Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.

Bild:
<< vorherige Seite

v. d. Zusammenhange d. Begebenh. etc.
Zustande, und in den vorhergegangenen Bege-
benheiten ihren Grund haben; so daß diese nach
dem von GOtt geordneten Lauffe der Natur, die
Ursach der nachfolgenden sind. Unterdessen ist
es bisher gar nicht ausgemacht gewesen, wie der
Begriff, und die Erkentniß der Ursachen, mit
andern Stücken der Vernunfftlehre zusammen-
hange: allwo man von lauter Begriffen, Sä-
tzen
und Schlüssen handelt. Jn meiner Lo-
gica Practica Problem. XXX. p.
35. habe aber
gewiesen, daß die Erkentniß der Ursach eines
Dinges in nichts anders als darinnen bestehe, daß
man aus einem iudicio intuitiuo, d. i. solchen,
welches man durch die Empfindung oder Erfah-
rung erlanget, ein iudicium discursiuum und
Schlußsatz machen will. Jn so ferne nun die
Physick, welches eigentlich ihr Amt ist, allgemei-
ne Wahrheiten, die man vors erste aus der Er-
fahrung erkannt hat, in sich enthält; so hat die
Erklärung der Ursachen, wenn von solchen
allgemeinen Sätzen die Rede ist, von den De-
monstrationen,
die bey allen übrigen allgemei-
nen Wahrheiten gebraucht werden, nichts vor-
aus. Nur mit der Erfindung solcher Schlüs-
se gehet es anders zu. Denn da man bey Er-
findung anderer allgemeinen Wahrheiten, die
nehmlich nur a priori können erkannt werden, die
Fördersätze (wenigstens bey dem ersten Erfinder)
eher bekannt sind, als der Schlußsatz; so ist hin-
gegen in einem Schlusse, da man die Ursach ei-
nes Dinges, oder einer Erfahrung entdeckt, der
Schlußsatz eher bekannt als die Fordersätze. Und

die

v. d. Zuſammenhange d. Begebenh. ꝛc.
Zuſtande, und in den vorhergegangenen Bege-
benheiten ihren Grund haben; ſo daß dieſe nach
dem von GOtt geordneten Lauffe der Natur, die
Urſach der nachfolgenden ſind. Unterdeſſen iſt
es bisher gar nicht ausgemacht geweſen, wie der
Begriff, und die Erkentniß der Urſachen, mit
andern Stuͤcken der Vernunfftlehre zuſammen-
hange: allwo man von lauter Begriffen, Saͤ-
tzen
und Schluͤſſen handelt. Jn meiner Lo-
gica Practica Problem. XXX. p.
35. habe aber
gewieſen, daß die Erkentniß der Urſach eines
Dinges in nichts anders als darinnen beſtehe, daß
man aus einem iudicio intuitiuo, d. i. ſolchen,
welches man durch die Empfindung oder Erfah-
rung erlanget, ein iudicium diſcurſiuum und
Schlußſatz machen will. Jn ſo ferne nun die
Phyſick, welches eigentlich ihr Amt iſt, allgemei-
ne Wahrheiten, die man vors erſte aus der Er-
fahrung erkannt hat, in ſich enthaͤlt; ſo hat die
Erklaͤrung der Urſachen, wenn von ſolchen
allgemeinen Saͤtzen die Rede iſt, von den De-
monſtrationen,
die bey allen uͤbrigen allgemei-
nen Wahrheiten gebraucht werden, nichts vor-
aus. Nur mit der Erfindung ſolcher Schluͤſ-
ſe gehet es anders zu. Denn da man bey Er-
findung anderer allgemeinen Wahrheiten, die
nehmlich nur a priori koͤnnen erkannt werden, die
Foͤrderſaͤtze (wenigſtens bey dem erſten Erfinder)
eher bekannt ſind, als der Schlußſatz; ſo iſt hin-
gegen in einem Schluſſe, da man die Urſach ei-
nes Dinges, oder einer Erfahrung entdeckt, der
Schlußſatz eher bekannt als die Forderſaͤtze. Und

die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0239" n="203"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">v. d. Zu&#x017F;ammenhange d. Begebenh. &#xA75B;c.</hi></fw><lb/>
Zu&#x017F;tande, und in den vorhergegangenen Bege-<lb/>
benheiten ihren Grund haben; &#x017F;o daß die&#x017F;e nach<lb/>
dem von GOtt geordneten Lauffe der Natur, die<lb/><hi rendition="#fr">Ur&#x017F;ach</hi> der nachfolgenden &#x017F;ind. Unterde&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t<lb/>
es bisher gar nicht ausgemacht gewe&#x017F;en, wie der<lb/><hi rendition="#fr">Begriff,</hi> und die Erkentniß der <hi rendition="#fr">Ur&#x017F;achen,</hi> mit<lb/>
andern Stu&#x0364;cken der Vernunfftlehre zu&#x017F;ammen-<lb/>
hange: allwo man von lauter <hi rendition="#fr">Begriffen, Sa&#x0364;-<lb/>
tzen</hi> und <hi rendition="#fr">Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en</hi> handelt. Jn meiner <hi rendition="#aq">Lo-<lb/>
gica Practica Problem. XXX. p.</hi> 35. habe aber<lb/>
gewie&#x017F;en, daß die Erkentniß der Ur&#x017F;ach eines<lb/>
Dinges in nichts anders als darinnen be&#x017F;tehe, daß<lb/>
man aus einem <hi rendition="#aq">iudicio intuitiuo,</hi> d. i. &#x017F;olchen,<lb/>
welches man durch die Empfindung oder Erfah-<lb/>
rung erlanget, ein <hi rendition="#aq">iudicium di&#x017F;cur&#x017F;iuum</hi> und<lb/>
Schluß&#x017F;atz machen will. Jn &#x017F;o ferne nun die<lb/>
Phy&#x017F;ick, welches eigentlich ihr Amt i&#x017F;t, allgemei-<lb/>
ne Wahrheiten, die man vors er&#x017F;te aus der Er-<lb/>
fahrung erkannt hat, in &#x017F;ich entha&#x0364;lt; &#x017F;o hat die<lb/><hi rendition="#fr">Erkla&#x0364;rung der Ur&#x017F;achen,</hi> wenn von &#x017F;olchen<lb/>
allgemeinen Sa&#x0364;tzen die Rede i&#x017F;t, von den <hi rendition="#fr">De-<lb/>
mon&#x017F;trationen,</hi> die bey allen u&#x0364;brigen allgemei-<lb/>
nen Wahrheiten gebraucht werden, nichts vor-<lb/>
aus. Nur mit der <hi rendition="#fr">Erfindung</hi> &#x017F;olcher Schlu&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;e gehet es anders zu. Denn da man bey Er-<lb/>
findung anderer allgemeinen Wahrheiten, die<lb/>
nehmlich nur <hi rendition="#aq">a priori</hi> ko&#x0364;nnen erkannt werden, die<lb/>
Fo&#x0364;rder&#x017F;a&#x0364;tze (wenig&#x017F;tens bey dem er&#x017F;ten Erfinder)<lb/>
eher bekannt &#x017F;ind, als der Schluß&#x017F;atz; &#x017F;o i&#x017F;t hin-<lb/>
gegen in einem Schlu&#x017F;&#x017F;e, da man die Ur&#x017F;ach ei-<lb/>
nes Dinges, oder einer Erfahrung entdeckt, der<lb/>
Schluß&#x017F;atz eher bekannt als die Forder&#x017F;a&#x0364;tze. Und<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">die</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[203/0239] v. d. Zuſammenhange d. Begebenh. ꝛc. Zuſtande, und in den vorhergegangenen Bege- benheiten ihren Grund haben; ſo daß dieſe nach dem von GOtt geordneten Lauffe der Natur, die Urſach der nachfolgenden ſind. Unterdeſſen iſt es bisher gar nicht ausgemacht geweſen, wie der Begriff, und die Erkentniß der Urſachen, mit andern Stuͤcken der Vernunfftlehre zuſammen- hange: allwo man von lauter Begriffen, Saͤ- tzen und Schluͤſſen handelt. Jn meiner Lo- gica Practica Problem. XXX. p. 35. habe aber gewieſen, daß die Erkentniß der Urſach eines Dinges in nichts anders als darinnen beſtehe, daß man aus einem iudicio intuitiuo, d. i. ſolchen, welches man durch die Empfindung oder Erfah- rung erlanget, ein iudicium diſcurſiuum und Schlußſatz machen will. Jn ſo ferne nun die Phyſick, welches eigentlich ihr Amt iſt, allgemei- ne Wahrheiten, die man vors erſte aus der Er- fahrung erkannt hat, in ſich enthaͤlt; ſo hat die Erklaͤrung der Urſachen, wenn von ſolchen allgemeinen Saͤtzen die Rede iſt, von den De- monſtrationen, die bey allen uͤbrigen allgemei- nen Wahrheiten gebraucht werden, nichts vor- aus. Nur mit der Erfindung ſolcher Schluͤſ- ſe gehet es anders zu. Denn da man bey Er- findung anderer allgemeinen Wahrheiten, die nehmlich nur a priori koͤnnen erkannt werden, die Foͤrderſaͤtze (wenigſtens bey dem erſten Erfinder) eher bekannt ſind, als der Schlußſatz; ſo iſt hin- gegen in einem Schluſſe, da man die Urſach ei- nes Dinges, oder einer Erfahrung entdeckt, der Schlußſatz eher bekannt als die Forderſaͤtze. Und die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/239
Zitationshilfe: Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/239>, abgerufen am 21.11.2024.