Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.

Bild:
<< vorherige Seite
v. d. Zusammenhange d. Begebenh. etc.
§. 50.
Geschichte erklären.

Darinnen bestehet nun das Erklären der
Geschichte, welches von dem Erläutern dersel-
ben, wodurch man ungegründeten und nachtheili-
gen Urtheilen vorbauet (§. 28. C. 6.), nicht zu
vermengen ist: Daß man jedes von den vorher-
gegangenen Begebenheiten, so weit in seiner Er-
zehlung aus und anführet, daß das nachfolgende
entweder mit der gesunden Vernunfft, oder nach
den bemerckten Fehlern, Untugenden und Lastern
der Menschen, mit zu Hülffenehmung der mensch-
lichen Freyheit, zu einer natürlichen, und be-
greifflichen
Entschlüssung wird; so daß weder
die Sache als ohne allen Grund geschehen, vor-
getragen wird; welchen Fall der menschliche Ver-
stand abhorrirt, und nicht glauben kan, noch auch
etwas widersprechendes darinnen hervorleuchtet.
Denn so, wenn man von zwey guten Freunden
erzehlt hat, nachher aber lauter Feindseligkeiten
anführete, die sie einander angethan; so ist die
Geschichte, der Erzehlung nach, widersprechend:
Sie wird aber begreifflich, wenn man die Bege-
benheit an rechten Orte anführet, wie sie mit ein-
ander zerfaller, und Feinde geworden sind. Der-
gleichen Erklärung giebt Cicero, warum Pom-
pejus in so kurtzer Zeit den Krieg wider die
Seeräuber so bald zu Ende gebracht, und sonst
in kurtzer Zeit so grosse Thaten gethan habe:
Orat. pro L. Manilia c. XIV. Vnde illam tan-
tam celeritatem, et tam incredibilem cursum in-

uentum
v. d. Zuſammenhange d. Begebenh. ꝛc.
§. 50.
Geſchichte erklaͤren.

Darinnen beſtehet nun das Erklaͤren der
Geſchichte, welches von dem Erlaͤutern derſel-
ben, wodurch man ungegruͤndeten und nachtheili-
gen Urtheilen vorbauet (§. 28. C. 6.), nicht zu
vermengen iſt: Daß man jedes von den vorher-
gegangenen Begebenheiten, ſo weit in ſeiner Er-
zehlung aus und anfuͤhret, daß das nachfolgende
entweder mit der geſunden Vernunfft, oder nach
den bemerckten Fehlern, Untugenden und Laſtern
der Menſchen, mit zu Huͤlffenehmung der menſch-
lichen Freyheit, zu einer natuͤrlichen, und be-
greifflichen
Entſchluͤſſung wird; ſo daß weder
die Sache als ohne allen Grund geſchehen, vor-
getragen wird; welchen Fall der menſchliche Ver-
ſtand abhorrirt, und nicht glauben kan, noch auch
etwas widerſprechendes darinnen hervorleuchtet.
Denn ſo, wenn man von zwey guten Freunden
erzehlt hat, nachher aber lauter Feindſeligkeiten
anfuͤhrete, die ſie einander angethan; ſo iſt die
Geſchichte, der Erzehlung nach, widerſprechend:
Sie wird aber begreifflich, wenn man die Bege-
benheit an rechten Orte anfuͤhret, wie ſie mit ein-
ander zerfaller, und Feinde geworden ſind. Der-
gleichen Erklaͤrung giebt Cicero, warum Pom-
pejus in ſo kurtzer Zeit den Krieg wider die
Seeraͤuber ſo bald zu Ende gebracht, und ſonſt
in kurtzer Zeit ſo groſſe Thaten gethan habe:
Orat. pro L. Manilia c. XIV. Vnde illam tan-
tam celeritatem, et tam incredibilem curſum in-

uentum
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0307" n="271"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">v. d. Zu&#x017F;ammenhange d. Begebenh. &#xA75B;c.</hi> </fw><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 50.<lb/>
Ge&#x017F;chichte erkla&#x0364;ren.</head><lb/>
          <p>Darinnen be&#x017F;tehet nun das <hi rendition="#fr">Erkla&#x0364;ren</hi> der<lb/>
Ge&#x017F;chichte, welches von dem <hi rendition="#fr">Erla&#x0364;utern</hi> der&#x017F;el-<lb/>
ben, wodurch man ungegru&#x0364;ndeten und nachtheili-<lb/>
gen Urtheilen vorbauet (§. 28. C. 6.), nicht zu<lb/>
vermengen i&#x017F;t: Daß man jedes von den vorher-<lb/>
gegangenen Begebenheiten, &#x017F;o weit in &#x017F;einer Er-<lb/>
zehlung aus und anfu&#x0364;hret, daß das nachfolgende<lb/>
entweder mit der ge&#x017F;unden Vernunfft, oder nach<lb/>
den bemerckten Fehlern, Untugenden und La&#x017F;tern<lb/>
der Men&#x017F;chen, mit zu Hu&#x0364;lffenehmung der men&#x017F;ch-<lb/>
lichen Freyheit, zu einer <hi rendition="#fr">natu&#x0364;rlichen,</hi> und <hi rendition="#fr">be-<lb/>
greifflichen</hi> Ent&#x017F;chlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;ung wird; &#x017F;o daß weder<lb/>
die Sache als <hi rendition="#fr">ohne allen Grund</hi> ge&#x017F;chehen, vor-<lb/>
getragen wird; welchen Fall der men&#x017F;chliche Ver-<lb/>
&#x017F;tand abhorrirt, und nicht glauben kan, noch auch<lb/>
etwas wider&#x017F;prechendes darinnen hervorleuchtet.<lb/>
Denn &#x017F;o, wenn man von zwey guten Freunden<lb/>
erzehlt hat, nachher aber lauter Feind&#x017F;eligkeiten<lb/>
anfu&#x0364;hrete, die &#x017F;ie einander angethan; &#x017F;o i&#x017F;t die<lb/>
Ge&#x017F;chichte, der <hi rendition="#fr">Erzehlung</hi> nach, wider&#x017F;prechend:<lb/>
Sie wird aber begreifflich, wenn man die Bege-<lb/>
benheit an rechten Orte anfu&#x0364;hret, wie &#x017F;ie mit ein-<lb/>
ander zerfaller, und Feinde geworden &#x017F;ind. Der-<lb/>
gleichen Erkla&#x0364;rung giebt <hi rendition="#fr">Cicero,</hi> warum Pom-<lb/>
pejus in &#x017F;o kurtzer Zeit den Krieg wider die<lb/>
Seera&#x0364;uber &#x017F;o bald zu Ende gebracht, und &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
in kurtzer Zeit &#x017F;o gro&#x017F;&#x017F;e Thaten gethan habe:<lb/><hi rendition="#aq">Orat. pro L. Manilia c. XIV. Vnde illam tan-<lb/>
tam celeritatem, et tam incredibilem cur&#x017F;um in-</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">uentum</hi></fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[271/0307] v. d. Zuſammenhange d. Begebenh. ꝛc. §. 50. Geſchichte erklaͤren. Darinnen beſtehet nun das Erklaͤren der Geſchichte, welches von dem Erlaͤutern derſel- ben, wodurch man ungegruͤndeten und nachtheili- gen Urtheilen vorbauet (§. 28. C. 6.), nicht zu vermengen iſt: Daß man jedes von den vorher- gegangenen Begebenheiten, ſo weit in ſeiner Er- zehlung aus und anfuͤhret, daß das nachfolgende entweder mit der geſunden Vernunfft, oder nach den bemerckten Fehlern, Untugenden und Laſtern der Menſchen, mit zu Huͤlffenehmung der menſch- lichen Freyheit, zu einer natuͤrlichen, und be- greifflichen Entſchluͤſſung wird; ſo daß weder die Sache als ohne allen Grund geſchehen, vor- getragen wird; welchen Fall der menſchliche Ver- ſtand abhorrirt, und nicht glauben kan, noch auch etwas widerſprechendes darinnen hervorleuchtet. Denn ſo, wenn man von zwey guten Freunden erzehlt hat, nachher aber lauter Feindſeligkeiten anfuͤhrete, die ſie einander angethan; ſo iſt die Geſchichte, der Erzehlung nach, widerſprechend: Sie wird aber begreifflich, wenn man die Bege- benheit an rechten Orte anfuͤhret, wie ſie mit ein- ander zerfaller, und Feinde geworden ſind. Der- gleichen Erklaͤrung giebt Cicero, warum Pom- pejus in ſo kurtzer Zeit den Krieg wider die Seeraͤuber ſo bald zu Ende gebracht, und ſonſt in kurtzer Zeit ſo groſſe Thaten gethan habe: Orat. pro L. Manilia c. XIV. Vnde illam tan- tam celeritatem, et tam incredibilem curſum in- uentum

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/307
Zitationshilfe: Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/307>, abgerufen am 21.11.2024.