Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802.

Bild:
<< vorherige Seite

Wenn die durchgehenden Linien sich verzerren, so nehmen sie meistens eine Gestalt an, die
einer Hoperbel ähnlich ist.

0|II ist, wenn die Kreise concentrisch erscheinen sollen, Fig. 109, a, etwas schwer
hervorzubeingen, so wie alle solche Figuren, wo nirgends zwey Linien sich schneiden, und
man also auf einer Linie halten muß. Man hält eine Stelle des einen Kreises, aber nur mit
den äußersten Spitzen der Finger, berühet zugleich die nächste Stelle des andern Kreises und
streicht an der nächsten Stelle des Randes; es müssen die gehaltene, die außerdem noch
berührte, und die gestrichene Stelle ungefähr in einerley Halbmesser seyn. Jeder Durchmesser
der Scheibe schwingt bey dieser Bewegungsart eben so, wie ein freyer Stab (§. 82.) bey seiner
dritten Schwingungsart, bey welcher vier Schwingungsknoten sind. Der Ton ist um zwey
Octaven höher, als bey 0|I. Man kann diese Schwingungsart noch leichter so hervorbringen,
daß, Fig. 109, b, der äußere Kreiß 5 Biegungen bekommt, und der innere oval wird, wenn
man die Scheibe vermittelst des Daumen und noch eines Fingers, welche an die Stellen des
Randes, wo die beyden vordersten Ausbiegungen sind, angedrückt werden, hinterwärts, wo
die Ausbiegung bis an den Rand geht, an irgend einen festen nicht allzu harten Gegenstand
anstemmt, und seitwärts, an einer Stelle, wo eine Einbiegung ist, streicht. Der Ton ist
bey dieser Abänderung ein wenig höher, als bey Fig. 109, a; es ist dieses an einer runden
Scheibe das einzige mir bekannte Beyspiel, wo bey einer Verzerrung der Knotenlinien der
Ton etwas verändert wird; es kann diese Verschiedenheit beynahe einen halben Ton betragen.
Wenn die Kreise auch concentrisch erscheinen, so kann man doch die Neigung des äußern
Kreises fünf Biegungen anzunehmen, und die Neigung des inneren Kreises sich etwas in die
Länge zu ziehn, schon einigermaßen bemerken. An einer messingenen Scheibe, die aber nicht
ganz regelmäßig war, wollte der äußere Kreiß nie anders, als mit 6 Biegungen erscheinen,
wobey der innere nicht oval, sondern elliptisch war.

1|II mit concentrischen Kreisen, (Fig. 110, a) erscheint, wenn man fast so, wie bey
1|I verfährt, und nur etwas mehr nach außen hält, oder auch zugleich durch eine gelinde
Berührung einer oder zweyer Stellen des äußern oder innern Kreises die Scheibe auf diese
Art sich abzutheilen nöthigt. Es kann diese Schwingungsart sowohl durch kleine Unregel-
mäßigkeiten der Scheibe, als auch durch ein anderes Verfahren, wo man die Scheibe an
schicklichen Stellen, fast so wie ich es bey 0|II, Fig. 109, b, gezeigt habe, an irgend einen
festen nicht allzu harten Gegenstand anstemmt, auch veranlaßt werden, sich so zu zeigen, daß

Wenn die durchgehenden Linien ſich verzerren, ſo nehmen ſie meiſtens eine Geſtalt an, die
einer Hoperbel aͤhnlich iſt.

0|II iſt, wenn die Kreiſe concentriſch erſcheinen ſollen, Fig. 109, a, etwas ſchwer
hervorzubeingen, ſo wie alle ſolche Figuren, wo nirgends zwey Linien ſich ſchneiden, und
man alſo auf einer Linie halten muß. Man haͤlt eine Stelle des einen Kreiſes, aber nur mit
den aͤußerſten Spitzen der Finger, beruͤhet zugleich die naͤchſte Stelle des andern Kreiſes und
ſtreicht an der naͤchſten Stelle des Randes; es muͤſſen die gehaltene, die außerdem noch
beruͤhrte, und die geſtrichene Stelle ungefaͤhr in einerley Halbmeſſer ſeyn. Jeder Durchmeſſer
der Scheibe ſchwingt bey dieſer Bewegungsart eben ſo, wie ein freyer Stab (§. 82.) bey ſeiner
dritten Schwingungsart, bey welcher vier Schwingungsknoten ſind. Der Ton iſt um zwey
Octaven hoͤher, als bey 0|I. Man kann dieſe Schwingungsart noch leichter ſo hervorbringen,
daß, Fig. 109, b, der aͤußere Kreiß 5 Biegungen bekommt, und der innere oval wird, wenn
man die Scheibe vermittelſt des Daumen und noch eines Fingers, welche an die Stellen des
Randes, wo die beyden vorderſten Ausbiegungen ſind, angedruͤckt werden, hinterwaͤrts, wo
die Ausbiegung bis an den Rand geht, an irgend einen feſten nicht allzu harten Gegenſtand
anſtemmt, und ſeitwaͤrts, an einer Stelle, wo eine Einbiegung iſt, ſtreicht. Der Ton iſt
bey dieſer Abaͤnderung ein wenig hoͤher, als bey Fig. 109, a; es iſt dieſes an einer runden
Scheibe das einzige mir bekannte Beyſpiel, wo bey einer Verzerrung der Knotenlinien der
Ton etwas veraͤndert wird; es kann dieſe Verſchiedenheit beynahe einen halben Ton betragen.
Wenn die Kreiſe auch concentriſch erſcheinen, ſo kann man doch die Neigung des aͤußern
Kreiſes fuͤnf Biegungen anzunehmen, und die Neigung des inneren Kreiſes ſich etwas in die
Laͤnge zu ziehn, ſchon einigermaßen bemerken. An einer meſſingenen Scheibe, die aber nicht
ganz regelmaͤßig war, wollte der aͤußere Kreiß nie anders, als mit 6 Biegungen erſcheinen,
wobey der innere nicht oval, ſondern elliptiſch war.

1|II mit concentriſchen Kreiſen, (Fig. 110, a) erſcheint, wenn man faſt ſo, wie bey
1|I verfaͤhrt, und nur etwas mehr nach außen haͤlt, oder auch zugleich durch eine gelinde
Beruͤhrung einer oder zweyer Stellen des aͤußern oder innern Kreiſes die Scheibe auf dieſe
Art ſich abzutheilen noͤthigt. Es kann dieſe Schwingungsart ſowohl durch kleine Unregel-
maͤßigkeiten der Scheibe, als auch durch ein anderes Verfahren, wo man die Scheibe an
ſchicklichen Stellen, faſt ſo wie ich es bey 0|II, Fig. 109, b, gezeigt habe, an irgend einen
feſten nicht allzu harten Gegenſtand anſtemmt, auch veranlaßt werden, ſich ſo zu zeigen, daß

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0194" n="160"/>
Wenn die durchgehenden Linien &#x017F;ich verzerren, &#x017F;o nehmen &#x017F;ie mei&#x017F;tens eine Ge&#x017F;talt an, die<lb/>
einer Hoperbel a&#x0364;hnlich i&#x017F;t.</p><lb/>
              <p>0|<hi rendition="#aq">II</hi> i&#x017F;t, wenn die Krei&#x017F;e concentri&#x017F;ch er&#x017F;cheinen &#x017F;ollen, <hi rendition="#aq">Fig. 109, a,</hi> etwas &#x017F;chwer<lb/>
hervorzubeingen, &#x017F;o wie alle &#x017F;olche Figuren, wo nirgends zwey Linien &#x017F;ich &#x017F;chneiden, und<lb/>
man al&#x017F;o auf einer Linie halten muß. Man ha&#x0364;lt eine Stelle des einen Krei&#x017F;es, aber nur mit<lb/>
den a&#x0364;ußer&#x017F;ten Spitzen der Finger, beru&#x0364;het zugleich die na&#x0364;ch&#x017F;te Stelle des andern Krei&#x017F;es und<lb/>
&#x017F;treicht an der na&#x0364;ch&#x017F;ten Stelle des Randes; es mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en die gehaltene, die außerdem noch<lb/>
beru&#x0364;hrte, und die ge&#x017F;trichene Stelle ungefa&#x0364;hr in einerley Halbme&#x017F;&#x017F;er &#x017F;eyn. Jeder Durchme&#x017F;&#x017F;er<lb/>
der Scheibe &#x017F;chwingt bey die&#x017F;er Bewegungsart eben &#x017F;o, wie ein freyer Stab (§. 82.) bey &#x017F;einer<lb/>
dritten Schwingungsart, bey welcher vier Schwingungsknoten &#x017F;ind. Der Ton i&#x017F;t um zwey<lb/>
Octaven ho&#x0364;her, als bey 0|<hi rendition="#aq">I.</hi> Man kann die&#x017F;e Schwingungsart noch leichter &#x017F;o hervorbringen,<lb/>
daß, <hi rendition="#aq">Fig. 109, b,</hi> der a&#x0364;ußere Kreiß 5 Biegungen bekommt, und der innere oval wird, wenn<lb/>
man die Scheibe vermittel&#x017F;t des Daumen und noch eines Fingers, welche an die Stellen des<lb/>
Randes, wo die beyden vorder&#x017F;ten Ausbiegungen &#x017F;ind, angedru&#x0364;ckt werden, hinterwa&#x0364;rts, wo<lb/>
die Ausbiegung bis an den Rand geht, an irgend einen fe&#x017F;ten nicht allzu harten Gegen&#x017F;tand<lb/>
an&#x017F;temmt, und &#x017F;eitwa&#x0364;rts, an einer Stelle, wo eine Einbiegung i&#x017F;t, &#x017F;treicht. Der Ton i&#x017F;t<lb/>
bey die&#x017F;er Aba&#x0364;nderung ein wenig ho&#x0364;her, als bey <hi rendition="#aq">Fig. 109, a;</hi> es i&#x017F;t die&#x017F;es an einer runden<lb/>
Scheibe das einzige mir bekannte Bey&#x017F;piel, wo bey einer Verzerrung der Knotenlinien der<lb/>
Ton etwas vera&#x0364;ndert wird; es kann die&#x017F;e Ver&#x017F;chiedenheit beynahe einen halben Ton betragen.<lb/>
Wenn die Krei&#x017F;e auch concentri&#x017F;ch er&#x017F;cheinen, &#x017F;o kann man doch die Neigung des a&#x0364;ußern<lb/>
Krei&#x017F;es fu&#x0364;nf Biegungen anzunehmen, und die Neigung des inneren Krei&#x017F;es &#x017F;ich etwas in die<lb/>
La&#x0364;nge zu ziehn, &#x017F;chon einigermaßen bemerken. An einer me&#x017F;&#x017F;ingenen Scheibe, die aber nicht<lb/>
ganz regelma&#x0364;ßig war, wollte der a&#x0364;ußere Kreiß nie anders, als mit 6 Biegungen er&#x017F;cheinen,<lb/>
wobey der innere nicht oval, &#x017F;ondern ellipti&#x017F;ch war.</p><lb/>
              <p>1|<hi rendition="#aq">II</hi> mit concentri&#x017F;chen Krei&#x017F;en, <hi rendition="#aq">(Fig. 110, a)</hi> er&#x017F;cheint, wenn man fa&#x017F;t &#x017F;o, wie bey<lb/>
1|<hi rendition="#aq">I</hi> verfa&#x0364;hrt, und nur etwas mehr nach außen ha&#x0364;lt, oder auch zugleich durch eine gelinde<lb/>
Beru&#x0364;hrung einer oder zweyer Stellen des a&#x0364;ußern oder innern Krei&#x017F;es die Scheibe auf die&#x017F;e<lb/>
Art &#x017F;ich abzutheilen no&#x0364;thigt. Es kann die&#x017F;e Schwingungsart &#x017F;owohl durch kleine Unregel-<lb/>
ma&#x0364;ßigkeiten der Scheibe, als auch durch ein anderes Verfahren, wo man die Scheibe an<lb/>
&#x017F;chicklichen Stellen, fa&#x017F;t &#x017F;o wie ich es bey 0|<hi rendition="#aq">II, Fig. 109, b,</hi> gezeigt habe, an irgend einen<lb/>
fe&#x017F;ten nicht allzu harten Gegen&#x017F;tand an&#x017F;temmt, auch veranlaßt werden, &#x017F;ich &#x017F;o zu zeigen, daß<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[160/0194] Wenn die durchgehenden Linien ſich verzerren, ſo nehmen ſie meiſtens eine Geſtalt an, die einer Hoperbel aͤhnlich iſt. 0|II iſt, wenn die Kreiſe concentriſch erſcheinen ſollen, Fig. 109, a, etwas ſchwer hervorzubeingen, ſo wie alle ſolche Figuren, wo nirgends zwey Linien ſich ſchneiden, und man alſo auf einer Linie halten muß. Man haͤlt eine Stelle des einen Kreiſes, aber nur mit den aͤußerſten Spitzen der Finger, beruͤhet zugleich die naͤchſte Stelle des andern Kreiſes und ſtreicht an der naͤchſten Stelle des Randes; es muͤſſen die gehaltene, die außerdem noch beruͤhrte, und die geſtrichene Stelle ungefaͤhr in einerley Halbmeſſer ſeyn. Jeder Durchmeſſer der Scheibe ſchwingt bey dieſer Bewegungsart eben ſo, wie ein freyer Stab (§. 82.) bey ſeiner dritten Schwingungsart, bey welcher vier Schwingungsknoten ſind. Der Ton iſt um zwey Octaven hoͤher, als bey 0|I. Man kann dieſe Schwingungsart noch leichter ſo hervorbringen, daß, Fig. 109, b, der aͤußere Kreiß 5 Biegungen bekommt, und der innere oval wird, wenn man die Scheibe vermittelſt des Daumen und noch eines Fingers, welche an die Stellen des Randes, wo die beyden vorderſten Ausbiegungen ſind, angedruͤckt werden, hinterwaͤrts, wo die Ausbiegung bis an den Rand geht, an irgend einen feſten nicht allzu harten Gegenſtand anſtemmt, und ſeitwaͤrts, an einer Stelle, wo eine Einbiegung iſt, ſtreicht. Der Ton iſt bey dieſer Abaͤnderung ein wenig hoͤher, als bey Fig. 109, a; es iſt dieſes an einer runden Scheibe das einzige mir bekannte Beyſpiel, wo bey einer Verzerrung der Knotenlinien der Ton etwas veraͤndert wird; es kann dieſe Verſchiedenheit beynahe einen halben Ton betragen. Wenn die Kreiſe auch concentriſch erſcheinen, ſo kann man doch die Neigung des aͤußern Kreiſes fuͤnf Biegungen anzunehmen, und die Neigung des inneren Kreiſes ſich etwas in die Laͤnge zu ziehn, ſchon einigermaßen bemerken. An einer meſſingenen Scheibe, die aber nicht ganz regelmaͤßig war, wollte der aͤußere Kreiß nie anders, als mit 6 Biegungen erſcheinen, wobey der innere nicht oval, ſondern elliptiſch war. 1|II mit concentriſchen Kreiſen, (Fig. 110, a) erſcheint, wenn man faſt ſo, wie bey 1|I verfaͤhrt, und nur etwas mehr nach außen haͤlt, oder auch zugleich durch eine gelinde Beruͤhrung einer oder zweyer Stellen des aͤußern oder innern Kreiſes die Scheibe auf dieſe Art ſich abzutheilen noͤthigt. Es kann dieſe Schwingungsart ſowohl durch kleine Unregel- maͤßigkeiten der Scheibe, als auch durch ein anderes Verfahren, wo man die Scheibe an ſchicklichen Stellen, faſt ſo wie ich es bey 0|II, Fig. 109, b, gezeigt habe, an irgend einen feſten nicht allzu harten Gegenſtand anſtemmt, auch veranlaßt werden, ſich ſo zu zeigen, daß

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_akustik_1802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_akustik_1802/194
Zitationshilfe: Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_akustik_1802/194>, abgerufen am 04.12.2024.