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Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.

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Sechstes Capitel,
C. 5.): ohne welchen die Geschichte zwar gesche-
hen, aber nicht zu einem Stücke unserer Erkent-
niß werden mögen.

§. 6.
Unvermeidliche Vergrösserung und Ver-
kleinerung der Dinge.

Jndem man sich beym Ausdruck seiner Em-
pfindungen, als gantz determinirter Begriffe, nur
allgemeiner Worte bedienen muß (§. 4.): so
brauchen wir mit unter solche, die bey jedem Men-
schen einen andern Begriff haben, nachdem jeder
denselben von diesen oder jenen Exempeln abstra-
hiret hat, wie (§. 29. C. 2.) in der Materie von
allerhand Arten der Figuren gewiesen worden.
Wer eine Kirche beschreibt, der sollte eigentlich
sagen, wie lang und breit dieselbe wäre: weil aber
dieses entweder eine Ausmessung, oder wenigstens
ein gutes Augenmaaß erforderte, in beyden Fäl-
len aber eine langweilige Erzehlung verursachen
würde, so sagt man kürtzlich: eine grosse, oder
eine kleine Kirche. Allein dieses Wort hat gantz
verschiedene Bedeutungen, nachdem jemand nur
Dorfkirchen, oder Stadt- und Thumkirchen gese-
hen hat. Jst nun der Erzehlende von der ersten,
der Zuhörer aber von der letzten Art, so wird sich
dieser einen gantz andern Begriff von der Kirche
machen, als des Erzehlers Meinung ist. Die-
ser hat die Sache ohne sein Vorwissen und in sei-
ner Einfalt vergrössert. So ist es auch mit
der Kleinheit, Schönheit, Menge, Ueber-
fluß, Ordnung,
und vielen andern Begriffen

be-

Sechſtes Capitel,
C. 5.): ohne welchen die Geſchichte zwar geſche-
hen, aber nicht zu einem Stuͤcke unſerer Erkent-
niß werden moͤgen.

§. 6.
Unvermeidliche Vergroͤſſerung und Ver-
kleinerung der Dinge.

Jndem man ſich beym Ausdruck ſeiner Em-
pfindungen, als gantz determinirter Begriffe, nur
allgemeiner Worte bedienen muß (§. 4.): ſo
brauchen wir mit unter ſolche, die bey jedem Men-
ſchen einen andern Begriff haben, nachdem jeder
denſelben von dieſen oder jenen Exempeln abſtra-
hiret hat, wie (§. 29. C. 2.) in der Materie von
allerhand Arten der Figuren gewieſen worden.
Wer eine Kirche beſchreibt, der ſollte eigentlich
ſagen, wie lang und breit dieſelbe waͤre: weil aber
dieſes entweder eine Ausmeſſung, oder wenigſtens
ein gutes Augenmaaß erforderte, in beyden Faͤl-
len aber eine langweilige Erzehlung verurſachen
wuͤrde, ſo ſagt man kuͤrtzlich: eine groſſe, oder
eine kleine Kirche. Allein dieſes Wort hat gantz
verſchiedene Bedeutungen, nachdem jemand nur
Dorfkirchen, oder Stadt- und Thumkirchen geſe-
hen hat. Jſt nun der Erzehlende von der erſten,
der Zuhoͤrer aber von der letzten Art, ſo wird ſich
dieſer einen gantz andern Begriff von der Kirche
machen, als des Erzehlers Meinung iſt. Die-
ſer hat die Sache ohne ſein Vorwiſſen und in ſei-
ner Einfalt vergroͤſſert. So iſt es auch mit
der Kleinheit, Schoͤnheit, Menge, Ueber-
fluß, Ordnung,
und vielen andern Begriffen

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[120/0156] Sechſtes Capitel, C. 5.): ohne welchen die Geſchichte zwar geſche- hen, aber nicht zu einem Stuͤcke unſerer Erkent- niß werden moͤgen. §. 6. Unvermeidliche Vergroͤſſerung und Ver- kleinerung der Dinge. Jndem man ſich beym Ausdruck ſeiner Em- pfindungen, als gantz determinirter Begriffe, nur allgemeiner Worte bedienen muß (§. 4.): ſo brauchen wir mit unter ſolche, die bey jedem Men- ſchen einen andern Begriff haben, nachdem jeder denſelben von dieſen oder jenen Exempeln abſtra- hiret hat, wie (§. 29. C. 2.) in der Materie von allerhand Arten der Figuren gewieſen worden. Wer eine Kirche beſchreibt, der ſollte eigentlich ſagen, wie lang und breit dieſelbe waͤre: weil aber dieſes entweder eine Ausmeſſung, oder wenigſtens ein gutes Augenmaaß erforderte, in beyden Faͤl- len aber eine langweilige Erzehlung verurſachen wuͤrde, ſo ſagt man kuͤrtzlich: eine groſſe, oder eine kleine Kirche. Allein dieſes Wort hat gantz verſchiedene Bedeutungen, nachdem jemand nur Dorfkirchen, oder Stadt- und Thumkirchen geſe- hen hat. Jſt nun der Erzehlende von der erſten, der Zuhoͤrer aber von der letzten Art, ſo wird ſich dieſer einen gantz andern Begriff von der Kirche machen, als des Erzehlers Meinung iſt. Die- ſer hat die Sache ohne ſein Vorwiſſen und in ſei- ner Einfalt vergroͤſſert. So iſt es auch mit der Kleinheit, Schoͤnheit, Menge, Ueber- fluß, Ordnung, und vielen andern Begriffen be-

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Zitationshilfe: Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/156>, abgerufen am 23.11.2024.