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Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. Nürnberg, 1814.

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ten Freund besser ergehen muß, als damals." --
"Auch in mir," erwiederte die schöne Wittwe,
und sie gingen an mir vorüber.

Dieses Gespräch hatte einen tiefen Eindruck
in mir zurück gelassen; aber ich zweifelte im Gei¬
ste, ob ich mich zu erkennen geben oder unerkannt
von dannen gehen sollte. -- Ich entschied mich.
Ich ließ mir Papier und Bleistift geben, und schrieb
die Worte:

"Auch Eurem alten Freunde ergeht es nun
besser als damals, und büßet er, so ist es
Buße der Versöhnung."

Hierauf begehrte ich mich anzuziehen, da ich
mich stärker befände. Man holte den Schlüssel
zu dem kleinen Schrank, der neben meinem Bette
stand, herbei. Ich fand Alles, was mir gehörte,
darin. Ich legte meine Kleider an, hing meine
botanische Kapsel, worin ich mit Freuden meine
nordischen Flechten wieder fand, über meine schwar¬
ze Kurtka um, zog meine Stiefel an, legte den
geschriebenen Zettel auf mein Bett, und, so wie
die Thür' aufging, war ich schon weit auf dem
Wege nach der Thebais.

ten Freund beſſer ergehen muß, als damals.„ —
“Auch in mir,„ erwiederte die ſchoͤne Wittwe,
und ſie gingen an mir voruͤber.

Dieſes Geſpraͤch hatte einen tiefen Eindruck
in mir zuruͤck gelaſſen; aber ich zweifelte im Gei¬
ſte, ob ich mich zu erkennen geben oder unerkannt
von dannen gehen ſollte. — Ich entſchied mich.
Ich ließ mir Papier und Bleiſtift geben, und ſchrieb
die Worte:

“Auch Eurem alten Freunde ergeht es nun
beſſer als damals, und buͤßet er, ſo iſt es
Buße der Verſoͤhnung.„

Hierauf begehrte ich mich anzuziehen, da ich
mich ſtaͤrker befaͤnde. Man holte den Schluͤſſel
zu dem kleinen Schrank, der neben meinem Bette
ſtand, herbei. Ich fand Alles, was mir gehoͤrte,
darin. Ich legte meine Kleider an, hing meine
botaniſche Kapſel, worin ich mit Freuden meine
nordiſchen Flechten wieder fand, uͤber meine ſchwar¬
ze Kurtka um, zog meine Stiefel an, legte den
geſchriebenen Zettel auf mein Bett, und, ſo wie
die Thuͤr' aufging, war ich ſchon weit auf dem
Wege nach der Thebais.

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[123/0143] ten Freund beſſer ergehen muß, als damals.„ — “Auch in mir,„ erwiederte die ſchoͤne Wittwe, und ſie gingen an mir voruͤber. Dieſes Geſpraͤch hatte einen tiefen Eindruck in mir zuruͤck gelaſſen; aber ich zweifelte im Gei¬ ſte, ob ich mich zu erkennen geben oder unerkannt von dannen gehen ſollte. — Ich entſchied mich. Ich ließ mir Papier und Bleiſtift geben, und ſchrieb die Worte: “Auch Eurem alten Freunde ergeht es nun beſſer als damals, und buͤßet er, ſo iſt es Buße der Verſoͤhnung.„ Hierauf begehrte ich mich anzuziehen, da ich mich ſtaͤrker befaͤnde. Man holte den Schluͤſſel zu dem kleinen Schrank, der neben meinem Bette ſtand, herbei. Ich fand Alles, was mir gehoͤrte, darin. Ich legte meine Kleider an, hing meine botaniſche Kapſel, worin ich mit Freuden meine nordiſchen Flechten wieder fand, uͤber meine ſchwar¬ ze Kurtka um, zog meine Stiefel an, legte den geſchriebenen Zettel auf mein Bett, und, ſo wie die Thuͤr' aufging, war ich ſchon weit auf dem Wege nach der Thebais.

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Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. Nürnberg, 1814, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1814/143>, abgerufen am 24.11.2024.