Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.Vorrede. nunftlehre alle, auch die kleinsten Theile einesdogmatischen Buches schon so zergliedert vor mir, nemlich die Definitionen, die Grundsätze, die Theorems u. s. w. daß es nicht viel Mühe erforderte, bey jedem Stücke eines dogmati- schen Buches zu zeigen, wie dabey vor gewisse Leser Dunckelheiten entstehen könnten; und wie diese durch eine geschickte Auslegung zu heben wären. Aber mit den historischen Bü- chern war es gantz anders beschaffen. Alles was in dogmatischen Büchern, die allgemeine Wahrheiten in sich fassen, vorkömmt, trifft man in historischen Büchern nicht an: Hin- gegen, was man in diesen antrifft, ist, wie ge- dacht, in der Vernunftlehre gar nicht erklä- ret. Hier war es also unumgänglich nöthig, daß ich über die historischen Stellen, als die elementa historischer Bücher, neue Betrach- tungen anstellte, und also die Beschaffenheit der historischen Erkenntniß genauer unter- suchte. Wie weit ich dazumahl in dieser ver- wickelten und vorher gantz nicht aufgeklärten Materie gekommen sey, wird das achte Capi- tel meiner Einleitung zur richtigen Auslegung am klärsten bezeigen. Man kan leicht ermes- sen, daß der Vorsatz, gegenwärtiges Buch zu seiner Zeit auszuarbeiten, unter jener Arbeit nicht wenig sey bestätiget worden. Das
Vorrede. nunftlehre alle, auch die kleinſten Theile einesdogmatiſchen Buches ſchon ſo zergliedert vor mir, nemlich die Definitionen, die Grundſaͤtze, die Theorems u. ſ. w. daß es nicht viel Muͤhe erforderte, bey jedem Stuͤcke eines dogmati- ſchen Buches zu zeigen, wie dabey vor gewiſſe Leſer Dunckelheiten entſtehen koͤnnten; und wie dieſe durch eine geſchickte Auslegung zu heben waͤren. Aber mit den hiſtoriſchen Buͤ- chern war es gantz anders beſchaffen. Alles was in dogmatiſchen Buͤchern, die allgemeine Wahrheiten in ſich faſſen, vorkoͤmmt, trifft man in hiſtoriſchen Buͤchern nicht an: Hin- gegen, was man in dieſen antrifft, iſt, wie ge- dacht, in der Vernunftlehre gar nicht erklaͤ- ret. Hier war es alſo unumgaͤnglich noͤthig, daß ich uͤber die hiſtoriſchen Stellen, als die elementa hiſtoriſcher Buͤcher, neue Betrach- tungen anſtellte, und alſo die Beſchaffenheit der hiſtoriſchen Erkenntniß genauer unter- ſuchte. Wie weit ich dazumahl in dieſer ver- wickelten und vorher gantz nicht aufgeklaͤrten Materie gekommen ſey, wird das achte Capi- tel meiner Einleitung zur richtigen Auslegung am klaͤrſten bezeigen. Man kan leicht ermeſ- ſen, daß der Vorſatz, gegenwaͤrtiges Buch zu ſeiner Zeit auszuarbeiten, unter jener Arbeit nicht wenig ſey beſtaͤtiget worden. Das
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Vorrede.
nunftlehre alle, auch die kleinſten Theile eines
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mir, nemlich die Definitionen, die Grundſaͤtze,
die Theorems u. ſ. w. daß es nicht viel Muͤhe
erforderte, bey jedem Stuͤcke eines dogmati-
ſchen Buches zu zeigen, wie dabey vor gewiſſe
Leſer Dunckelheiten entſtehen koͤnnten; und
wie dieſe durch eine geſchickte Auslegung zu
heben waͤren. Aber mit den hiſtoriſchen Buͤ-
chern war es gantz anders beſchaffen. Alles
was in dogmatiſchen Buͤchern, die allgemeine
Wahrheiten in ſich faſſen, vorkoͤmmt, trifft
man in hiſtoriſchen Buͤchern nicht an: Hin-
gegen, was man in dieſen antrifft, iſt, wie ge-
dacht, in der Vernunftlehre gar nicht erklaͤ-
ret. Hier war es alſo unumgaͤnglich noͤthig,
daß ich uͤber die hiſtoriſchen Stellen, als die
elementa hiſtoriſcher Buͤcher, neue Betrach-
tungen anſtellte, und alſo die Beſchaffenheit
der hiſtoriſchen Erkenntniß genauer unter-
ſuchte. Wie weit ich dazumahl in dieſer ver-
wickelten und vorher gantz nicht aufgeklaͤrten
Materie gekommen ſey, wird das achte Capi-
tel meiner Einleitung zur richtigen Auslegung
am klaͤrſten bezeigen. Man kan leicht ermeſ-
ſen, daß der Vorſatz, gegenwaͤrtiges Buch zu
ſeiner Zeit auszuarbeiten, unter jener Arbeit
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