Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.Periode der Morphologie. Einheit desselben und seine Verbindung mit Anderem ist nur auf demWege des Denkens durch Abstraction zu erreichen. Hierdurch gelangt man zunächst zu allgemeinen objectiv in der Welt der Erscheinungen gültigen Gesetzen, weiter zu den metaphysischen Grundsätzen. Die Thatsache des Bewußtseins, daß diese Gesetze und Grundsätze erkannt werden, gibt zwar psychologisch die Möglichkeit der Erfahrung, aber keinen Beweis für die objective Gültigkeit jener. Zum Spinozismus zurückkehrend nahm aber letzteres Schelling an und mit ihm Oken. Jener schafft die Natur, indem er über sie philosophirt. Oken ist schein- bar bescheidner und bildet sich durch weitere Abstractionen Gott. Durch diese Abstractionen gelangt er zunächst zu ganz allgemeinen völlig leeren Vergleichungsformeln und schließlich zu dem Begriffe Nichts. Da dies sein höchster Gedanke war, mußte derselbe auch für ihn die höchste all- gemeine Idee, die der ewigen Wahrheit enthalten. In dieser gleichen sich alle Widerstreite aus. Die Sinnenerkenntniß weist aber Wider- sprüche nach; die Ausgleichung dieser liegt also jenseits der Möglichkeit der Erkenntniß. Die Grenzen der letzteren werden durch die Ideen des Absoluten bestimmt. Oken mußte daher, wie Schelling und Hegel, in das Absolute hinein. Deshalb wird ihm das Nichts das Absolute, das Ewige, Gott. "Es existirt nichts, als das Nichts, als das Abso- lute". Nun bleibt doch aber Nichts in alle Ewigkeit Nichts; um über die Natur philosophiren zu können, brauchte er indessen die Natur. Deshalb mußte Oken aus Nichts Etwas, ja Alles machen; da schiebt er die dialektische Wendung der "Setzung" unter, welche an sich gar nichts besagt, hier aber außer der Vorstellung noch die Bestimmung eines zunächst unbestimmten allgemeinen Begriffs geben soll, womit er freilich immer nur Nichts behält. Doch wird bei ihm aus dem Nichts durch Setzung die Einheit. "Durch das Selbstponiren (des Absoluten, des Nichts) entsteht das Reale oder das Mannichfaltige, die Welt. Die Weltschöpfung ist nichts andres als der Selbstbewußtseinsact, das Selbsterscheinen Gottes". Durch dergleichen völlig bedeutungslose For- meln und sinnlose, jeder vernünftigen Dialektik spottende Redensarten soll nun der Grund geschaffen werden, von dem aus die Natur allge- mein erfaßt werden kann. Die Annahme der ewigen Verwandlung Periode der Morphologie. Einheit deſſelben und ſeine Verbindung mit Anderem iſt nur auf demWege des Denkens durch Abſtraction zu erreichen. Hierdurch gelangt man zunächſt zu allgemeinen objectiv in der Welt der Erſcheinungen gültigen Geſetzen, weiter zu den metaphyſiſchen Grundſätzen. Die Thatſache des Bewußtſeins, daß dieſe Geſetze und Grundſätze erkannt werden, gibt zwar pſychologiſch die Möglichkeit der Erfahrung, aber keinen Beweis für die objective Gültigkeit jener. Zum Spinozismus zurückkehrend nahm aber letzteres Schelling an und mit ihm Oken. Jener ſchafft die Natur, indem er über ſie philoſophirt. Oken iſt ſchein- bar beſcheidner und bildet ſich durch weitere Abſtractionen Gott. Durch dieſe Abſtractionen gelangt er zunächſt zu ganz allgemeinen völlig leeren Vergleichungsformeln und ſchließlich zu dem Begriffe Nichts. Da dies ſein höchſter Gedanke war, mußte derſelbe auch für ihn die höchſte all- gemeine Idee, die der ewigen Wahrheit enthalten. In dieſer gleichen ſich alle Widerſtreite aus. Die Sinnenerkenntniß weiſt aber Wider- ſprüche nach; die Ausgleichung dieſer liegt alſo jenſeits der Möglichkeit der Erkenntniß. Die Grenzen der letzteren werden durch die Ideen des Abſoluten beſtimmt. Oken mußte daher, wie Schelling und Hegel, in das Abſolute hinein. Deshalb wird ihm das Nichts das Abſolute, das Ewige, Gott. „Es exiſtirt nichts, als das Nichts, als das Abſo- lute“. Nun bleibt doch aber Nichts in alle Ewigkeit Nichts; um über die Natur philoſophiren zu können, brauchte er indeſſen die Natur. Deshalb mußte Oken aus Nichts Etwas, ja Alles machen; da ſchiebt er die dialektiſche Wendung der „Setzung“ unter, welche an ſich gar nichts beſagt, hier aber außer der Vorſtellung noch die Beſtimmung eines zunächſt unbeſtimmten allgemeinen Begriffs geben ſoll, womit er freilich immer nur Nichts behält. Doch wird bei ihm aus dem Nichts durch Setzung die Einheit. „Durch das Selbſtponiren (des Abſoluten, des Nichts) entſteht das Reale oder das Mannichfaltige, die Welt. Die Weltſchöpfung iſt nichts andres als der Selbſtbewußtſeinsact, das Selbſterſcheinen Gottes“. Durch dergleichen völlig bedeutungsloſe For- meln und ſinnloſe, jeder vernünftigen Dialektik ſpottende Redensarten ſoll nun der Grund geſchaffen werden, von dem aus die Natur allge- mein erfaßt werden kann. 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Periode der Morphologie.
Einheit deſſelben und ſeine Verbindung mit Anderem iſt nur auf dem
Wege des Denkens durch Abſtraction zu erreichen. Hierdurch gelangt
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gültigen Geſetzen, weiter zu den metaphyſiſchen Grundſätzen. Die
Thatſache des Bewußtſeins, daß dieſe Geſetze und Grundſätze erkannt
werden, gibt zwar pſychologiſch die Möglichkeit der Erfahrung, aber
keinen Beweis für die objective Gültigkeit jener. Zum Spinozismus
zurückkehrend nahm aber letzteres Schelling an und mit ihm Oken.
Jener ſchafft die Natur, indem er über ſie philoſophirt. Oken iſt ſchein-
bar beſcheidner und bildet ſich durch weitere Abſtractionen Gott. Durch
dieſe Abſtractionen gelangt er zunächſt zu ganz allgemeinen völlig leeren
Vergleichungsformeln und ſchließlich zu dem Begriffe Nichts. Da dies
ſein höchſter Gedanke war, mußte derſelbe auch für ihn die höchſte all-
gemeine Idee, die der ewigen Wahrheit enthalten. In dieſer gleichen
ſich alle Widerſtreite aus. Die Sinnenerkenntniß weiſt aber Wider-
ſprüche nach; die Ausgleichung dieſer liegt alſo jenſeits der Möglichkeit
der Erkenntniß. Die Grenzen der letzteren werden durch die Ideen des
Abſoluten beſtimmt. Oken mußte daher, wie Schelling und Hegel, in
das Abſolute hinein. Deshalb wird ihm das Nichts das Abſolute,
das Ewige, Gott. „Es exiſtirt nichts, als das Nichts, als das Abſo-
lute“. Nun bleibt doch aber Nichts in alle Ewigkeit Nichts; um über
die Natur philoſophiren zu können, brauchte er indeſſen die Natur.
Deshalb mußte Oken aus Nichts Etwas, ja Alles machen; da ſchiebt
er die dialektiſche Wendung der „Setzung“ unter, welche an ſich gar
nichts beſagt, hier aber außer der Vorſtellung noch die Beſtimmung
eines zunächſt unbeſtimmten allgemeinen Begriffs geben ſoll, womit er
freilich immer nur Nichts behält. Doch wird bei ihm aus dem Nichts
durch Setzung die Einheit. „Durch das Selbſtponiren (des Abſoluten,
des Nichts) entſteht das Reale oder das Mannichfaltige, die Welt. Die
Weltſchöpfung iſt nichts andres als der Selbſtbewußtſeinsact, das
Selbſterſcheinen Gottes“. Durch dergleichen völlig bedeutungsloſe For-
meln und ſinnloſe, jeder vernünftigen Dialektik ſpottende Redensarten
ſoll nun der Grund geſchaffen werden, von dem aus die Natur allge-
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