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Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802.

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5.

Bey einem Schalle sind die Schwingungen (sowohl in Ansehung der Zeiträume,
in welchen sie geschehen, als auch in Ansehung der Gestaltveränderungen des elastischen Kör-
pers) entweder gleichartig, und (durch das Gehör wie auch durch andere bisher bekannt ge[-]
wordene Mittel) bestimmbar oder sie sind es nicht; im erstern Falle ist es ein Klang, im
letztern ein Geräusch.

Anmerkung. Von einem Klange und von der Art, wie er sich von einem Geräusche unter-
scheibet, haben viele Schriftsteller, besonders Ramean und andere, die ihm gefolgt sind, ganz
unrichtige Begriffe gehabt. Ste sehen einen Klang, der etwas ganz einfaches ist, als etwas sehr
znsammengesetztes an, und behaupten, daß man daben außer der mit der Zahl 1 übereinkommenden
Hauptschwingung auch andere, die mit der [natürlichen] Zahlensolge 2, 3, 4 u. s. w. überein-
stimmen, allemahl zugleich höre. Es finder sich dieser Jrrthum auch in Sulzers Theorie der
schönen Künste, in Errlebens Naturlehre, und in vielen andern Schriften; Rameau und seine
Anhänger haben ihr ganzes System der Musik darauf gegründet. Es ist aber ein solches M[it]-
klingen, wie im 9ten Abschnitte des 2ten Theiles wird gezeigt werden, keine allgemeine Eigen-
schaft klingender Körper, und in denen Fällen, wo es Statt findet, ist nicht ein Klang, son-
dern es sind mehrere zugleich vorhanden, deren jeder anzusehen ist, als ob er für sich
allem vorhanden wäre. La Grange hat in seinen Recherches sur la nature et la propaga-
tion du son Sect. II. §. 64, in Miscellan. Taurinens. tom. I.
den Unterschied eines Klanges
von einem Geräusche richtig bestimmt, und die von manchen andern Schriftstellern gegebenen
falschen Erklärungen widerlegt.
6.

Wenn man bey einem Klange blos auf die Geschwindigkeit der zitternben Bewe-
gung, nicht aber auf die Eigenschaften und Gestaltveränderungen des klingenden Körpers
Rücksicht nimmt, so nennt man ihn einen Ton, und zwar einen hohen Ton, wenn die
Schwingungen schnell, einen tiefen Ton, wenn die Schwingungen langsam geschehen.
Ein Ton ist nicht absolut hoch oder tief, sondern nur in Vergleichung mit andern, wo die
Schwingungen langsamer oder geschwinder geschehen. Eine Folge von Tönen wird Melodie,
eine einzelne schickliche Coexistenz mehrerer Töne ein Accord, eine Folge von Accorden (oder
eine Coexistenz mehrerer Melodien) Harmonie genannt. Die Musik benutzt die von der
Akustik ihr gelieferten Materialien, um durch Verbindung der Töne zu Melodie und Har-
mönie Empfindungen auszudrücken und zu erregen.

1. Anm. Man sagt, wenn man sich richtig ausdrücken will, nicht: ein Jnstrument habe einen
guten Ton, sondern: einen guten Klang. Hingegen sagt man nicht: ein hoher oder ein tiefer
Klang, sondern ein hoher oder ein tiefer Ton.
A 2
5.

Bey einem Schalle ſind die Schwingungen (ſowohl in Anſehung der Zeitraͤume,
in welchen ſie geſchehen, als auch in Anſehung der Geſtaltveraͤnderungen des elaſtiſchen Koͤr-
pers) entweder gleichartig, und (durch das Gehoͤr wie auch durch andere biſher bekannt ge[-]
wordene Mittel) beſtimmbar oder ſie ſind es nicht; im erſtern Falle iſt es ein Klang, im
letztern ein Geraͤuſch.

Anmerkung. Von einem Klange und von der Art, wie er ſich von einem Geraͤuſche unter-
ſcheibet, haben viele Schriftſteller, beſonders Ramean und andere, die ihm gefolgt ſind, ganz
unrichtige Begriffe gehabt. Ste ſehen einen Klang, der etwas ganz einfaches iſt, als etwas ſehr
znſammengeſetztes an, und behaupten, daß man daben außer der mit der Zahl 1 uͤbereinkommenden
Hauptſchwingung auch andere, die mit der [natuͤrlichen] Zahlenſolge 2, 3, 4 u. ſ. w. uͤberein-
ſtimmen, allemahl zugleich hoͤre. Es finder ſich dieſer Jrrthum auch in Sulzers Theorie der
ſchoͤnen Kuͤnſte, in Errlebens Naturlehre, und in vielen andern Schriften; Rameau und ſeine
Anhaͤnger haben ihr ganzes Syſtem der Muſik darauf gegruͤndet. Es iſt aber ein ſolches M[it]-
klingen, wie im 9ten Abſchnitte des 2ten Theiles wird gezeigt werden, keine allgemeine Eigen-
ſchaft klingender Koͤrper, und in denen Faͤllen, wo es Statt findet, iſt nicht ein Klang, ſon-
dern es ſind mehrere zugleich vorhanden, deren jeder anzuſehen iſt, als ob er fuͤr ſich
allem vorhanden waͤre. La Grange hat in ſeinen Recherches sur la nature et la propaga-
tion du son Sect. II. §. 64, in Miscellan. Taurinens. tom. I.
den Unterſchied eines Klanges
von einem Geraͤuſche richtig beſtimmt, und die von manchen andern Schriftſtellern gegebenen
falſchen Erklaͤrungen widerlegt.
6.

Wenn man bey einem Klange blos auf die Geſchwindigkeit der zitternben Bewe-
gung, nicht aber auf die Eigenſchaften und Geſtaltveraͤnderungen des klingenden Koͤrpers
Ruͤckſicht nimmt, ſo nennt man ihn einen Ton, und zwar einen hohen Ton, wenn die
Schwingungen ſchnell, einen tiefen Ton, wenn die Schwingungen langſam geſchehen.
Ein Ton iſt nicht abſolut hoch oder tief, ſondern nur in Vergleichung mit andern, wo die
Schwingungen langſamer oder geſchwinder geſchehen. Eine Folge von Toͤnen wird Melodie,
eine einzelne ſchickliche Coexiſtenz mehrerer Toͤne ein Accord, eine Folge von Accorden (oder
eine Coexiſtenz mehrerer Melodien) Harmonie genannt. Die Muſik benutzt die von der
Akuſtik ihr gelieferten Materialien, um durch Verbindung der Toͤne zu Melodie und Har-
moͤnie Empfindungen auszudruͤcken und zu erregen.

1. Anm. Man ſagt, wenn man ſich richtig ausdruͤcken will, nicht: ein Jnſtrument habe einen
guten Ton, ſondern: einen guten Klang. Hingegen ſagt man nicht: ein hoher oder ein tiefer
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A 2
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[3/0037] 5. Bey einem Schalle ſind die Schwingungen (ſowohl in Anſehung der Zeitraͤume, in welchen ſie geſchehen, als auch in Anſehung der Geſtaltveraͤnderungen des elaſtiſchen Koͤr- pers) entweder gleichartig, und (durch das Gehoͤr wie auch durch andere biſher bekannt ge- wordene Mittel) beſtimmbar oder ſie ſind es nicht; im erſtern Falle iſt es ein Klang, im letztern ein Geraͤuſch. Anmerkung. Von einem Klange und von der Art, wie er ſich von einem Geraͤuſche unter- ſcheibet, haben viele Schriftſteller, beſonders Ramean und andere, die ihm gefolgt ſind, ganz unrichtige Begriffe gehabt. Ste ſehen einen Klang, der etwas ganz einfaches iſt, als etwas ſehr znſammengeſetztes an, und behaupten, daß man daben außer der mit der Zahl 1 uͤbereinkommenden Hauptſchwingung auch andere, die mit der natuͤrlichen Zahlenſolge 2, 3, 4 u. ſ. w. uͤberein- ſtimmen, allemahl zugleich hoͤre. Es finder ſich dieſer Jrrthum auch in Sulzers Theorie der ſchoͤnen Kuͤnſte, in Errlebens Naturlehre, und in vielen andern Schriften; Rameau und ſeine Anhaͤnger haben ihr ganzes Syſtem der Muſik darauf gegruͤndet. Es iſt aber ein ſolches Mit- klingen, wie im 9ten Abſchnitte des 2ten Theiles wird gezeigt werden, keine allgemeine Eigen- ſchaft klingender Koͤrper, und in denen Faͤllen, wo es Statt findet, iſt nicht ein Klang, ſon- dern es ſind mehrere zugleich vorhanden, deren jeder anzuſehen iſt, als ob er fuͤr ſich allem vorhanden waͤre. La Grange hat in ſeinen Recherches sur la nature et la propaga- tion du son Sect. II. §. 64, in Miscellan. Taurinens. tom. I. den Unterſchied eines Klanges von einem Geraͤuſche richtig beſtimmt, und die von manchen andern Schriftſtellern gegebenen falſchen Erklaͤrungen widerlegt. 6. Wenn man bey einem Klange blos auf die Geſchwindigkeit der zitternben Bewe- gung, nicht aber auf die Eigenſchaften und Geſtaltveraͤnderungen des klingenden Koͤrpers Ruͤckſicht nimmt, ſo nennt man ihn einen Ton, und zwar einen hohen Ton, wenn die Schwingungen ſchnell, einen tiefen Ton, wenn die Schwingungen langſam geſchehen. Ein Ton iſt nicht abſolut hoch oder tief, ſondern nur in Vergleichung mit andern, wo die Schwingungen langſamer oder geſchwinder geſchehen. Eine Folge von Toͤnen wird Melodie, eine einzelne ſchickliche Coexiſtenz mehrerer Toͤne ein Accord, eine Folge von Accorden (oder eine Coexiſtenz mehrerer Melodien) Harmonie genannt. Die Muſik benutzt die von der Akuſtik ihr gelieferten Materialien, um durch Verbindung der Toͤne zu Melodie und Har- moͤnie Empfindungen auszudruͤcken und zu erregen. 1. Anm. Man ſagt, wenn man ſich richtig ausdruͤcken will, nicht: ein Jnſtrument habe einen guten Ton, ſondern: einen guten Klang. Hingegen ſagt man nicht: ein hoher oder ein tiefer Klang, ſondern ein hoher oder ein tiefer Ton. A 2

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Zitationshilfe: Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_akustik_1802/37>, abgerufen am 26.11.2024.