwar, wie später auch Blumenbach die letzte Ordnung weg und trennt die Froschartigen als selbständige Gruppe, läßt aber die ge- schwänzten Tritonen und Salamander bei den Eidechsen. Auch das System von Bern. Germ. Etienne Comte de Lacepede (1756-1825) gründet sich unter theilweisem Anschluß an Linne auf reine Aeußerlich- keiten, ohne auf die Verschiedenheiten des Baues und der Lebensge- schichte Gewicht zu legen; doch zeichnet sich sein Werk (1788), welches als Ergänzung zu Buffon's Naturgeschichte anzusehen ist, durch sorg-
Fortſchritte der Syſtematik und der Kenntniß einzelner Claſſen.
detaillirten Abbildungen des Muskelſyſtems eines Vogels (weißköpfiger Adler).
Für die naturgemäße Auffaſſung der verſchiedenen Formen der Reptilien und Amphibien war beſonders die Entdeckung des Olm, Proteus aguinus, von Bedeutung. Dieſelbe veranlaßte den erſten Beſchreiber, Joſ. Nik. Laurenti, welcher ein Exemplar des Thieres von Hohenwart aus dem Zirkniz-See erhalten hatte, den merk- würdigen Umſtand des gleichzeitigen Vorhandenſeins von Kiemen und Lungen zu beachten und zum erſten Male auch die Entwickelung bei der Claſſification zu berückſichtigen. Er theilt (1768) zwar die Reptilien in Springende, Schreitende und Kriechende; doch geht durch die erſten beiden Ordnungen das allerdings nicht an erſter Stelle genannte Merk- mal der Metamorphoſe ſo hindurch, daß noch die erſten, als tardigrad bezeichneten, Formen der Schreitenden (Gradientia) durch ihre Meta- morphoſe ausgezeichnet werden. Zu dieſen rechnet er außer dem Pro- teus die Tritonen und Salamander, welche auch ganz richtig durch die Form ihres Afters von den Eidechſen unterſchieden werden. Die Blindſchleiche ſteht natürlich noch bei den Schlangen. Den in Lau- renti's Syſtem enthaltenen Wink benutzte man nicht, trotzdem auch von anatomiſcher Seite (ſo z. B. von Zinn in Bezug auf die Genital- organe) die Aehnlichkeit der Fröſche und Salamander hervorgehoben wurde. Blumenbach ſtreicht zwar die Linné'ſche Ordnung der Meantes, weil er die Siren für eine Larvenform hielt, ſtellt aber immer noch die Fröſche zwiſchen die Schildkröten und Eidechſen zu den mit Füßen verſehenen Reptilien, an welche ſich dann die beiden andern Linné'ſchen Ordnungen der Kriechenden und Schwimmenden ſchließen. Batſch läßt zwar, wie ſpäter auch Blumenbach die letzte Ordnung weg und trennt die Froſchartigen als ſelbſtändige Gruppe, läßt aber die ge- ſchwänzten Tritonen und Salamander bei den Eidechſen. Auch das Syſtem von Bern. Germ. Etienne Comte de Lacépède (1756-1825) gründet ſich unter theilweiſem Anſchluß an Linné auf reine Aeußerlich- keiten, ohne auf die Verſchiedenheiten des Baues und der Lebensge- ſchichte Gewicht zu legen; doch zeichnet ſich ſein Werk (1788), welches als Ergänzung zu Buffon's Naturgeſchichte anzuſehen iſt, durch ſorg-
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Fortſchritte der Syſtematik und der Kenntniß einzelner Claſſen.
detaillirten Abbildungen des Muskelſyſtems eines Vogels (weißköpfiger
Adler).
Für die naturgemäße Auffaſſung der verſchiedenen Formen der
Reptilien und Amphibien war beſonders die Entdeckung des
Olm, Proteus aguinus, von Bedeutung. Dieſelbe veranlaßte den
erſten Beſchreiber, Joſ. Nik. Laurenti, welcher ein Exemplar des
Thieres von Hohenwart aus dem Zirkniz-See erhalten hatte, den merk-
würdigen Umſtand des gleichzeitigen Vorhandenſeins von Kiemen und
Lungen zu beachten und zum erſten Male auch die Entwickelung bei der
Claſſification zu berückſichtigen. Er theilt (1768) zwar die Reptilien
in Springende, Schreitende und Kriechende; doch geht durch die erſten
beiden Ordnungen das allerdings nicht an erſter Stelle genannte Merk-
mal der Metamorphoſe ſo hindurch, daß noch die erſten, als tardigrad
bezeichneten, Formen der Schreitenden (Gradientia) durch ihre Meta-
morphoſe ausgezeichnet werden. Zu dieſen rechnet er außer dem Pro-
teus die Tritonen und Salamander, welche auch ganz richtig durch die
Form ihres Afters von den Eidechſen unterſchieden werden. Die
Blindſchleiche ſteht natürlich noch bei den Schlangen. Den in Lau-
renti's Syſtem enthaltenen Wink benutzte man nicht, trotzdem auch von
anatomiſcher Seite (ſo z. B. von Zinn in Bezug auf die Genital-
organe) die Aehnlichkeit der Fröſche und Salamander hervorgehoben
wurde. Blumenbach ſtreicht zwar die Linné'ſche Ordnung der Meantes,
weil er die Siren für eine Larvenform hielt, ſtellt aber immer noch
die Fröſche zwiſchen die Schildkröten und Eidechſen zu den mit Füßen
verſehenen Reptilien, an welche ſich dann die beiden andern Linné'ſchen
Ordnungen der Kriechenden und Schwimmenden ſchließen. Batſch
läßt zwar, wie ſpäter auch Blumenbach die letzte Ordnung weg und
trennt die Froſchartigen als ſelbſtändige Gruppe, läßt aber die ge-
ſchwänzten Tritonen und Salamander bei den Eidechſen. Auch das
Syſtem von Bern. Germ. Etienne Comte de Lacépède (1756-1825)
gründet ſich unter theilweiſem Anſchluß an Linné auf reine Aeußerlich-
keiten, ohne auf die Verſchiedenheiten des Baues und der Lebensge-
ſchichte Gewicht zu legen; doch zeichnet ſich ſein Werk (1788), welches
als Ergänzung zu Buffon's Naturgeſchichte anzuſehen iſt, durch ſorg-
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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 551. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/562>, abgerufen am 22.11.2024.
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