Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802.Anm. Die Art der Elasticität, welche ich hier Sprödigkeit nenne, ist von der Steifigkeit, d. i. von dem Widerstande gegen jede seitwärts geschehende Biegung, wodurch die Töne bey den Transversalschwingungen bestimmt werden, sehr verschieden. Sie ist auch, wie Graf Giordano Riccati in seiner Schrift delle corde ovvero fibre elastiche, Sched. I. bemerkt, von der Festigkeit oder Haltbarkeit (tenacitas) wohl zu unterscheiden; er fand z. B. daß die Sprö- digkeit einer von ihm untersuchten dünnen Messingsaite über 1134 Pfund betrug, deren Haltbarkeit nur ungefähr 12 Pfunden gleich war, und also bey Anhängung eines größern Gewichtes zerriß. Er unterscheidet von dieser natürlichen oder innern Sprödigkeit der Materie auch die künstliche oder äußere Sprödigkeit, d. i. den Wiederstand, welchen ein solcher Körper, wenn seine Ausdehnung durch eine äußere Kraft schon etwas verändert worden ist, gegen jede noch weitere Veränderung derselben äußert. Da nun die natürliche Spödigkeit einer Saite schon so viel betragen kann, so ist gar nicht zu verwundern, daß eine mehrere oder mindere Spannung, die doch gewöhnlich nur einige Pfund beträgt, so wenig Veränderung des Tones bey einer longitudinal schwingenden Saite bewürkt. 96. Die Verschiedenheiten der Transversal- und Longitudinalschwingungen werden sich am
Anm. Die Art der Elaſticitaͤt, welche ich hier Sproͤdigkeit nenne, iſt von der Steifigkeit, d. i. von dem Widerſtande gegen jede ſeitwaͤrts geſchehende Biegung, wodurch die Toͤne bey den Transverſalſchwingungen beſtimmt werden, ſehr verſchieden. Sie iſt auch, wie Graf Giordano Riccati in ſeiner Schrift delle corde ovvero fibre elastiche, Sched. I. bemerkt, von der Feſtigkeit oder Haltbarkeit (tenacitas) wohl zu unterſcheiden; er fand z. B. daß die Sproͤ- digkeit einer von ihm unterſuchten duͤnnen Meſſingſaite uͤber 1134 Pfund betrug, deren Haltbarkeit nur ungefaͤhr 12 Pfunden gleich war, und alſo bey Anhaͤngung eines groͤßern Gewichtes zerriß. Er unterſcheidet von dieſer natuͤrlichen oder innern Sproͤdigkeit der Materie auch die kuͤnſtliche oder aͤußere Sproͤdigkeit, d. i. den Wiederſtand, welchen ein ſolcher Koͤrper, wenn ſeine Ausdehnung durch eine aͤußere Kraft ſchon etwas veraͤndert worden iſt, gegen jede noch weitere Veraͤnderung derſelben aͤußert. Da nun die natuͤrliche Spoͤdigkeit einer Saite ſchon ſo viel betragen kann, ſo iſt gar nicht zu verwundern, daß eine mehrere oder mindere Spannung, die doch gewoͤhnlich nur einige Pfund betraͤgt, ſo wenig Veraͤnderung des Tones bey einer longitudinal ſchwingenden Saite bewuͤrkt. 96. Die Verſchiedenheiten der Transverſal- und Longitudinalſchwingungen werden ſich am
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Anm. Die Art der Elaſticitaͤt, welche ich hier Sproͤdigkeit nenne, iſt von der Steifigkeit,
d. i. von dem Widerſtande gegen jede ſeitwaͤrts geſchehende Biegung, wodurch die Toͤne bey den
Transverſalſchwingungen beſtimmt werden, ſehr verſchieden. Sie iſt auch, wie Graf Giordano
Riccati in ſeiner Schrift delle corde ovvero fibre elastiche, Sched. I. bemerkt, von der
Feſtigkeit oder Haltbarkeit (tenacitas) wohl zu unterſcheiden; er fand z. B. daß die Sproͤ-
digkeit einer von ihm unterſuchten duͤnnen Meſſingſaite uͤber 1134 Pfund betrug, deren Haltbarkeit
nur ungefaͤhr 12 Pfunden gleich war, und alſo bey Anhaͤngung eines groͤßern Gewichtes zerriß.
Er unterſcheidet von dieſer natuͤrlichen oder innern Sproͤdigkeit der Materie auch die kuͤnſtliche oder
aͤußere Sproͤdigkeit, d. i. den Wiederſtand, welchen ein ſolcher Koͤrper, wenn ſeine Ausdehnung
durch eine aͤußere Kraft ſchon etwas veraͤndert worden iſt, gegen jede noch weitere Veraͤnderung
derſelben aͤußert. Da nun die natuͤrliche Spoͤdigkeit einer Saite ſchon ſo viel betragen kann, ſo
iſt gar nicht zu verwundern, daß eine mehrere oder mindere Spannung, die doch gewoͤhnlich nur
einige Pfund betraͤgt, ſo wenig Veraͤnderung des Tones bey einer longitudinal ſchwingenden Saite
bewuͤrkt.
96.
Die Verſchiedenheiten der Transverſal- und Longitudinalſchwingungen werden ſich am
beſten uͤberſehen laſſen, wenn ich ſie in folgender Tabelle einander gegenuͤber ſtelle:
Eigenſchaften der
Transverſalſchwingungen. Eigenſchaften der
Longitudinalſchwingungen.
Der Stab wird in die Quere in Bewegung
geſetzt. Der Stab wird nach der Richtung der Laͤnge in
Bewegung geſetzt.
Er bildet bey ſeinen Schwingungen mancherley
krumme Linien. Er zieht ſich auf mancherley Art zuſammen und
dehnt ſich aus nach der Richtung der Laͤnge.
Die Tone verhalten ſich bey den verſchiedenen
Schwingungsarten wie die Quadrate gewiſſer Zah-
len, z. B. wie die Quadrate von 3, 5, 7, 9 ꝛc. oder
von 5, 9, 13, 17 ꝛc. oder von 1, 2, 3, 4 ꝛc. Die Toͤne verhalten ſich bey den verſchiedenen
Schwingungsarten wie die geraden Zahlen 2, 4,
6, 8 u. ſ. w. oder wie die ungeraden Zahlen 1,
3, 5, 7 u. ſ. w.
Die Toͤne verſchiedener Stabe verhalten ſich bey
einerley Schwingungsart umgekehrt wie die Qua-
drete der Laͤngen. Die Toͤne verſchiedener Staͤbe verhalten ſich
bey einerley Schwingungsart, umgekehrt wie die
Laͤngen.
Sie verhalten ſich ſeiner wie die Dicke, Auf die Dicke kommt gar nichts an, außer
daß, wenn der Stab nach einem Ende zu merklich
dicker iſt, dieſes eine kleine Veranderung des Toms
verurſachen kann.
wie die Quadratwurzeln der Steifigkeit, d. i.
des Widerſtandes gegen Biegung, Wahrſcheinlich verhalten ſich die Toͤne, wie die
Quadratwurzeln der Sproͤdigkeit, d. i. des Wi-
derſtandes gegen Verengerungen und Erweiterun-
gen nach der Richtung der Laͤnge.
und umgekehrt wie die Quadratwurzeln der
Schwere. Wahrſcheinlich auch umgekehrt wie die Qua-
dratwurzeln der Schwere.
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