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Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802.

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beschreibenden Schwingungsarten als Scheibe müßte angesehen werden); so sind doch bey
allen bisher erwähnten Schwingungsarten desselben die Töne ungefähr ebendieselben, als ob
er ganz schmal wäre. An einem breitern Stabe wird aber der Klang stärker seyn können, als
an einem schmälern.

Die verschiedenen Töne ebendesselben Stabes kommen mit n2, d. i. mit den Qua-
draten gewisser Zahlen, die in arithmetischen Progressionen stehen, überein, wie vorher schon
ist gezeigt worden.

Bey einerley Schwingungsart findet man die Steifigkeit R der Materie = .
Man könnte also vermittelst des Klanges das Verhältniß der Steisigkeit verschiedener Ma-
terien finden, welche sich an gleich dicken und gleich langen Stäben, so wie überhaupt an
steifen klingenden Körpern, deren Dimensionen gleich sind, wie S2G, oder wie die Quadrate
der Töne, mit der specifischen Schwere der Materien multiplicirt, verhalten würde.

Wenn Stäbe oder überhaupt steife Körper, die aus einerley Materie bestehen, an
Gestalt einander vollkommen ähnlich, und nur an Größe verschieden sind, so daß alle Dimen-
sionen in einerley Verhältnisse zu- oder abnehmen, so verhalten sich die Töne bey einerley
Schwingungsart umgekehrt, wie die Cubicwurzeln der Schwere.

Anm. Die Erzählung, daß Pythagoras die Töne der Hämmer in einer Schmiede mit ihrer
Schwere übereinstimmend gefunden habe, ist also der Natur nicht gemäß. Die Schriftsteller,
bey welchen sie sich findet, sind: Nicomachus Gerasenus in Enchiridio Harmonices
p. 10. sequ. ed. Meibom. Jamblichus in vita Pythagorae cap.
26. und in Nicomachi
Arithmet. Indroduct, p. 171. sequ. Gaudentius
in Isagoge harmonica p. 13. sequ. ed.
Meibom. Macrobius in somnium Scipionis libr. II. cap. 1. Boethius de Musica,
cap.
10 und 11. Sie geben auch vor, daß bey den nachher von Pythagoras angestellten Ver-
suchen die Töne gleich langer und dicker Saiten in den Verhältaissen der angehängten Gewichte
gestanden haben sollen, welches eben so unrichtig ist, da bekanntermaßen die Töne der Saiten sich
wie die Quadratwurzeln der spannenden Kräfte verhalten.
87.

Die wahre Beschaffenheit der Transversalschwingungen eines Stabes ist zuerst von
Daniel Bernoulli in Comment. Acad. Petrop. tom. XIII. bekannt gemacht worden.
L. Euler hat auch die Theorie derselben anfangs in seiner methodo inveniendi curvas maximi
minimique proprietate gaudentes add. I. de curvis elasticis p. 282. sequ.
unvollständig und

beſchreibenden Schwingungsarten als Scheibe muͤßte angeſehen werden); ſo ſind doch bey
allen bisher erwaͤhnten Schwingungsarten deſſelben die Toͤne ungefaͤhr ebendieſelben, als ob
er ganz ſchmal waͤre. An einem breitern Stabe wird aber der Klang ſtaͤrker ſeyn koͤnnen, als
an einem ſchmaͤlern.

Die verſchiedenen Toͤne ebendeſſelben Stabes kommen mit n2, d. i. mit den Qua-
draten gewiſſer Zahlen, die in arithmetiſchen Progreſſionen ſtehen, uͤberein, wie vorher ſchon
iſt gezeigt worden.

Bey einerley Schwingungsart findet man die Steifigkeit R der Materie = .
Man koͤnnte alſo vermittelſt des Klanges das Verhaͤltniß der Steiſigkeit verſchiedener Ma-
terien finden, welche ſich an gleich dicken und gleich langen Staͤben, ſo wie uͤberhaupt an
ſteifen klingenden Koͤrpern, deren Dimenſionen gleich ſind, wie S2G, oder wie die Quadrate
der Toͤne, mit der ſpecifiſchen Schwere der Materien multiplicirt, verhalten wuͤrde.

Wenn Staͤbe oder uͤberhaupt ſteife Koͤrper, die aus einerley Materie beſtehen, an
Geſtalt einander vollkommen aͤhnlich, und nur an Groͤße verſchieden ſind, ſo daß alle Dimen-
ſionen in einerley Verhaͤltniſſe zu- oder abnehmen, ſo verhalten ſich die Toͤne bey einerley
Schwingungsart umgekehrt, wie die Cubicwurzeln der Schwere.

Anm. Die Erzaͤhlung, daß Pythagoras die Toͤne der Haͤmmer in einer Schmiede mit ihrer
Schwere uͤbereinſtimmend gefunden habe, iſt alſo der Natur nicht gemaͤß. Die Schriftſteller,
bey welchen ſie ſich findet, ſind: Nicomachus Gerasenus in Enchiridio Harmonices
p. 10. sequ. ed. Meibom. Jamblichus in vita Pythagorae cap.
26. und in Nicomachi
Arithmet. Indroduct, p. 171. sequ. Gaudentius
in Isagoge harmonica p. 13. sequ. ed.
Meibom. Macrobius in somnium Scipionis libr. II. cap. 1. Boethius de Musica,
cap.
10 und 11. Sie geben auch vor, daß bey den nachher von Pythagoras angeſtellten Ver-
ſuchen die Toͤne gleich langer und dicker Saiten in den Verhaͤltaiſſen der angehaͤngten Gewichte
geſtanden haben ſollen, welches eben ſo unrichtig iſt, da bekanntermaßen die Toͤne der Saiten ſich
wie die Quadratwurzeln der ſpannenden Kraͤfte verhalten.
87.

Die wahre Beſchaffenheit der Transverſalſchwingungen eines Stabes iſt zuerſt von
Daniel Bernoulli in Comment. Acad. Petrop. tom. XIII. bekannt gemacht worden.
L. Euler hat auch die Theorie derſelben anfangs in ſeiner methodo inveniendi curvas maximi
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[102/0136] beſchreibenden Schwingungsarten als Scheibe muͤßte angeſehen werden); ſo ſind doch bey allen bisher erwaͤhnten Schwingungsarten deſſelben die Toͤne ungefaͤhr ebendieſelben, als ob er ganz ſchmal waͤre. An einem breitern Stabe wird aber der Klang ſtaͤrker ſeyn koͤnnen, als an einem ſchmaͤlern. Die verſchiedenen Toͤne ebendeſſelben Stabes kommen mit n2, d. i. mit den Qua- draten gewiſſer Zahlen, die in arithmetiſchen Progreſſionen ſtehen, uͤberein, wie vorher ſchon iſt gezeigt worden. Bey einerley Schwingungsart findet man die Steifigkeit R der Materie = [FORMEL]. Man koͤnnte alſo vermittelſt des Klanges das Verhaͤltniß der Steiſigkeit verſchiedener Ma- terien finden, welche ſich an gleich dicken und gleich langen Staͤben, ſo wie uͤberhaupt an ſteifen klingenden Koͤrpern, deren Dimenſionen gleich ſind, wie S2G, oder wie die Quadrate der Toͤne, mit der ſpecifiſchen Schwere der Materien multiplicirt, verhalten wuͤrde. Wenn Staͤbe oder uͤberhaupt ſteife Koͤrper, die aus einerley Materie beſtehen, an Geſtalt einander vollkommen aͤhnlich, und nur an Groͤße verſchieden ſind, ſo daß alle Dimen- ſionen in einerley Verhaͤltniſſe zu- oder abnehmen, ſo verhalten ſich die Toͤne bey einerley Schwingungsart umgekehrt, wie die Cubicwurzeln der Schwere. Anm. Die Erzaͤhlung, daß Pythagoras die Toͤne der Haͤmmer in einer Schmiede mit ihrer Schwere uͤbereinſtimmend gefunden habe, iſt alſo der Natur nicht gemaͤß. Die Schriftſteller, bey welchen ſie ſich findet, ſind: Nicomachus Gerasenus in Enchiridio Harmonices p. 10. sequ. ed. Meibom. Jamblichus in vita Pythagorae cap. 26. und in Nicomachi Arithmet. Indroduct, p. 171. sequ. Gaudentius in Isagoge harmonica p. 13. sequ. ed. Meibom. Macrobius in somnium Scipionis libr. II. cap. 1. Boethius de Musica, cap. 10 und 11. Sie geben auch vor, daß bey den nachher von Pythagoras angeſtellten Ver- ſuchen die Toͤne gleich langer und dicker Saiten in den Verhaͤltaiſſen der angehaͤngten Gewichte geſtanden haben ſollen, welches eben ſo unrichtig iſt, da bekanntermaßen die Toͤne der Saiten ſich wie die Quadratwurzeln der ſpannenden Kraͤfte verhalten. 87. Die wahre Beſchaffenheit der Transverſalſchwingungen eines Stabes iſt zuerſt von Daniel Bernoulli in Comment. Acad. Petrop. tom. XIII. bekannt gemacht worden. L. Euler hat auch die Theorie derſelben anfangs in ſeiner methodo inveniendi curvas maximi minimique proprietate gaudentes add. I. de curvis elasticis p. 282. sequ. unvollſtaͤndig und

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Zitationshilfe: Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_akustik_1802/136>, abgerufen am 17.05.2024.