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Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.

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Neuntes Capitel,
folgende Sätze deutlich bemerckt und gelehrt wer-
den. 1. Die Demonstration ist nicht die Gewiß-
heit selbst, sondern sie führet uns nur bey allgemei-
nen Wahrheiten, ja nur bey manchen Arten der-
selben, nehmlich bey Corollariis und Theorema-
tibus
zur Gewißheit. 2. Mithin kan auch aus-
ser den Demonstrationen Gewißheit seyn; als
welche man denen Axiomatibus und denen Em-
pfindungen nimmermehr kan absprechen lassen.
Und dennoch sind auch 3. die Sinne nicht die Ge-
wißheit, sondern diese ist nur eine Eigenschafft der
sinnlichen Vorstellungen. 4. Ohngeachtet bey
demonstrirten Wahrheiten das Oppositum alle-
mahl contradictorisch ist, und die gewissen allge-
meinen Wahrheiten mithin diese Eigenschafft auch
haben: So folgt doch gar nicht, daß die Gewiß-
heit
eines Satzes darinnen bestehe, daß das Opposi-
tum
contradictorisch sey: Noch auch, daß dasje-
nige nicht gewiß seyn könne, dessen Gegentheil kei-
nen Widerspruch in sich hält. Vielweniger kan
man 5. das vor die Definition der Gewißheit
annehmen: Wie das Gegentheil einen Wi-
derspruch in sich hält.
Es ist auch 6. die
Gewißheit nicht eine Eigenschafft der Sachen,
sondern unserer Erkentniß: Und die Eintheilung
in certitudinem objectiuam & subjectiuam, da-
von jene die Wahrheit, diese aber die Gewiß-
heit
ist, ist nichts anders als eine Verwirrung
zweyer verschiedener Dinge; die nur Zerrüttung
anrichtet: Wie wir schon gezeigt haben in den
vernünfftigen Gedancken vom Wahr-
scheinlichen.
VIII. Betracht. §. 6.

§. 6.

Neuntes Capitel,
folgende Saͤtze deutlich bemerckt und gelehrt wer-
den. 1. Die Demonſtration iſt nicht die Gewiß-
heit ſelbſt, ſondern ſie fuͤhret uns nur bey allgemei-
nen Wahrheiten, ja nur bey manchen Arten der-
ſelben, nehmlich bey Corollariis und Theorema-
tibus
zur Gewißheit. 2. Mithin kan auch auſ-
ſer den Demonſtrationen Gewißheit ſeyn; als
welche man denen Axiomatibus und denen Em-
pfindungen nimmermehr kan abſprechen laſſen.
Und dennoch ſind auch 3. die Sinne nicht die Ge-
wißheit, ſondern dieſe iſt nur eine Eigenſchafft der
ſinnlichen Vorſtellungen. 4. Ohngeachtet bey
demonſtrirten Wahrheiten das Oppoſitum alle-
mahl contradictoriſch iſt, und die gewiſſen allge-
meinen Wahrheiten mithin dieſe Eigenſchafft auch
haben: So folgt doch gar nicht, daß die Gewiß-
heit
eines Satzes darinnen beſtehe, daß das Oppoſi-
tum
contradictoriſch ſey: Noch auch, daß dasje-
nige nicht gewiß ſeyn koͤnne, deſſen Gegentheil kei-
nen Widerſpruch in ſich haͤlt. Vielweniger kan
man 5. das vor die Definition der Gewißheit
annehmen: Wie das Gegentheil einen Wi-
derſpruch in ſich haͤlt.
Es iſt auch 6. die
Gewißheit nicht eine Eigenſchafft der Sachen,
ſondern unſerer Erkentniß: Und die Eintheilung
in certitudinem objectiuam & ſubjectiuam, da-
von jene die Wahrheit, dieſe aber die Gewiß-
heit
iſt, iſt nichts anders als eine Verwirrung
zweyer verſchiedener Dinge; die nur Zerruͤttung
anrichtet: Wie wir ſchon gezeigt haben in den
vernuͤnfftigen Gedancken vom Wahr-
ſcheinlichen.
VIII. Betracht. §. 6.

§. 6.
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[286/0322] Neuntes Capitel, folgende Saͤtze deutlich bemerckt und gelehrt wer- den. 1. Die Demonſtration iſt nicht die Gewiß- heit ſelbſt, ſondern ſie fuͤhret uns nur bey allgemei- nen Wahrheiten, ja nur bey manchen Arten der- ſelben, nehmlich bey Corollariis und Theorema- tibus zur Gewißheit. 2. Mithin kan auch auſ- ſer den Demonſtrationen Gewißheit ſeyn; als welche man denen Axiomatibus und denen Em- pfindungen nimmermehr kan abſprechen laſſen. Und dennoch ſind auch 3. die Sinne nicht die Ge- wißheit, ſondern dieſe iſt nur eine Eigenſchafft der ſinnlichen Vorſtellungen. 4. Ohngeachtet bey demonſtrirten Wahrheiten das Oppoſitum alle- mahl contradictoriſch iſt, und die gewiſſen allge- meinen Wahrheiten mithin dieſe Eigenſchafft auch haben: So folgt doch gar nicht, daß die Gewiß- heit eines Satzes darinnen beſtehe, daß das Oppoſi- tum contradictoriſch ſey: Noch auch, daß dasje- nige nicht gewiß ſeyn koͤnne, deſſen Gegentheil kei- nen Widerſpruch in ſich haͤlt. Vielweniger kan man 5. das vor die Definition der Gewißheit annehmen: Wie das Gegentheil einen Wi- derſpruch in ſich haͤlt. Es iſt auch 6. die Gewißheit nicht eine Eigenſchafft der Sachen, ſondern unſerer Erkentniß: Und die Eintheilung in certitudinem objectiuam & ſubjectiuam, da- von jene die Wahrheit, dieſe aber die Gewiß- heit iſt, iſt nichts anders als eine Verwirrung zweyer verſchiedener Dinge; die nur Zerruͤttung anrichtet: Wie wir ſchon gezeigt haben in den vernuͤnfftigen Gedancken vom Wahr- ſcheinlichen. VIII. Betracht. §. 6. §. 6.

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Zitationshilfe: Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/322>, abgerufen am 21.11.2024.