Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.

Bild:
<< vorherige Seite

Achtes Capitel,
nicht eher zulassen. Der Unversöhnliche würde
sich gleich rächen, wenn es bloß auf seinen Wil-
len ankäme: Aber so, muß er erst eine Gelegen-
heit abwarten. Ein Gelehrter schiebt zwar die
Ausgabe eines Buches auf, aber aus keiner an-
dern Ursach, als aus Erwartung der Umstände,
daß solches mit mehrerem Nutzen und Wohlge-
fallen des Publici geschehen möge. Aller Auf-
schub die Entschlüssungen, und deren Ausführung
auch nur anzufangen, kommt von Hindernissen
her; sonsten ist Beschlüssen und die Ausführung
anfangen gleich mit einander verknüpft. Ein an-
ders aber ist es mit der völligen Ausführung, oder
Vollbringung einer Sache: Als welche aus
andern Ursachen, und der innerlichen Beschaffen-
heit des Anschlages nach, sich offt gar lange, wenn
auch gar keine Hindernisse sich äussern, verziehen
kan. Es giebt aber auch weit aussehende,
oder grosse Anschläge, welche wegen der ver-
schiedenen Theile, oder der auf einander folgenden
vielen Mittel, auch ohne Hinderniß, dennoch in
weniger Zeit nicht ausgeführet werden können.
Rom sagt man, ist nicht auf einen Tag gebauet:
Wobey man nicht sowohl auf die Schwierigkeit,
die aus Hindernissen entstehet, als auf die Grösse
und Weitläuftigkeit siehet, die viel Zeit erfordert
hat. Eine barbarische Nation cultiviren, ist eine
Sache, welche, wenn sie sich auch noch so willig
darzu bewiese, dennoch in wenigen Jahren nicht
zu Stande zu bringen ist.

§. 21.

Achtes Capitel,
nicht eher zulaſſen. Der Unverſoͤhnliche wuͤrde
ſich gleich raͤchen, wenn es bloß auf ſeinen Wil-
len ankaͤme: Aber ſo, muß er erſt eine Gelegen-
heit abwarten. Ein Gelehrter ſchiebt zwar die
Ausgabe eines Buches auf, aber aus keiner an-
dern Urſach, als aus Erwartung der Umſtaͤnde,
daß ſolches mit mehrerem Nutzen und Wohlge-
fallen des Publici geſchehen moͤge. Aller Auf-
ſchub die Entſchluͤſſungen, und deren Ausfuͤhrung
auch nur anzufangen, kommt von Hinderniſſen
her; ſonſten iſt Beſchluͤſſen und die Ausfuͤhrung
anfangen gleich mit einander verknuͤpft. Ein an-
ders aber iſt es mit der voͤlligen Ausfuͤhrung, oder
Vollbringung einer Sache: Als welche aus
andern Urſachen, und der innerlichen Beſchaffen-
heit des Anſchlages nach, ſich offt gar lange, wenn
auch gar keine Hinderniſſe ſich aͤuſſern, verziehen
kan. Es giebt aber auch weit ausſehende,
oder groſſe Anſchlaͤge, welche wegen der ver-
ſchiedenen Theile, oder der auf einander folgenden
vielen Mittel, auch ohne Hinderniß, dennoch in
weniger Zeit nicht ausgefuͤhret werden koͤnnen.
Rom ſagt man, iſt nicht auf einen Tag gebauet:
Wobey man nicht ſowohl auf die Schwierigkeit,
die aus Hinderniſſen entſtehet, als auf die Groͤſſe
und Weitlaͤuftigkeit ſiehet, die viel Zeit erfordert
hat. Eine barbariſche Nation cultiviren, iſt eine
Sache, welche, wenn ſie ſich auch noch ſo willig
darzu bewieſe, dennoch in wenigen Jahren nicht
zu Stande zu bringen iſt.

§. 21.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0266" n="230"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Achtes Capitel,</hi></fw><lb/>
nicht eher zula&#x017F;&#x017F;en. Der Unver&#x017F;o&#x0364;hnliche wu&#x0364;rde<lb/>
&#x017F;ich gleich ra&#x0364;chen, wenn es bloß auf &#x017F;einen Wil-<lb/>
len anka&#x0364;me: Aber &#x017F;o, muß er er&#x017F;t eine Gelegen-<lb/>
heit abwarten. Ein Gelehrter &#x017F;chiebt zwar die<lb/>
Ausgabe eines Buches auf, aber aus keiner an-<lb/>
dern Ur&#x017F;ach, als aus Erwartung der Um&#x017F;ta&#x0364;nde,<lb/>
daß &#x017F;olches mit mehrerem Nutzen und Wohlge-<lb/>
fallen des Publici ge&#x017F;chehen mo&#x0364;ge. Aller Auf-<lb/>
&#x017F;chub die Ent&#x017F;chlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;ungen, und deren Ausfu&#x0364;hrung<lb/>
auch nur <hi rendition="#fr">anzufangen,</hi> kommt von Hinderni&#x017F;&#x017F;en<lb/>
her; &#x017F;on&#x017F;ten i&#x017F;t <hi rendition="#fr">Be&#x017F;chlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en</hi> und die Ausfu&#x0364;hrung<lb/>
anfangen gleich mit einander verknu&#x0364;pft. Ein an-<lb/>
ders aber i&#x017F;t es mit der <hi rendition="#fr">vo&#x0364;lligen</hi> Ausfu&#x0364;hrung, oder<lb/><hi rendition="#fr">Vollbringung</hi> einer Sache: Als welche aus<lb/>
andern Ur&#x017F;achen, und der innerlichen Be&#x017F;chaffen-<lb/>
heit des An&#x017F;chlages nach, &#x017F;ich offt gar lange, wenn<lb/>
auch gar keine Hinderni&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ich a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;ern, verziehen<lb/>
kan. Es giebt aber auch <hi rendition="#fr">weit aus&#x017F;ehende,</hi><lb/>
oder gro&#x017F;&#x017F;e <hi rendition="#fr">An&#x017F;chla&#x0364;ge,</hi> welche wegen der ver-<lb/>
&#x017F;chiedenen Theile, oder der auf einander folgenden<lb/>
vielen Mittel, auch ohne Hinderniß, dennoch in<lb/>
weniger Zeit nicht ausgefu&#x0364;hret werden ko&#x0364;nnen.<lb/><hi rendition="#fr">Rom</hi> &#x017F;agt man, i&#x017F;t nicht auf einen Tag gebauet:<lb/>
Wobey man nicht &#x017F;owohl auf die Schwierigkeit,<lb/>
die aus Hinderni&#x017F;&#x017F;en ent&#x017F;tehet, als auf die Gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e<lb/>
und Weitla&#x0364;uftigkeit &#x017F;iehet, die viel Zeit erfordert<lb/>
hat. Eine barbari&#x017F;che Nation cultiviren, i&#x017F;t eine<lb/>
Sache, welche, wenn &#x017F;ie &#x017F;ich auch noch &#x017F;o willig<lb/>
darzu bewie&#x017F;e, dennoch in wenigen Jahren nicht<lb/>
zu Stande zu bringen i&#x017F;t.</p>
        </div><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">§. 21.</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[230/0266] Achtes Capitel, nicht eher zulaſſen. Der Unverſoͤhnliche wuͤrde ſich gleich raͤchen, wenn es bloß auf ſeinen Wil- len ankaͤme: Aber ſo, muß er erſt eine Gelegen- heit abwarten. Ein Gelehrter ſchiebt zwar die Ausgabe eines Buches auf, aber aus keiner an- dern Urſach, als aus Erwartung der Umſtaͤnde, daß ſolches mit mehrerem Nutzen und Wohlge- fallen des Publici geſchehen moͤge. Aller Auf- ſchub die Entſchluͤſſungen, und deren Ausfuͤhrung auch nur anzufangen, kommt von Hinderniſſen her; ſonſten iſt Beſchluͤſſen und die Ausfuͤhrung anfangen gleich mit einander verknuͤpft. Ein an- ders aber iſt es mit der voͤlligen Ausfuͤhrung, oder Vollbringung einer Sache: Als welche aus andern Urſachen, und der innerlichen Beſchaffen- heit des Anſchlages nach, ſich offt gar lange, wenn auch gar keine Hinderniſſe ſich aͤuſſern, verziehen kan. Es giebt aber auch weit ausſehende, oder groſſe Anſchlaͤge, welche wegen der ver- ſchiedenen Theile, oder der auf einander folgenden vielen Mittel, auch ohne Hinderniß, dennoch in weniger Zeit nicht ausgefuͤhret werden koͤnnen. Rom ſagt man, iſt nicht auf einen Tag gebauet: Wobey man nicht ſowohl auf die Schwierigkeit, die aus Hinderniſſen entſtehet, als auf die Groͤſſe und Weitlaͤuftigkeit ſiehet, die viel Zeit erfordert hat. Eine barbariſche Nation cultiviren, iſt eine Sache, welche, wenn ſie ſich auch noch ſo willig darzu bewieſe, dennoch in wenigen Jahren nicht zu Stande zu bringen iſt. §. 21.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/266
Zitationshilfe: Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/266>, abgerufen am 24.11.2024.