Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899.Die Erben. zugeschrieben werden muss, nicht selber ein Kind des Chaos war,sondern ein Mann von echtem, reinem Stamm. Daher die Einfachheit und Kraft, die uns so wunderbar anmuten, wenn wir inmitten des römischen Babels des 16. Jahrhunderts, wo beim Erlebnis der Wieder- geburt germanischen Selbstbewusstseins (die wahre Renaissance!) alle Stimmen erschrocken und ratlos durcheinander kreischen, diesen einen Mann erblicken, der abseits, geräuschlos, völlig unbekümmert um das, was Andere beschliessen und erstreben (ausser insofern es seine Pläne berührt), seinen eigenen Weg geht und ohne Hast, mit voller Be- herrschung seiner angeborenen Leidenschaftlichkeit, den Kriegsplan entwirft, die Taktik festsetzt, die Truppen eindrillt zu dem durch- dachtesten und daher gefährlichsten Ansturm, der je auf germanisches Wesen -- oder vielmehr auf arisches Wesen überhaupt -- unternommen wurde. Wer es für einen Zufall hält, dass diese Persönlichkeit ein Baske war, wer es für einen Zufall hält, dass dieser Baske, obwohl er bald fähige und ihm ganz ergebene Mitarbeiter von verschiedenen Nationali- täten gefunden hatte, auf der Höhe seines Wirkens nur mit einem einzigen Manne intim, fast unzertrennlich lebte, mit ihm allein berat- schlagte, durch ihn allein seinen Willen kundgab, und dass dieser Eine ein rassenechter, erst spät zum Christentum übergetretener Jude war (Polanco) -- wer, sage ich, an derlei Erscheinungen achtlos vorübergeht, hat kein Gefühl für die Majestät der Thatsachen.1) Gewinnt man zu dem innersten Geistesleben dieses merkwürdigen Mannes Zutritt, was durch seine Exercitia spiritualia (ein Grundlehrbuch der Jesuiten noch heute) leicht gelingt, so hat man den Eindruck, als träte man in eine voll- kommen fremde Welt ein. Zuerst fühlte ich mich in einer christlich ausstaffierten mohammedanischen Atmosphäre:2) der krasse Materialis- mus aller Vorstellungen -- dass man z. B. den Gestank der Hölle riechen, ihre Flammenglut fühlen solle, der Gedanke, dass Sünden Vergehen gegen ein "paragraphoses" Gesetz sind, so dass man darüber Buch führen kann und soll nach einem bestimmt angegebenen Schema, 1) Es verdient noch bemerkt zu werden, dass die zwei ersten Männer, welche sich dem Ignatius anschlossen und somit seinen Orden mitbegründeten, ebenfalls nicht Indoeuropäer waren: Franz Xavier war, wie Ignatius, ein echter Baske, Faber ein echter, krass abergläubischer Savoyard (siehe S. 359, Anm. 2). 2) Seitdem Obiges geschrieben wurde, ist ein Buch erschienen von Hermann
Müller: Les origines de la compagnie de Jesus, in welchem nachgewiesen wird, Ignatius habe die Organisation der mohammedanischen Geheimbünde sehr genau studiert und folge auch in seinen Exercitien vielfach mohammedanischen Auf- fassungen. Wahrlich, dieser Mann ist der personifizierte Antigermane! Die Erben. zugeschrieben werden muss, nicht selber ein Kind des Chaos war,sondern ein Mann von echtem, reinem Stamm. Daher die Einfachheit und Kraft, die uns so wunderbar anmuten, wenn wir inmitten des römischen Babels des 16. Jahrhunderts, wo beim Erlebnis der Wieder- geburt germanischen Selbstbewusstseins (die wahre Renaissance!) alle Stimmen erschrocken und ratlos durcheinander kreischen, diesen einen Mann erblicken, der abseits, geräuschlos, völlig unbekümmert um das, was Andere beschliessen und erstreben (ausser insofern es seine Pläne berührt), seinen eigenen Weg geht und ohne Hast, mit voller Be- herrschung seiner angeborenen Leidenschaftlichkeit, den Kriegsplan entwirft, die Taktik festsetzt, die Truppen eindrillt zu dem durch- dachtesten und daher gefährlichsten Ansturm, der je auf germanisches Wesen — oder vielmehr auf arisches Wesen überhaupt — unternommen wurde. Wer es für einen Zufall hält, dass diese Persönlichkeit ein Baske war, wer es für einen Zufall hält, dass dieser Baske, obwohl er bald fähige und ihm ganz ergebene Mitarbeiter von verschiedenen Nationali- täten gefunden hatte, auf der Höhe seines Wirkens nur mit einem einzigen Manne intim, fast unzertrennlich lebte, mit ihm allein berat- schlagte, durch ihn allein seinen Willen kundgab, und dass dieser Eine ein rassenechter, erst spät zum Christentum übergetretener Jude war (Polanco) — wer, sage ich, an derlei Erscheinungen achtlos vorübergeht, hat kein Gefühl für die Majestät der Thatsachen.1) Gewinnt man zu dem innersten Geistesleben dieses merkwürdigen Mannes Zutritt, was durch seine Exercitia spiritualia (ein Grundlehrbuch der Jesuiten noch heute) leicht gelingt, so hat man den Eindruck, als träte man in eine voll- kommen fremde Welt ein. Zuerst fühlte ich mich in einer christlich ausstaffierten mohammedanischen Atmosphäre:2) der krasse Materialis- mus aller Vorstellungen — dass man z. B. den Gestank der Hölle riechen, ihre Flammenglut fühlen solle, der Gedanke, dass Sünden Vergehen gegen ein »paragraphoses« Gesetz sind, so dass man darüber Buch führen kann und soll nach einem bestimmt angegebenen Schema, 1) Es verdient noch bemerkt zu werden, dass die zwei ersten Männer, welche sich dem Ignatius anschlossen und somit seinen Orden mitbegründeten, ebenfalls nicht Indoeuropäer waren: Franz Xavier war, wie Ignatius, ein echter Baske, Faber ein echter, krass abergläubischer Savoyard (siehe S. 359, Anm. 2). 2) Seitdem Obiges geschrieben wurde, ist ein Buch erschienen von Hermann
Müller: Les origines de la compagnie de Jesus, in welchem nachgewiesen wird, Ignatius habe die Organisation der mohammedanischen Geheimbünde sehr genau studiert und folge auch in seinen Exercitien vielfach mohammedanischen Auf- fassungen. Wahrlich, dieser Mann ist der personifizierte Antigermane! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0545" n="522"/><fw place="top" type="header">Die Erben.</fw><lb/> zugeschrieben werden muss, nicht selber ein Kind des Chaos war,<lb/> sondern ein Mann von echtem, reinem Stamm. Daher die Einfachheit<lb/> und Kraft, die uns so wunderbar anmuten, wenn wir inmitten des<lb/> römischen Babels des 16. Jahrhunderts, wo beim Erlebnis der Wieder-<lb/> geburt germanischen Selbstbewusstseins (die wahre Renaissance!) alle<lb/> Stimmen erschrocken und ratlos durcheinander kreischen, diesen einen<lb/> Mann erblicken, der abseits, geräuschlos, völlig unbekümmert um das,<lb/> was Andere beschliessen und erstreben (ausser insofern es seine Pläne<lb/> berührt), seinen eigenen Weg geht und ohne Hast, mit voller Be-<lb/> herrschung seiner angeborenen Leidenschaftlichkeit, den Kriegsplan<lb/> entwirft, die Taktik festsetzt, die Truppen eindrillt zu dem durch-<lb/> dachtesten und daher gefährlichsten Ansturm, der je auf germanisches<lb/> Wesen — oder vielmehr auf arisches Wesen überhaupt — unternommen<lb/> wurde. Wer es für einen Zufall hält, dass diese Persönlichkeit ein Baske<lb/> war, wer es für einen Zufall hält, dass dieser Baske, obwohl er bald<lb/> fähige und ihm ganz ergebene Mitarbeiter von verschiedenen Nationali-<lb/> täten gefunden hatte, auf der Höhe seines Wirkens nur mit einem<lb/> einzigen Manne intim, fast unzertrennlich lebte, mit ihm allein berat-<lb/> schlagte, durch ihn allein seinen Willen kundgab, und dass dieser Eine<lb/> ein rassenechter, erst spät zum Christentum übergetretener Jude war<lb/> (Polanco) — wer, sage ich, an derlei Erscheinungen achtlos vorübergeht,<lb/> hat kein Gefühl für die Majestät der Thatsachen.<note place="foot" n="1)">Es verdient noch bemerkt zu werden, dass die zwei ersten Männer,<lb/> welche sich dem Ignatius anschlossen und somit seinen Orden mitbegründeten,<lb/> ebenfalls nicht Indoeuropäer waren: Franz Xavier war, wie Ignatius, ein echter<lb/> Baske, Faber ein echter, krass abergläubischer Savoyard (siehe S. 359, Anm. 2).</note> Gewinnt man zu dem<lb/> innersten Geistesleben dieses merkwürdigen Mannes Zutritt, was durch<lb/> seine <hi rendition="#i">Exercitia spiritualia</hi> (ein Grundlehrbuch der Jesuiten noch heute)<lb/> leicht gelingt, so hat man den Eindruck, als träte man in eine voll-<lb/> kommen fremde Welt ein. Zuerst fühlte ich mich in einer christlich<lb/> ausstaffierten mohammedanischen Atmosphäre:<note place="foot" n="2)">Seitdem Obiges geschrieben wurde, ist ein Buch erschienen von Hermann<lb/> Müller: <hi rendition="#i">Les origines de la compagnie de Jesus,</hi> in welchem nachgewiesen wird,<lb/> Ignatius habe die Organisation der mohammedanischen Geheimbünde sehr genau<lb/> studiert und folge auch in seinen Exercitien vielfach mohammedanischen Auf-<lb/> fassungen. Wahrlich, dieser Mann ist der personifizierte Antigermane!</note> der krasse Materialis-<lb/> mus aller Vorstellungen — dass man z. B. den Gestank der Hölle<lb/> riechen, ihre Flammenglut fühlen solle, der Gedanke, dass Sünden<lb/> Vergehen gegen ein »paragraphoses« Gesetz sind, so dass man darüber<lb/> Buch führen kann und soll nach einem bestimmt angegebenen Schema,<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [522/0545]
Die Erben.
zugeschrieben werden muss, nicht selber ein Kind des Chaos war,
sondern ein Mann von echtem, reinem Stamm. Daher die Einfachheit
und Kraft, die uns so wunderbar anmuten, wenn wir inmitten des
römischen Babels des 16. Jahrhunderts, wo beim Erlebnis der Wieder-
geburt germanischen Selbstbewusstseins (die wahre Renaissance!) alle
Stimmen erschrocken und ratlos durcheinander kreischen, diesen einen
Mann erblicken, der abseits, geräuschlos, völlig unbekümmert um das,
was Andere beschliessen und erstreben (ausser insofern es seine Pläne
berührt), seinen eigenen Weg geht und ohne Hast, mit voller Be-
herrschung seiner angeborenen Leidenschaftlichkeit, den Kriegsplan
entwirft, die Taktik festsetzt, die Truppen eindrillt zu dem durch-
dachtesten und daher gefährlichsten Ansturm, der je auf germanisches
Wesen — oder vielmehr auf arisches Wesen überhaupt — unternommen
wurde. Wer es für einen Zufall hält, dass diese Persönlichkeit ein Baske
war, wer es für einen Zufall hält, dass dieser Baske, obwohl er bald
fähige und ihm ganz ergebene Mitarbeiter von verschiedenen Nationali-
täten gefunden hatte, auf der Höhe seines Wirkens nur mit einem
einzigen Manne intim, fast unzertrennlich lebte, mit ihm allein berat-
schlagte, durch ihn allein seinen Willen kundgab, und dass dieser Eine
ein rassenechter, erst spät zum Christentum übergetretener Jude war
(Polanco) — wer, sage ich, an derlei Erscheinungen achtlos vorübergeht,
hat kein Gefühl für die Majestät der Thatsachen. 1) Gewinnt man zu dem
innersten Geistesleben dieses merkwürdigen Mannes Zutritt, was durch
seine Exercitia spiritualia (ein Grundlehrbuch der Jesuiten noch heute)
leicht gelingt, so hat man den Eindruck, als träte man in eine voll-
kommen fremde Welt ein. Zuerst fühlte ich mich in einer christlich
ausstaffierten mohammedanischen Atmosphäre: 2) der krasse Materialis-
mus aller Vorstellungen — dass man z. B. den Gestank der Hölle
riechen, ihre Flammenglut fühlen solle, der Gedanke, dass Sünden
Vergehen gegen ein »paragraphoses« Gesetz sind, so dass man darüber
Buch führen kann und soll nach einem bestimmt angegebenen Schema,
1) Es verdient noch bemerkt zu werden, dass die zwei ersten Männer,
welche sich dem Ignatius anschlossen und somit seinen Orden mitbegründeten,
ebenfalls nicht Indoeuropäer waren: Franz Xavier war, wie Ignatius, ein echter
Baske, Faber ein echter, krass abergläubischer Savoyard (siehe S. 359, Anm. 2).
2) Seitdem Obiges geschrieben wurde, ist ein Buch erschienen von Hermann
Müller: Les origines de la compagnie de Jesus, in welchem nachgewiesen wird,
Ignatius habe die Organisation der mohammedanischen Geheimbünde sehr genau
studiert und folge auch in seinen Exercitien vielfach mohammedanischen Auf-
fassungen. Wahrlich, dieser Mann ist der personifizierte Antigermane!
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